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E-Book

Rolle der Politik der IG Farben AG 1933-1945

AutorTorsten Friedrich
VerlagExamicus Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl145 Seiten
ISBN9783656997894
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 1997 im Fachbereich Geschichte Europa - Deutschland - Nationalsozialismus, II. Weltkrieg, Note: 2, Philipps-Universität Marburg, Sprache: Deutsch, Abstract: Der Geschicktheit und der unternehmerischen Machtpolitik von Duisberg und anderen Unternehmern ist es zu verdanken, daß sowohl der Erste als auch der Zweite Weltkrieg unsäglich in die Länge gezogen wurden und vielen Millionen Menschen das Leben kosten sollte. Nicht die Entwicklung von chemischen Waffen und synthetischen Nitraten hat dazu beigetragen, sondern die Entschlossenheit, mit der die IG-Farben ihre Firmenpolitik und ihre Zielsetzungen durchsetzen konnte. Diese Arbeit, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Rolle und Politik der IG-Farben von 1933 bis 1945 zu analysieren, setzt sich mit einem Konzern auseinander, dessen ökonomische und politische Rolle in der Geschichte des 20. Jahrhunderts von außerordentlicher Bedeutung ist. Die IG-Farben war seit ihrer Gründung im Jahre 1925 nicht nur das wichtigste deutsche Chemieunternehmen. Ihre Geschichte zeigt deutlich auf, wie sich Macht- und Interessenziele eines Großunternehmens verbinden lassen mit wechselnden politischen Systemen. Der wesentliche Beitrag dieser Arbeit ist keine Darstellung der Firmengeschichte, sondern sie versucht, die wirtschaftspolitischen Einflüsse auf den Faschismus zu erörtern. Trotzdem ist es erforderlich, die Entwicklung dieses Großkonzerns bis in das Jahr 1945 nachzuvollziehen. Erstens weil keine wissenschaftlich aufgearbeitete Gesamtdarstellung der IG-Farben existiert und zweitens sich diese Untersuchung an der Firmengeschichte orientiert, um dezidiert an konkreten Vorgängen und Begebenheiten die Mechanismen aufzuzeigen, die es dem Konzern ermöglichten, seine wirtschaftspolitischen Interessen durchzusetzen. Dabei darf sich der Überblick nicht allein auf die Jahre 1933-1945 beschränken, sondern beginnt im ausgehenden 19. Jahrhundert. Die Gründe für diesen erweiterten Zeitrahmen liegen auf der Hand. Nur eine relativ vollständige Übersicht ermöglicht es, die grundlegenden Zusammenhänge einer kontinuierlichen Interessenverflechtung zwischen politischen Systemen und IG-Farben-Politik darzustellen, die bereits vor der Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur bestanden haben. Die Arbeit thematisiert den wirtschaftlichen Konzentrationsprozeß eines Monopolkonzerns und gleichzeitig die Zusammenarbeit von privatwirtschaftlicher Interessenbildung und Staatsführung. Durch diese vorhandene Verwandtschaft und die Korrelation beider Sachverhalte wird die uneingeschränkte Partizipation am Nationalsozialismus erklärlich.

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Leseprobe

1. Die Stellung und Bedeutung der deutschen chemischen Industrie bis zum Ersten Weltkrieg


 

Bei der Firmengeschichte der IG-Farben handelt es sich nicht um die Geschichte eines einzelnen Großunternehmens, das sich durch Expansion und Innovation von einem kleinem Gründerunternehmen zu einem Großkonzern entwickelt hat, „vielmehr ist dieser IG-Farben-Chemiekonzern das Ergebnis eines Konzentrationsprozesses der wichtigsten Großunternehmen der [gesamten] deutschen Chemieindustrie.”[5]

 

Mitte des 19. Jahrhunderts kam es zu einer verstärkten Entwicklung der chemischen Industrie. Vielfältige Entwicklungen und Entdeckungen erbrachten einen Zuwachs an Produktions- und Angebotsmöglichkeiten. Die Entdeckung des ersten synthetischen Farbstoffes Mauvein 1856 in England hatte Auswirkungen besonders auf Deutschlands Chemieunternehmen.

 

„Die Teerfarbenchemie eröffnete die Möglichkeit, den bei der Verkokung von Kohle für die Stahlindustrie als kostspieliges Abfallprodukt anfallenden Steinkohleteer als Ausgangsbasis für immens wertvolle Produkte zu nutzen - bildlich gesprochen war die chemische Industrie in der Lage, ‘aus Dreck Geld zu machen’.”[6]

 

Bereits im Jahre 1877 erreichte der deutsche Anteil die Hälfte der Welterzeugung an Farbstoffen, der sich bis 1913 auf 90 Prozent vergrößerte.[7]

 

Doch schon bald zeichnete sich ab, daß nur die Firmen, die mit dem größten Kapital und dementsprechend mit einer großen Angebotsbreite sowohl der Produkte als auch der Produktionsmöglichkeiten und einer Einbeziehung aller Fertigungsschritte bis zum Endprodukt arbeiten konnten, sich auf dem Konkurrenzmarkt durchsetzen würden.[8]

 

Dies hatte zur Folge, daß zu Beginn des 20. Jahrhunderts lediglich sechs deutsche Firmen, die BASF, Bayer und Hoechst und drei etwas kleinere Unternehmen - Agfa, Cassella und Kalle Spitzenplätze bei der Herstellung und Verbreitung von synthetischen Farbstoffen belegten.[9] Im Ausland waren sie als die „Großen Sechs” bekannt.

 

Drei davon waren sehr große Unternehmen; die

 

BASF (Badische Anilin und Soda-Fabrik, Ludwigshafen),

 

Bayer (Farbenfabriken vorm. Friedrich Bayer & Co., Leverkusen) und

 

Hoechst (Farbwerke vorm. Meister Lucius und Brüning, Höchst a. Main).

 

Dicht darauf folgten drei kleinere Unternehmen;

 

Agfa (Aktiengesellschaft für Anilinfabrikate, Berlin)

 

Cassella (Leopold Cassella & Co., Frankfurt) und

 

Kalle (Kalle & Co., Biebrich).[10]

 

Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde die Produktpalette dieser Unternehmen umfangreich erweitert. Neben den reinen Farbstoffprodukten kamen jetzt auch Pharmazeutika, photographische Erzeugnisse und organische und anorganische Grundchemikalien hinzu. Doch die Expansion der einzelnen Firmen wurde zunehmend schwieriger, da sowohl in Deutschland als auch auf dem gesamten Weltmarkt zu viele Betriebe mit den gleichen Produkten vertreten waren.

 

Carl Duisberg, Generaldirektor bei Bayer, beschrieb die Situation folgendermaßen[11]:

 

„Fast alle großen Teerfabriken planten, ihre Fabrikation zu erweitern und das bedeutete einen verschärften Konkurrenzkampf auf allen Märkten. Auch da wo die eine oder andere Firma bisher sozusagen Alleinherrscherin gewesen war, mußte sie in Zukunft mit Konkurrenten rechnen.”[12]

 

Duisberg erkannte schon recht früh, daß die Kämpfe um Marktanteile sich nur dadurch beseitigen ließen, wenn sich die verschiedenen Unternehmen in Deutschland zusammenschlössen. Unter dem Eindruck einer Amerikareise im Jahre 1903, auf der er amerikanische Trusts, besonders von dem Rockefeller-Konzern Standard Oil war er begeistert, kennenlernte, verfaßte er „eine Denkschrift über die Trusts in Beziehung auf die deutsche Teerfarbenindustrie”[13]. In dieser Schrift legt er seine Gedanken für die zukünftige Chemieindustrie dar. Eine Vereinigung nach dem Vorbild, wie er es in Amerika gesehen hatte, war für ihn die einzige vernünftige Lösung, „um die Schäden der Konkurrenz zu beseitigen, ohne ihre Vorteile zu verlieren”. Duisberg stellte fest, daß es nicht ausbleiben kann,

 

„daß in einer solchen mächtigen Kapitalgesellschaft ein kleiner Staat im Staate entsteht, den die Gesetzgeber hassen, weil er sich nicht leicht unterordnen läßt, und den das Publikum fürchtet, weil die Preise eventuell gesteigert, der Nutzen vergrößert und damit der Neid und die Mißgunst aller nicht beteiligten und nicht interessierten Menschen hervorgerufen werden [...]. Das allerschlimmste aber, was einer solchen großen, die Konkurrenz beseitigenden Vereinigung passieren kann, ist das Großziehen neuer Konkurrenten, die zu oft nur zum Scheine errichtet werden, um sich dann später durch Auszahlung großer Abfindungssummen aufkaufen zu lassen.”[14]

 

Auf sein energisches Betreiben hin wurde 1904 die erste Interessengemeinschaft zwischen Bayer, BASF und Agfa gegründet, „eine lose Form der Zusammenarbeit"[15], der sogenannte Dreibund. Hoechst und Cassella schlossen sich, bei gegenseitiger Kapitalverflechtung, ebenfalls zu einer Interessengemeinschaft zusammen, die 1906 mit Kalle zu einem zweiten „Dreiverband” erweitert wurde.

 

„Beide Blöcke standen sich zwar als Konkurrenten gegenüber, waren aber durch eine ebenfalls 1904 zwischen BASF und Hoechst abgeschlossene Indigo-Konvention eine lose Beziehung eingegangen, die für das Verständnis der späteren Annäherung der beiden ‘Dreibünde’ wichtig ist.”[16]

 

Diese organisierte Konzentration ermöglichte jetzt den beiden Chemieblöcken, neue profitversprechende Projekte anzupeilen. Dazu war man ja nun in der Lage, da sich die einzelnen Firmen gegenseitig in der Forschung, aber auch in den finanziellen Kosten stützen konnten.[17] Zudem kam noch, daß die Gefahr des Konkurrenzdrucks zum Teil wegfiel, da ein relativ geschlossenes Auftreten gegenüber den ausländischen Mitbewerbern möglich geworden war.

 

Angesichts dieser verbesserten Voraussetzungen, die einmal errungene Vormachtstellung im nationalen wie internationalen Bereich der Chemieindustrie zu behaupten und auszubauen, läßt sich ohne Zweifel sagen, daß diese Denkschrift Duisbergs vom Januar 1904, „Keimzelle und geistige Grundlage der späteren IG-Farbenindustrie Aktiengesellschaft geworden ist”.[18]

 

Eines der herausragenden Ereignisse in der Geschichte der Chemieindustrie bis zum Ersten Weltkrieg war die Herstellung von synthetischem Blau, die der BASF 1897 gelungen war. Die BASF galt als das risikofreudigste Unternehmen unter den IG-Gesellschaften und die Suche nach synthetischem Indigo stellte sich nach kurzer Zeit als enorm kostenverschlingend heraus, was zu heftigen internen Kontroversen unter den BASF-Direktoren führte. Unmittelbar vor dem Abbruch des Projekts gelang es aber einigen besonders kreativen und hartnäckigen Chemikern, darunter Heinrich von Brunck, den gewünschten Erfolg zu erzielen. Die Erträge des Unternehmens schnellten in der Folgezeit in die Höhe.

 

Doch eines der wichtigsten Ziele war die synthetische Herstellung von Ammoniak. Viele anerkannte Wissenschaftler befürchteten am Ende des 19. Jahrhunderts, daß die chilenischen Salpetervorräte bald nicht mehr ausreichen würden, um die wachsende Weltbevölkerung genügend versorgen zu können. „Chile hielt das Monopol bei der Versorgung der Welt mit natürlichen Nitraten, den effizientesten Düngemitteln"[19], und es sollte ein ungeheures lohnendes Geschäft für dasjenige Chemieunternehmen werden, welches als erstes in der Lage sein würde, synthetische Nitrate in einer Großproduktion herzustellen.

 

„Es gab noch einen weiteren Anreiz, das Monopol Chiles zu brechen. Nitrate waren ein grundlegender Bestandteil aller Sprengstoffe einschließlich des Schießpulvers.”[20]

 

Doch diese für den Ersten Weltkrieg entscheidende - und für unzählige Menschen noch den Tod bringende - Nutzungsmöglichkeit wurde bis zum Ausbruch des Krieges nicht weiter in Betracht gezogen. Im Moment war es noch profitabler, sich vorerst auf die Gewinnmöglichkeiten der friedlichen Verwendung zu beschränken.

 

„Im Jahr 1909 trug das ‘Projekt Stickstoff’ der BASF seine Früchte. Fritz Haber, einem von der BASF unterstützten Wissenschaftler, gelang der entscheidene Durchbruch. Durch den Einsatz von Hochdruck und extremen Temperaturen verband er Stickstoff mit Wasserstoff zu Ammoniak.”[21]

 

Bevor man das Verfahren aber wirtschaftlich gebrauchen konnte, mußte der Schritt aus dem Labor in die Großproduktion ermöglicht werden. Die Aufgabe, dieses Problem in den Griff zu bekommen, fiel...

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