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Unter Robben und Eisbären. Meine ersten Erlebnisse im Eismeer

Neu gesetzte Leseausgabe mit einem Nachwort von Tobias Wimbauer (Nimmertal 75 / Siebter Band der Schriftenreihe des Antiquariates Wimbauer Buchversand)

AutorFridtjof Nansen, Sandmeier Julius, Tobias Wimbauer
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl252 Seiten
ISBN9783752871234
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR
Neu gesetzte Leseausgabe in moderner Schrift mit einem Nachwort von Tobias Wimbauer "Dieser Bericht über 'meine ersten Erlebnisse im Eismeer' ist zum großen Teil eine Wiedergabe des Tagebuchs, das der damals - 1882 - noch sehr junge Verfasser geführt hat ... Dieses Buch ... versucht auch die Anschauungen über Erscheinungen und Verhältnisse in jener Eiswelt darzustellen, zu denen die Forschungen eines ganzen Lebens geführt haben."

Julius Sandmeier (geboren 27. November 1881 in München; gestorben 19. Oktober 1941 in Rom) war ein deutscher Schriftsteller und literarischer Übersetzer.

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Leseprobe

Erstes Kapitel: Nach Norden.


Welch ein wunderbares Märchen der Natur ist doch der Frühling für den jungen Menschen – dieses Erwachen nach dem langen Winter.

Zu sehen, wie die schneefreien Stellen mit jedem Tag sich ausdehnen – den Geruch von feuchter Erde und springenden Knospen zu spüren – das befreite Jubeln der überschäumenden Frühlingsbäche zu hören.

Und dann die ersten Leberblümchen auf dem braunen Waldboden – und die Lerche unter freiem Himmel – und die Drossel und das Rotkehlchen im dämmerigen Abend.

Aber am schönsten ist die weiße, sanfte Birke mit ihrem grünen Schleier, der wie ein leuchtendes Lächeln ist.

Welch ein unersetzlicher Verlust, ein solches Märchen aus seinem jungen Leben verlieren zu müssen – – –

Das empfand der Zwanzigjährige, der auf Deck des »Viking« stand, als dieser die Anker lichtete und am Sonnabend, 11. März 1882, frühmorgens den Hafen von Arendal verließ.

Die Seeleute sandten der schlafenden Stadt ein kräftiges Hurra zu. Da und dort am Lande wurde ein Hut geschwungen, ein Fenster wurde einen Spalt weit geöffnet, und es winkte jemand mit einem Taschentuch

Der »Viking« steuerte durch den Sund hinaus an den Leuchttürmen von Torungene vorbei, gerade als die Sonne aufging.

Wehmütig blickte der junge Mann zurück zu den Inseln und Landzungen und Höhenzügen, die in den Strahlen der Sonne golden aufleuchteten – – –

Der erste Frühling, in dem er sich nicht zwischen Holmen und Schären herumtreiben und die Zugvögel begrüßen durfte, in dem er nicht im großen Wald den Birkhahn kollern und den Kuckuck rufen hören sollte.

Ihm war, als blute es in seiner Brust.

Aber vor ihm lockte ein neues, noch größeres Märchen: das Meer – und dann weit droben im Norden die Eiswelt.

Für ihn wie für den »Viking« sollte es die erste große Fahrt ins Eismeer werden.

Nach vielem Schwanken hatte er sich endlich für das Studium der Zoologie entschlossen – warum? Wohl hauptsächlich, weil er ein leidenschaftlicher Jäger und Fischer war, ein Waldmensch, und weil er in jugendlicher Unerfahrenheit glaubte, ein solches Studium bringe ein beständiges Leben im Freien mit sich, zum Unterschied vom Studium der Physik und der Chemie, zu dem er sich eigentlich am meisten hingezogen fühlte. Dann hatte er sich eines Tags plötzlich in· den Kopf gesetzt, er wolle seine zoologischen Studien damit beginnen, daß er das Tierleben und die Naturverhältnisse des Eismeers studiere. Warum die jungen Kräfte gerade dort im Norden erprobt werden sollten, war unklar; wahrscheinlich waren es die Jagd und das Abenteuer, die ihn lockten. Mit wissenschaftlichen Kenntnissen besonders gut ausgerüstet war er noch nicht; aber als Schütze und Jäger besaß er eine gewisse Übung.

Er erkundigte sich nach den Robbenfängern und erfuhr, daß der junge schneidige Kapitän Axel Krefting unter den Eismeerfahrern als einer der tüchtigsten und vom Glück am meisten begünstigten, aber auch als einer der waghalsigsten galt. Er wandte sich an ihn. Ja, Krefting war bereit, den jungen Mann mitzunehmen. Aber da er in diesem Jahr ein neues Schiff aus Arendal nach Norden führen sollte, mußte auch die Erlaubnis der Reederei Smith & Thommesen eingeholt werden. Durch einen alten Familienfreund, der in Arendal wohnte, wurde die Anfrage an die Reederei vermittelt, worauf umgebend die telegraphische Antwort eintraf, die Reederei gebe mit Vergnügen ihre Zustimmung.

So kam es, daß dieser junge Mann an Bord des »Viking« als Fahrgast aufgenommen wurde und achtern an Backbord eine Kammer angewiesen erhielt. Die Kammer des Kapitäns befand sich gerade gegenüber an Steuerbord.

Viele Jahre sind seit jenem Märzmorgen hingegangen. Der Zwanzigjährige ist der »ältere Mann« geworden, der nun diese Berichte schreibt.

Es ging aufs Meer hinaus. Unser erstes Ziel war, so schnell wie möglich das Eis im Meer bei Jan Mayen zu erreichen, um den sogenannten »Jungenfang« in jenen Gegenden zu betreiben, wo die grönländischen oder Sattelrobben, wie die Robbenfänger sie nennen, sich zu Hunderttausenden auf dem Treibeis versammeln, um ihre Jungen zur Welt zu bringen.

Wir waren spät daran; die anderen norwegischen Robbenfangschiffe waren bereits eine oder zwei Wochen vor uns ausgefahren. Es galt aus Segeln und Maschine alles herauszuholen, um das Versäumte einzubringen. Und wir machten denn auch eine Fahrt, die nichts zu wünschen übrigließ.

Der Tag war schön und der Abend sternenklar, während wir Lindesnes umsegelten und uns weiter und weiter vom Land entfernten.

Auch am nächsten Tag hatten wir keinen besonders starken Wind, aber die See war doch ziemlich bewegt, offenbar von einem vorausgegangenen Sturm. Am Nachmittag wurde in der Kursrichtung ein Wrack gesichtet. Mit einem Satz war ich an Deck.

Wir steuerten gerade darauf zu. Alle waren sehr gespannt, ob Leute an Bord seien. Bald glaubten wir Menschen zu sehen, bald wieder schien es dem einen oder andern, es seien nur Maststumpen und Rauchkappen.

Endlich waren wir an der Seite des Wracks. Es war eine verlassene Bark; am Heck stand »Loyal, Grimstad«. Sie war mit Grubenhölzern beladen, soviel wir durch die offenen Luken und das zertrümmerte Deck sehen konnten.

Der Rumpf war überall leck; das Wasser spülte an den Seitenwänden aus und ein, während das Schiff im Seegang auf und nieder stampfte. Es schwamm auf der Ladung. Der Großmast und der Besanmast waren gekappt, der Fockmast stand noch. Das Marssegel hing in Fetzen an der Rahe. Ein Riemen war an den Stumpen des Besanmastes oben auf dem Kajütendach festgebunden, er hatte wohl als Notsignal dienen sollen. Zwei Boote standen unversehrt auf dem Deck des Vorschiffes, die Mannschaft war wahrscheinlich von einem Schiff geborgen worden, oder aber die Sturzseen hatten sie über Bord gespült.

Ein unheimlicher Anblick ist solch ein Wrack; man weiß nicht, welche Leiden sich darauf abgespielt haben mögen.

Es lohnte sich nicht, das Wrack nach Stavanger zu bugsieren, wir mußten uns beeilen, zum Jungenfang zu kommen. Da der Wind aufgefrischt hatte, setzten wir mehr Segel, und die Maschine durfte ruhen, zur großen Freude der Heizer, die zum erstenmal auf See waren und bei der schweren Dünung und der vierziggradigen Hitze im Maschinenraum sich nicht recht wohl fühlten.

Der »Viking« war ein als Bark getakeltes Robbenfangschiff von ungefähr 620 Registertonnen brutto und hatte eine Hilfsmaschine von 90 nominellen Pferdekräften. Er war vor kurzem in Arendal auf der eigenen Werft der Reederei Smith & Thommesen gebaut worden.

Ein Robbenfangschiff soll von vornherein eigens für die Schiffahrt im Treibeis gebaut sein und soll der unsanften Beanspruchung gewachsen sein, der es ausgesetzt wird. Die Spanten liegen dichter, und das Bauholz ist meist schwerer als auf einem gewöhnlichen Seeschiff, ebenso die Decksbalken des Oberdecks und des Zwischendecks. Auf dem »Viking« waren die Spanten hauptsächlich aus Föhrenholz, im Bug aus Eiche; ihre Dicke betrug ungefähr 9 Zoll oben und verstärkte sich bis zu 20 Zoll unten am Kielschwein.

Außen auf der Schiffshaut – ein gutes Stück über der Wasserlinie bis viele Fuß darunter – befindet sich eine besondere Haut, die Eishaut, ungefähr drei Zoll dicke Planken aus Greenheart oder harter Eiche. Der »Viking« hatte eine doppelte Haut aus vier Zoll dicken Föhrenplanken und eine Eishaut aus Greenheart, die vorn viereinhalb Zoll dick war und nach achtern bis auf zweieinhalb Zoll schwächer wurde.

Die Fähigkeit des Schiffes, sich durch das Eis Bahn zu brechen, hängt – abgesehen von der Maschinenkraft und der Manövrierfähigkeit – auch noch zum großen Teil von der Form und Stärke des Buges ab. Am günstigsten ist es, wenn er schräg überhängend ist, so daß das Schiff beim Rammen aufs Eis hinaufrennt und dieses unter sich hinunterdrückt. Ist der Bug senkrecht, wird sich das Schiff leicht zwischen den Schollen verkeilen und kann sich nicht so gut durch das Eis Bahn brechen.

Der Bug muß selbstverständlich besonders stark sein. Er hat meist mehrere starke Stemmbalken hintereinander, die durch innere Versteifungen gut verspreizt sind, schwere Eichenknie und dicke Pitchpinebalken. Die Stärke des Holzes im Bug des »Viking« betrug ungefähr sechs Fuß. Außerdem hatte er vorn einen dicken Eisensteven; quer über den Bug – von hoch über der Wasserlinie bis tief darunter – war das Ganze mit starken Eisenschienen verbolzt, die sich zu beiden Seiten mehrere Fuß weit nach hinten zu erstreckten.

Der verwundbarste Teil eines Robbenfangschiffes ist die Schraube, die, wenn die Maschine in Betrieb ist, bei dichtem Eis durch Schläge gegen die mächtigen Eisschollen beschädigt werden kann. Die neuen Robbenfangdampfer sind deshalb so eingerichtet, daß sie im Bedarfsfall die Schraube auf hoher See...

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