Der Risikobegriff wird in der Literatur unterschiedlich definiert und unterteilt.[62] Das Risiko findet seinen Ursprung in dem frühitalienischen Wort „risicare“. Es bedeutet soviel wie „etwas wagen“, wobei ein Wagnis immer die Möglichkeit von Folgen impliziert, die nicht erwartet oder erhofft werden.[63]
Bitz deutet Risiko als das negative Abweichen von geplanten Größen im Rahmen der Geschäftstätigkeit.[64] Der St. Gallener Risikobegriff nimmt eine ähnliche Position ein. Diese Interpretation fasst Risiko als die Summe der Möglichkeiten auf, die dazu führen können, dass Erwartungen aufgrund von Störprozessen nicht erfüllt werden.[65] Meier umschreibt Risiko als mögliche Abweichung von einem erwarteten Ergebnis, bzw. als Streuung um einen Erwartungswert. Dabei sind sowohl schlechtere als auch bessere Ergebnisse durch die Risikosituation möglich.[66] Dem Umstand negativer und positiver Ausprägungsformen von Risiken wird auch bei Lück Rechnung getragen (siehe Abbildung 3‑1).
Abbildung 3‑1: Risikoeinteilung nach Lück
Quelle: Bitz (Risikomanagement nach KonTraG 2000), S. 15.
Der Autor gliedert die Folgen von Risiken in positive und negative Auswirkungen. Der Überbegriff Risiko wird dabei in zwei Kategorien aufgeilt. Reine Risiken bergen aus-schließlich Schadensgefahren in sich und im Falle ihres Eintritts haben diese die Minderung des Unternehmensvermögens zur Folge (z.B. Brand im Firmengebäude). Spekulative Risiken eröffnen neben den Gefahren unternehmerischen Handelns (Risiko im engeren Sinne) auch Chancen (Risiko im weiteren Sinne).[67] So kann der Verlust des Ansehens eines Unter-nehmens zu Umsatzeinbußen führen,[68] eine positive Reputation hingegen die Kundenbindung unterstützen, die Preispolitik erleichtern und allgemein die Wettbewerbssituation verbes-sern.[69]
Risiken führen dazu, dass von festgelegten Zielen positiv oder negativ abgewichen werden kann. Auf diese Sichtweise sei deshalb gesondert hingewiesen, da bei Risikoentscheidungen oftmals nur die Gefahrenpotenziale und daraus resultierende Schäden berücksichtigt werden. In vielen Fällen stehen den negativen Abweichungsmöglichkeiten allerdings auch Chancen gegenüber.[70]
Werden Tragweite und zeitliche Aspekte in die Betrachtung des Risikos einbezogen, bietet sich eine Gliederung in strategische und operative Risiken an.
Strategische Risiken sind geprägt von einer relativen Komplexität, einem längeren, unter Umständen unbestimmten Zeitraum, einer hohen Umweltabhängigkeit und hoher Relevanz für das Gesamtunternehmen.[71] Wegen des Zeithorizonts ist eine klare Strukturierung kaum möglich und die Unsicherheit im Hinblick auf zukünftige Ereignisse entsprechend hoch. Aufgrund dieser Eigenschaften beeinflussen strategische Risiken maßgeblich die langfristige Existenz eines Unternehmens.[72] Beim Eintritt des strategischen Risikofalls erfolgt eine Schwächung der Erfolgspotenziale und der Ressourcenausstattung, wodurch zukünftige Entwicklungen gefährdet werden.[73] Die Ursachen für strategische Risiken liegen in den meisten Fällen in einer fehlerhaften strategischen Unternehmensführung.[74]
Operative Risiken sind hingegen Gefahren, die aufgrund fehlerhafter Prozesse und Arbeitsabläufe im Alltagsgeschehen entstehen. Häufig ist der Arbeitsfaktor Mensch daran direkt beteiligt.[75] Die Tragweite für die Unternehmensentwicklung ist gering und der betrachtete Zeithorizont eher kurzer Natur. Die Strukturierung operativer Risiken ist leichter zu realisieren als bei strategischen Sachverhalten. Oftmals lässt sich sogar die Eintrittswahr-scheinlichkeit der zukünftigen Zustände bestimmen.[76]
Unabhängig von der Branche und anderen Rahmenbedingungen sind Unternehmen aller Art einem breiten Spektrum potenzieller Bedrohungen ausgesetzt.[77] Sauerwein und Turner haben deshalb eine Aufteilung in allgemeine Risikokategorien vorgenommen. Darin werden verschiedene Ausprägungsformen von Risiken vorgestellt. Die Autoren nehmen dabei eine Gliederung in fünf Gruppen vor:[78]
Unfallrisiken: Beeinträchtigung des laufenden Geschäftsbetriebs durch Unglücke (z.B. Feuer, Naturkatastrophen oder Verletzung eines Mitarbeiters),
Liquiditätsrisiken: Mangel an liquiden finanziellen Mitteln und damit Gefährdung der Aufrechterhaltung des geregelten Geschäftsbetriebs (Extremfall: Insolvenz), [79]
Marktrisiken: Probleme bei der Beschaffung oder dem Absatz von Produkten,[80]
politische Risiken: Beeinträchtigungen aus der politisch-rechtlichen Umwelt eines Staates (z.B. Einschränkung des erlaubten Schadstoffausstoßes durch die Umweltgesetz-gebung),[81] sowie
technologische Risiken: mangelnde Anpassungsfähigkeit bei Veränderungen in Produktionsverfahren oder Operationsabläufen.[82]
Wie bereits angedeutet liegen die Ursachen für Risiken in den unterschiedlichsten Bereichen, was auch auf Industriebetriebe zutrifft. Dahinden fasst die Risikoquellen im Unternehmens-umfeld zu insgesamt sechs Kategorien zusammen (siehe Abbildung 3‑2): Arbeitnehmer, die Bevölkerung eines Staates, Institutionen, Marktpartner, Kapitalgeber und die Konkurrenz am Markt.[83] Zwei dieser Kategorien werden beispielhaft erläutert.
Risiken im Umfeld der Kapitalgeber ergeben sich, sobald einem Unternehmen nicht ausreichend Fremdkapital seitens der Kreditinstitute zur Verfügung steht oder (potenzielle) Anteilseigner keine (zusätzlichen) Mittel in Form von Eigenkapital bereitstellen. Der Umfang der verfügbaren finanziellen Mittel reicht dadurch nicht aus und der geregelte Geschäftsbetrieb oder gar die Existenz sind gefährdet.[84]
Die Marktpartner, bestehend aus Kunden und Lieferanten, bilden eine weitere Risikoquelle. Auf Kundenebene existiert die Gefahr, dass produzierte und angebotene Produkte nicht abgenommen oder aber nachgefragte Güter nicht hergestellt werden können.[85] Auf Lieferantenebene ist ein Betrieb beschaffungsspezifischen Risiken ausgeliefert, für die im folgenden Abschnitt eine genauere Beschreibung folgt.
Abbildung 3‑2: Risiken im industriellen Umfeld
Quelle: in Anlehnung an Dahinden (Risiken im industriellen Umfeld 1991), S. 13.
Beschaffungsrisiken werden in der Literatur nicht genau definiert.[86] Die Autoren nennen lediglich einzelne Risiken wie z.B. Qualitäts-, Preis- oder Währungsrisiken. Erfolgt eine Orientierung am „betriebswirtschaftlichen Optimum“, muss die benötigte Ware in der erfor-derlichen Menge, in der richtigen oder angemessenen Qualität, zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort und zum richtigen Preis zur Verfügung stehen. Dementsprechend kann es zu Risiken in Mengen-, Qualitäts-, Termin-, Transport- und Preisfragen kommen.[87] Jacob umschreibt Beschaffungsrisiken als „(…) Schwierigkeiten bei der Beschaffung von benötigten Rohstoffen und Produktionsfaktoren (…).“[88] Wildemann und Rogler fassen Beschaffungsrisiken als „(…) Summe der Verlustgefahren [zusammen], die bei der Bereitstellung der Produktionsfaktoren auftreten können (…).“[89]
Rogler teilt Beschaffungsrisiken in vier Gruppen ein (siehe Abbildung 3‑3). Sollten Produktionsfaktoren nicht auf dem Markt zu erwerben sein, führt die Situation zu einem Bedarfsrisiko. Dieser Fall kann eintreten, wenn z.B. saisonale Schwankungen die Verfügbarkeit der benötigten Waren verhindern. Werden Beschaffungsobjekte nicht oder nur mangelhaft geliefert, können für das beschaffende Unternehmen Verluste entstehen. Diesen Umstand bezeichnet die Autorin als Lieferrisiko. Auch der Transport von Beschaffungs-objekten ist mit Unsicherheiten verbunden. Transportrisiken beinhalten das Risiko der Beschädigung oder des Untergangs der Ware während ihrer Beförderung. Rogler ordnet die Lagerhaltung dem Bereich der Beschaffungslogistik unter. Lagerrisiken wie Beschädigung oder...