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E-Book

Rote Karte für den inneren Kritiker

Wie aus dem ewigen Miesmacher ein Verbündeter wird

AutorJochen Peichl
VerlagKösel
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl144 Seiten
ISBN9783641143176
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Innere Kritiker, Fehlerzähler und andere Quälgeister sind oft anstrengend und machen uns das Leben schwer. Jochen Peichl zeigt mit vielen Beispielen, wie wir sie in die Schranken weisen und gleichzeitig ihre Stärken kennen- und nutzen lernen. Der Test »Ihre inneren Kritiker« hilft zudem, lästige Miesmacher in konstruktive und hilfreiche Selbstanteile zu verwandeln.
  • Schluss mit der Selbstverurteilung
  • Den inneren Kritiker als Ressource nutzen lernen
  • Mit vielen Übungen und ausführlichem Test


Dr. med. Jochen Peichl, geboren 1950, ist Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie für Psychotherapeutische Medizin und Psychosomatik. Verschiedene psychotherapeutische Weiterbildungen, u. a. in Ego-State-Therapie. Der Autor vieler Fachbücher und populärer Publikationen für interessierte Laien war bis 2011 Oberarzt für Psychotherapie und Psychosomatik am Klinikum Nürnberg. Heute ist er in eigener Praxis tätig und leitet das Institut für hypno-analytische Teilearbeit und Ego-State-Therapie (InHAT).

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Leseprobe

3
Privatvorlesung 1:
Jedes Ich ist viele Teile

Die menschliche Persönlichkeit ist keine Einheit, obwohl sie uns normalerweise als eine solche erscheint. Auch in meiner Psychotherapieausbildung habe ich lange im Glauben gelebt, unser Selbst, unser Ich, sei ein unzerteilbares Ganzes, ein kompakter Zentralkern, wie ein Atom vor der Entdeckung der Quarks, der Leptonen und Baryonen – das Ich als unzerstörbares Gravitationszentrum unserer Persönlichkeit. Ich stelle bewusst die anthropozentrische2 Idealkonzeption des einheitlichen, widerspruchsfreien »Ich« (oder »Ego«), welche bereits seit der Antike, spätestens seit der Renaissance in Europa galt, infrage. Sie wird aus meiner Sicht in keiner Weise dem Wesen der Wirklichkeit (des Menschen wie der Welt insgesamt) gerecht.

Heute weiß ich, dass das bisher so griffige Kompaktmodell des Selbst eine falsche, in der christlichen Tradition des Denkens entstandene, Vorannahme über uns selbst ist, die auch von den neueren Befunden der Hirnforschung vehement angezweifelt wird. Wir sind kein »In-Dividuum« (wörtlich übersetzt: Nicht-Teilbares), sondern unser aller Persönlichkeiten sind in verschiedene Segmente gegliedert. Wir können sagen, unsere Persönlichkeiten bestehen aus verschiedenen Teilen, Rollen, Ich-Zuständen (oder auf Neudeutsch »Ego-States« – das ist nur Englisch und heißt auch nichts anderes), Anteilen oder Selbsten – wobei diese neuen Wortschöpfungen »Selbste« oder auch »Selbst-Familie« mir am besten gefallen.

Diese Einheiten – die Ego-States – dienen unterschiedlichen Zwecken. Sie sind Niederschläge von Erfahrungen, neuronale Netzwerke, in denen das Wissen einer früheren Zeit gespeichert ist. Wir haben einen Zettelkasten voller Lösungsstrategien in uns, einen Theaterfundus voller Kostüme, die zu unseren unterschiedlichen Rollen des Lebens passen, und eine ganze Mannschaft von Selbstanteilen, die für spezielle Herausforderungen trainiert ist. Unsere innere Bühne ist ein Fantasie- und Möglichkeitsraum, in dem alles passieren kann, und unser Erwachsenen-Selbst ist der Regisseur, zumindest sehr oft, oder glaubt es zumindest zu sein … Doch davon später mehr.

In unserer Selbstwahrnehmung beziehen wir uns immer auf einen Ego-State, der offen zutage tritt und uns zu einem bestimmten Zeitpunkt bewusst ist. Diesen nennen wir den exekutiven Ich-Zustand. Wenn wir das Bühnenmodell nutzen, dann entspricht dieser Teil dem, der vorne an der Rampe steht und mit dem Publikum (unserer Umwelt) kommuniziert. Würden wir den Teil fragen, wer er ist, dann würde er vermutlich sagen: Ich bin das wahre Selbst. Bei mir ist es gerade »Der kleine Professor«, der an seinem Computer sitzt und sich das alles für Sie ausdenkt. Und Sie lesen das als Erwachsener, aber auch ein bisschen mit den Augen des »Schüler-Ich-Zustands« aus Ihrer Schulzeit.

Zustände, die nicht exekutiv sind – das heißt weiter hinten auf der Bühne stehen und entweder auf ihren Einsatz warten oder vor sich hindösen –, können sich mehr oder weniger bewusst darüber sein, was auf einem bewussten Level vorne auf der Bühne passiert. Das bedeutet, wir können kindliche Ego-States in uns haben, die noch gar nicht wissen, dass Sie und ich heute schon erwachsen sind – für diese bringt immer noch der Osterhase die Eier und morgen ist der erste Schultag.

Übliche Konflikte und Probleme, von denen alle Menschen betroffen sind, entstehen zwischen verschiedenen Ich-Anteilen aufgrund deren unterschiedlicher Wünsche, Bedürfnisse und Problemlösungsstrategien. Konflikte zwischen inneren Zuständen können so viel Energie verbrauchen, dass das Individuum gezwungen ist, sich zurückzuziehen, in eine defensive Haltung zu gehen und etwas zu entwickeln, was wir eine psychische Störung nennen – einfach, weil sich da auf der inneren Bühne ein paar Typen darum streiten, welche Lösungsstrategie die bessere ist oder wer wem und warum nicht traut. Die innere Stärke, das Selbstwertgefühl dieses Menschen ist dann angeknackst oder geht ganz verloren. Patienten in meiner Praxis, die ein Trauma erlitten haben, die unter einer sogenannten posttraumatischen Belastungsstörung leiden, können oft so lange nicht zur Ruhe kommen, bis diese Konflikte auf der inneren Bühne gelöst sind und die innere Stärke wiederhergestellt ist.

Nach Ansicht von John und Helen Watkins, zwei Pionieren in Sachen Vielheit unseres Selbst und Entdecker der Ego-State-Therapie in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts, kommen für die Entstehung der inneren Selbstanteile in einem Menschen drei Prozesse infrage:

  1. die normale Differenzierung unserer Persönlichkeit in der Frühphase unseres Lebens,
  2. die Verinnerlichung der Botschaften und der Verhaltensweisen wichtiger, prägender Bezugspersonen in der Kindheit und
  3. die Reaktion auf ein erlebtes Trauma.

Viele Ego-States beginnen als defensive Krankheitsverarbeitungsmechanismen. Werden sie in der Kindheitsentwicklung wiederholt, verwandeln sie sich zu voneinander abgegrenzten Sektionen der Persönlichkeit, schreibt Arreed Barabasz, ein Schüler der Watkins’. Sie können auch durch ein einzelnes Traumaerlebnis, zum Beispiel einen Autounfall, einen Raubüberfall usw. geschaffen werden und dienen dann der Traumabewältigung. Die Ich-Zustände einer Person sind voneinander abgetrennt durch Grenzen, die mehr oder weniger durchlässig sind. Jeder Zustand zeichnet sich durch eine besondere Rolle, durch eine Stimmung und eine mentale Funktion aus, welche, wenn bewusst (das heißt exekutiv, wie ich das zuvor nannte), die Identität der Person bestimmt.

Ich-Zustände verfügen über ihre eigenen Erinnerungen und kommunizieren mit anderen Ich-Zuständen mehr oder weniger intensiv. Stehen alle miteinander in Kontakt und wissen sie voneinander, so nennen wir das Co-Bewusstheit. Traumatisierte Ich-Zustände können vollständig unbewusst sein oder haben dann, wenn sie zu Bewusstsein gebracht werden, oft größte Schwierigkeiten, sich auszudrücken.

Der Wiener Psychoanalytiker Paul Federn, ein Schüler von Sigmund Freud, war der Erste, der ein Konzept der Ich-Zustände entwickelte, um ein psychodynamisches Verstehen von Multiplizität zu ermöglichen. Er behandelte Menschen mit Psychosen, mit Entfremdungsgefühlen sich selbst (De-Personalisation) und der Umgebung (De-Realisation) gegenüber und entdeckte, dass das Ich dieser Menschen nicht aus einer einheitlichen Struktur bestand, sondern aus verschiedenen Schichten von Ich-Zuständen zusammengesetzt war.

Federns Schüler Edoardo Weiss übersetzte seine Arbeiten in eine leichter verständliche wissenschaftliche Sprache und entwickelte viele seiner Gedanken weiter. Aber weder Federn noch Weiss war gänzlich die Bedeutung der Ich-Zustände im Behandlungsprozess bei normal neurotischen Menschen wie Sie und ich klar. Sie waren auch nicht in der Lage, aus ihren Einsichten eine neue Form der Psychotherapie zu entwickeln, um die damals schon angestaubte klassische Psychoanalyse neu zu beleben. John Watkins modifizierte und erweiterte dann Federns Konzepte und entwickelte die Grundlagen der Ego-State-Therapie mit seiner Frau Helen.

Vorhang zu – die Vorlesung ist erst mal zu Ende.

So ist das also mit uns: Wir sind eine innere Vielfalt, wir sind eine Selbst-Familie. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir multipel sind. Das ist etwas völlig anderes und beschreibt eine traumabedingte Aufspaltung der Persönlichkeit eines Menschen durch massive Gewalt von außen. Dieser Zustand ist in der Regel für die Betroffenen sehr anstrengend und verwirrend.

Wenn wir eine innere Landkarte unserer Teile malen würden, dann würde deutlich werden, dass die Teile unterschiedliches Alter, Geschlecht und unterschiedliche Funktion besitzen – zumindest die Fantasien, die wir uns über sie machen können. Neuronale Netzwerke in unserem Gehirn können wir nicht beobachten, wir können sie nur erfahren, wenn wir in den jeweiligen Ich-Zustand rutschen. Wir können diese Erfahrung beschreiben und uns vorstellen, wie eine Gestalt wäre, die diesen Zustand verkörpert. Das aber ist nur eine Fantasie und bedeutet nicht, ein inneres Kind lebe wirklich in uns oder da wäre ein realer innere Kritiker, Fehlerzähler oder Katastrophenlüstling.

Was die möglichen Bewohner unseres Kopfes, unsere innere Mannschaft betrifft, so könnten wir da vorfinden:

  • Anteile mit besonderen Eigenschaften wie: launisch, sexy, dominant, schüchtern, rebellisch, altklug, traumatisiert usw.
  • Anteile mit einem speziellen Alter: innere Kindanteile, jugendliche Anteile und erwachsene Anteile.
  • Anteile mit besonderen Funktionen: Helfer- und Wächterteile, innerer Beobachter, innerer Kritiker, die »dunkle Seite«, »Mrs. Sonnenschein«, »Meister Proper«, »Jonny Kontrolletti« usw.
  • Anteile für unser basales Lebensgefühl: Die weise, alte Frau und der weise, alte Mann, die »innere Kraft« oder die »innere Stärke«, der innere Ratgeber, der »spirituelle Kern« usw.

Sie können sich gerne ein DIN-A4-Blatt holen und jetzt eine innere Landkarte Ihrer Selbstanteile entwerfen. Machen Sie einen Kreis, ein Oval oder Rechtecke, wo immer Sie anfangen wollen auf dem Blatt, und schreiben Sie den Namen des Selbstanteils hinein und, wenn Sie wollen, wann der Teil in Ihrem Leben entstanden ist.

Ja? Nein? Ich meine das ernst – geben Sie sich einen Stoß, holen Sie sich ein DIN-A4-Blatt und legen Sie los.

Pause – Pause – Pause...

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