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Richtig leben

... und dann tu, was du willst

AutorJürgen Domian
VerlagGütersloher Verlagshaus
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783641146269
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Domian und die Frage nach dem Hier und Jetzt: Wie geht erfülltes Leben?
»Wie lebt man so, dass man über jede Stunde sagen kann: Ja, ich bin mir und den anderen gerecht geworden?«

Mehr als 20.000 nächtliche Gespräche hat Jürgen Domian geführt. 20.000 Menschen haben ihm von ihrem Leben erzählt - oft vom Falschen darin. Was aber heißt eigentlich: Richtig leben? Domian folgt den Leidenschaften des Menschen und findet so Antworten auf die Frage, die ihn und so viele andere bewegt. Ein Buch voller Geschichten und Gespräche, Begegnungen und Erfahrungen. Ein Buch über den Wert des Augenblicks und über eine Gegenwärtigkeit, die frei und lebendig macht.

  • Domian im Gespräch mit den Menschen und ihren großen Fragen, mit sich selbst und der inneren Stimme
  • Ein höchstpersönliches Buch voller berührender Geschichten und Begegnungen - unterhaltsam und anregend
  • Domian weiß, wovon er spricht: Seit fast 20 Jahren begleitet er seine Anrufer bei den großen Fragen des Lebens
  • Die Verfilmung seines Bestsellers »Interview mit dem Tod« startet im Sommer


Jürgen Domian wurde 1957 in Gummersbach geboren. Nachdem er bei verschiedenen Sendern der ARD als Autor und Reporter arbeitete, moderierte er von 1995 bis 2016 die bimediale Telefon-Talkshow »Domian«. 2003 wurde er für die Sendung mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

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Leseprobe

2

Wir kennen die sieben Todsünden aus der römisch-katholischen Theologie. In der christlichen Morallehre zählen die Eigenschaften Hochmut, Gier, Neid, Zorn, Wollust, Völlerei und Trägheit zu den Hauptlastern des menschlichen Charakters. Ich möchte mich nicht mit den theologischen Feinheiten und Hintergründen dieses Lasterkataloges auseinandersetzen. All das interessiert mich nicht. Ich bin kein Christ und schon gar nicht katholisch. Allerdings steckt, so glaube ich, hinter der Lehre von den so genannten Hauptlastern sehr viel Weisheit, die weit über das Christliche hinausgeht. Denn in beinahe jeder großen Religion finden wir einen Moral-Kodex, der mit den sieben Todsünden durchaus in Einklang zu bringen ist. Auch bei der Frage nach dem richtigen Leben spielen eben diese sieben Begriffe eine entscheidende Rolle. Und deshalb werde ich mich nun mit jedem einzelnen dieser Begriffe genauer befassen. Dabei geht es mir um die Inhalte und was diese wiederum für den Menschen und sein Leben bedeuten. Auf die so genannte Sündhaftigkeit im christlich-religiösen Sinne möchte ich nicht eingehen.

Hochmut ist zwar ein etwas veralteter Ausdruck, jedoch aktueller denn je. Denn Hochmut bedeutet eben auch Eitelkeit, Narzissmus, Größenwahn und Stolz. Menschliche Eigenschaften, denen wir ständig und heute mehr denn je im Alltag und in unserem persönlichen Umfeld begegnen. Ich arbeite als Radio- und Fernsehmoderator in einer Branche, die geradezu prädestiniert ist, extrem eitle und narzisstische Menschen anzulocken. Und natürlich habe ich mir selbst auch schon oft die Frage nach dem Grad meiner persönlichen Eitelkeit gestellt. Immerhin sitze ich seit nunmehr über viertausend Stunden allnächtlich vor einer Kamera und einem Mikrofon. Geht das ohne ein gehöriges Maß an Eitelkeit? Eindeutig nein! Jeder, der in der Öffentlichkeit arbeitet, sei es als Journalist, Moderator, Schauspieler oder auch Politiker, muss überdurchschnittlich eitel sein. Die Eitelkeit ist quasi die Haupttriebfeder für diese Berufe. Ein völlig uneitler Mensch hätte niemals den Drang, sich auf eine Bühne zu stellen oder eine Samstagabendshow zu moderieren. Natürlich sind erfolgreiche Schauspieler, Politiker oder Moderatoren nicht nur auf ihre Eitelkeit und ihren Narzissmus zu reduzieren, andere Komponenten wie Talent, Gestaltungswille oder auch einfach Lust an der kreativen Arbeit spielen eine ebenso große Rolle. Allerdings ist die Eitelkeit die Grundvoraussetzung für diese Berufe. Im Gegensatz zu vielen anderen Tätigkeiten. Zweifelsohne gibt es extrem eitle Mediziner, Hochschulprofessoren oder auch Manager, nur kann man in diesen Berufen auch dann gute Arbeit leisten, wenn man nicht eitel ist. Beim Schauspieler oder Moderator ist das undenkbar.

Die Beschäftigung mit meiner eigenen Eitelkeit ist mir unangenehm und fällt mir schwer. Denn seit Jahren schon bekämpfe ich sie und muss doch immer wieder feststellen, dass ich sie noch nicht in dem Maße gestutzt habe, wie ich es mir eigentlich wünsche. Allerdings kann ich sagen, ohne aufschneiden zu wollen, dass ich schon einige Fortschritte gemacht habe. Denn zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn bestimmte und dominierte meine Eitelkeit beinahe mein ganzes Leben. Heute bin ich erschüttert, wenn ich mich in jene Zeit zurückversetze, und so vieles ist mir im Nachhinein peinlich.

Der Grund meiner stark ausgeprägten Eitelkeit damals liegt in meiner Vergangenheit. Ich bin neun Jahre auf eine Hauptschule gegangen, und diese Zeit zählt zu den übelsten Abschnitten meines Lebens. Es waren schlimme Jahre der Demütigung und seelischen Verletzung. Alles auf dieser Hauptschule war darauf angelegt, uns Schülern vor Augen zu halten, dass wir im Grunde nichts wert waren, dass wir zur untersten Schicht der Gesellschaft gehörten und dass wir jeden Tag froh sein sollten, nicht auf der Hilfsschule gelandet zu sein. So nannte man damals pädagogische Einrichtungen für behinderte und lernbehinderte Kinder. Wir auf der Hauptschule waren der letzte Abschaum, und die armen Mädchen und Jungen auf der Hilfsschule waren der allerletzte Abschaum. So wurde es uns neun Jahre lang eingebläut. Es gab nur eine Lehrerin, die uns freundlich und neutral behandelte, alle anderen machten uns klein und verhielten sich uns gegenüber herablassend. Natürlich wurden wir bei Fehlverhalten auch geohrfeigt oder bekamen deftige Kopfnüsse. Wobei das für mich nicht das Schlimmste war. Ich erinnere mich daran, einmal bei einer Erdkundefrage versagt zu haben. Der Lehrer schrie mich an, ob ich denn nur »Hasenscheiße« im Kopf hätte und sagte dann genüsslich, während er in der Klasse auf und ab ging: »Ich glaube, der Jürgen kann nicht mal einen Putzlappen richtig auswringen, eigentlich könnten wir ihn ja demnächst immer Doofian nennen.« Die Klasse grölte und nur mit Mühe und Not konnte ich mich später bei meinen Mitschülern gegen den neuen Spitznamen zur Wehr setzen. Ingo, ein Klassenkamerad aus sehr armem und wenig behütendem Elternhaus, kam oft in schlechter Kleidung und mit nicht gerade sauberen Händen und Fingernägeln in die Schule. Dies veranlasste einmal den Direktor unserer Schule, den Jungen vor die Klasse treten zu lassen, wo er sich zudem auf ein Podest stellen musste, damit alle, auch die hintersten Reihen, ihn gut sehen konnten. Dann forderte er uns auf, alles aufzuzählen, was an Ingo schmutzig oder nicht in Ordnung war. Ich saß wie versteinert in der zweiten Reihe, starrte nach vorne und hoffte, dass niemand etwas sagen würde. Diese Hoffnung aber wurde nicht erfüllt. »Na, was ist?«, sagte der Direktor und schaute uns alle fordernd an, und dann legten sie tatsächlich los, nicht alle, aber die meisten meiner Klassenkameraden, und brüllten hämisch nach vorne: »Loch im Pullover«, »fettige Haare«, »kaputte Schuhe«, »schwarze Ohren«, »Fettflecken an der Hose«, »ungeschnittene Fingernägel«, »dreckige Fingernägel« und so weiter. Jeden Anklagepunkt schrieb der Direktor an die Tafel. Als die Meute verstummt war, musste Ingo zum Hausmeister gehen, sich dort einen Eimer mit Wasser holen, dazu Seife, eine Schere und eine Bürste. Wir ahnten wohl alle, was passieren sollte, dennoch lag über der Klasse eine flirrende Spannung. Nachdem Ingo zurück war, befahl ihm der Direktor, sich vor der Klasse das Gesicht und die Ohren zu waschen, seine Hände zu schrubben und schließlich auch noch seine Fingernägel zu schneiden. Wenn ich mich an diese Szene erinnere, kommt noch heute der tiefe Hass in mir hoch, den ich damals für unseren Direktor empfand. Dabei habe ich Ingos Gesicht vor Augen. Er schaute zwar in die Klasse, aber durch uns alle hindurch. Ich hatte noch nie einen so traurigen und toten Blick gesehen. Ingo war mir nie sympathisch gewesen, aber in diesem Moment war er mein Bruder.

Als die Tortur endlich zu Ende war, musste Ingo auch noch alles von der Tafel abschreiben, was sein Peiniger zuvor dort haargenau festgehalten hatte. Dann war die Sache endlich abgeschlossen und der Direktor ließ uns alle zusammen ein Wanderlied singen.

Übrigens erfuhr ich auf Umwegen, dass sich Ingo etwa zwölf Jahre später mit einer Überdosis Heroin das Leben genommen hat.

Einen anderen Schuldirektor habe ich in wesentlich besserer Erinnerung. Er zählt zu den wichtigsten Weichenstellern meines Lebens und ich bin ihm zutiefst dankbar. Er hieß Horst Kienbaum und leitete damals eines der beiden Gymnasien in meiner Stadt. Er ermöglichte mir, dem ehemaligen Hauptschüler, der seine mittlere Reife auf einer Handelsschule gemacht hatte, den Zugang zur Oberstufe seiner angesehenen Schule. Aus den Demütigungen von einst erwuchsen leidenschaftlicher Ehrgeiz und grelle Eitelkeit. Von nun an wollte ich es allen zeigen.

Das ist die Geschichte meiner Eitelkeitsentstehung, und ich bin fest davon überzeugt, dass jede extreme Eitelkeit auf eine nachvollziehbare Ursache zurückzuführen ist.

Der Hochmut und somit die Eitelkeit und der Narzissmus sind nicht umsonst in der Liste der Todsünden zu finden. Ich glaube, dass die genannten Eigenschaften die Psyche eines Menschen erschreckend deformieren können. Denn der Eitle und Hochmütige ist immer auch ein Egoist und Egozentriker. Alles muss sich zu jeder Zeit um seine Person und seine Bedürfnisse drehen. Er verliert die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen und mitzufühlen, und ist selbst wiederum Sklave seiner Ich-Sucht. Alles, was ihn sonst noch ausmacht, tritt in den Hintergrund oder bleibt auf der Strecke.

Weint ein Egozentriker oder Narzisst in Anbetracht des Unglücks eines anderen, so sind die Tränen durchaus echt. Allerdings beweint er nicht das Leid des anderen, er bezieht es auf sich, er stellt sich vor, an Stelle des Leidtragenden zu sein – und beweint somit sich selbst.

Zu einem gewissen Grad sind alle Menschen eitel veranlagt, wogegen auch nichts einzuwenden ist. Im Gegenteil, die – nennen wir sie »gesunde« Eitelkeit – fördert die Akzeptanz und Bejahung der eigenen Person und führt zu Selbstvertrauen und Eigenliebe. Die wiederum äußerst wichtig ist, denn nur wer sich selbst liebt, kann auch von anderen geliebt werden und andere lieben. Der griechische Philosoph Aristoteles sagt: »Daher soll der Gute die Selbstliebe besitzen, da es ihm selbst und anderen nützen wird, wenn er, von dieser Liebe getrieben, das sittlich Schöne vollbringt.« Wo aber liegt das rechte Maß? Die Selbstliebe wird sicher genau dann zum Laster, wenn sie zur Selbstverliebtheit degeneriert, wenn alles darauf angelegt ist, die eigene Person bestmöglich und immer wieder zu spiegeln. Dabei verliert der Selbstverliebte das Interesse an anderen Menschen völlig. Bestenfalls täuscht er es noch vor, allerdings nur, um auf diese Weise noch...

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