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Scheidungskinder. Negative Folgen einer Trennung und wie Sie sie minimieren

Negative Folgen einer Trennung und wie Sie sie minimieren

AutorAntje Michel, Katja Krenicky-Albert, Markus Kaufhold, Sven Stumpf
VerlagScience Factory
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl195 Seiten
ISBN9783656504429
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Für knapp die Hälfte aller Paare endet die Ehe mit einer Scheidung. In vielen Fällen ist dies mit Streit verbunden, bei dem es um finanzielle Belange und vor allem um gemeinsame Kinder geht. Alle Betroffenen müssen sich mit der neuen Situation auseinandersetzen - gerade für Kinder ist das meist schwierig und traumatisch. In diesem Buch erläutern die Autoren die Konsequenzen einer Scheidung und zeigen Unterstützungsmöglichkeiten auf, um negative Folgen für Kinder zu minimieren. Aus dem Inhalt: Folgen einer Scheidung für das Kind, Juristische Aspekte, Unterstützungsmöglichkeiten, Langzeitfolgen, Parental Alienation Syndrome (PAS)

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Leseprobe

Die Zeit vor der Scheidung


Merkmale der Vorscheidungsphase[20]

Scheidung ist aus sozialwissenschaftlicher und therapeutischer Sicht ein mehrdimensionaler und dynamischer Veränderungsprozess, dessen Dauer von wenigen Monaten bis mehreren Jahren reicht.[21] Dieser Scheidungszyklus umfasst mehrere Phasen – die erste, nämlich die Vorscheidungsphase wird im Folgenden beschrieben.

In diesem Kapitel geht es geht es um die Vorscheidungsphase, in der die bestehenden Probleme innerhalb der Familie zunächst verdrängt, verleugnet oder bagatellisiert werden. Die zunehmende Ernüchterung und Enttäuschung führt dann zu immer häufiger werdenden Auseinandersetzungen oder zu wachsender Entfremdung und stillem Rückzug.

Die Partner kommunizieren nun immer weniger miteinander, sehen einander immer negativer und empfinden immer weniger positive Gefühle füreinander und sind bei Konflikten nicht mehr kompromissbereit. In dieser Zeit kommt es häufiger zu außerehelichen Beziehungen.[22] Die Wahrnehmung einer zunehmenden „emotionalen Scheidung“ führt häufig zu Versuchen, die Ehe zu retten oder sie neu zu beleben.

Irgendwann im Verlauf dieses Prozesses beginnt ein Partner, an eine mögliche Trennung zu denken. Die endgültige Entscheidung hierzu wird in der Regel erst nach einer längeren Zeit der inneren Konflikte und Angst vor der Zukunft gefällt. Dabei wird nur selten gründlich über die Folgen einer Scheidung in finanzieller und emotionaler Hinsicht nachgedacht. Mit den ersten ernsthaften Gedanken an eine Trennung beginnt ein neuer Zeitabschnitt in der Vorscheidungsphase. Manche Ehepartner kommen sehr schnell zur endgültigen Entscheidung, in den meisten Fällen jedoch ziehen sich die Entscheidungskonflikte über einen langen Zeitraum, oft sogar über mehrere Jahre, hinweg. Das liegt zum einen daran, dass es sich um eine sehr schwierige und komplexe Entscheidung mit nur schwer abschätzbaren und langfristigen Folgen handelt.

Zum anderen haben viele Ehepartner Angst vor einem endgültigen Entschluss und den sich daraus ergebenden Konsequenzen. Darum verschieben sie die Entscheidung immer wieder. Sie verdrängen ihre Eheprobleme oder spielen sie möglicherweise herunter. Sprechen den Partner von einem Großteil der Schuld frei und machen sich selbst für die unglückliche Ehebeziehung verantwortlich. Generell wird die Zeit der Entscheidungskonflikte als eine Phase der Ambivalenz[23] und inneren Zerrissenheit erlebt, des Schwankens und Zögerns, der Unsicherheit und Anspannung.

„Für Kinder und Jugendliche aller Altersstufen bringt bereits die familiäre Situation vor der eigentlichen Scheidung Gefühle der Verunsicherung, Angst, Trauer und auch Wut mit sich“[24]

Diese Aussage von Oerter/Montanada zeigt, dass Kinder sehr wohl durch das Geschehen der Vorscheidungsphase beeinflusst werden, obwohl die Eltern in dieser Phase oftmals versuchen, die bevorstehende Trennung geheim zu halten. Die Kinder werden fast automatisch in Mitleidenschaft gezogen, da es aufgrund des systemischen Charakters von Familien unmöglich ist, lang andauernde Partnerproblem auf die Ehe von Mutter und Vater zu beschränken.

So leiden Kinder in dieser Zeit häufig unter der Unzufriedenheit, den neurotischen Störungen und Konflikten der Eltern.[25] Sie werden in dieser Phase des Scheidungsprozesses oftmals vernachlässigt oder beispielsweise zu Sündenböcken, Bündnispartnern und Vermittlern gemacht[26].

Die Bedeutung und das Erleben der Vorscheidungsphase für das Kind

Gerade wenn in einer Ehe Kinder vorhanden sind, überlegen sich die meisten Eltern bei ehelichen Problemen sehr genau, ob sie sich trennen oder nicht. Diese Zeit vor der Scheidung ist also schon von destruktivem[27] Familienklima geprägt, weil die Trennung der Eltern ständig im Raum schwebt. Schon diese Zeit ist insbesondere für die Kinder eine belastende Situation. Menschenkinder brauchen ihre Eltern viel länger als sämtliche andere Lebewesen. Kinder sind sich der Tatsache sehr wohl bewusst, dass sie völlig von den Erwachsenen abhängig sind. Deshalb haben sie eine sehr primitive, sehr reale Angst davor, allein gelassen zu werden. Ein Kind reagiert deshalb auch schon in der Zeit vor der Scheidung mit sofortiger Angst. Wenn die Familie zerbricht, fürchtet es, sein Lebensnerv könne getroffen werden.[28] Für Kinder ist eine Scheidung ein völlig anderes Erlebnis als für Erwachsene, weil die Kinder etwas verlieren, das für ihre Entwicklung fundamental ist: die geordnete Struktur der Familie, die bereits lange vor der eigentlichen Scheidung zu bröckeln beginnt.

Meistens stellt sich eine zunehmende Distanz zwischen den Eltern ein, die die emotionale Funktionsfähigkeit der Eltern gegenüber dem Kind schwächt. Die Kommunikation innerhalb der Familie verändert sich, auch wenn es den Beteiligten zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst ist. Für Kinder bedeutet dies die Auslieferung an bisher ungewohnte Beziehungsmuster der Eltern. Kinder sind sehr feinfühlig und wachsam, sie können es vielleicht nicht ausdrücken, aber sie wissen bzw. spüren ganz genau, was los ist.[29] Damit, dass man Auseinandersetzungen und Diskussionen vor den Augen der Kinder vermeidet, kann man sie nicht von einer heilen Welt überzeugen, auch wenn sich die Eltern bemühen, sich dem Kind gegenüber nichts anmerken zu lassen, ist das Verhalten oft derart verändert, dass selbst sehr kleine Kinder die Belastung ihrer Eltern spüren und wahrnehmen können.

Die Entwicklung der Elternbeziehung von der Entfremdung bis zur vollzogenen und gesetzlichen Trennung ist für Kinder deshalb von großer Bedeutung, weil sie den ganzen, oft jahrelangen Weg mitgehen und schon lange unter den Streitigkeiten der Eltern leiden. Es wird ihnen am Anfang des Konfliktgeschehens nichts erklärt, sie haben keine Kontrolle über das Geschehen, sie verstehen nur zum Teil oder manchmal auch gar nicht, was eigentlich passiert.

Vielen Scheidungen gehen jahrelange Konflikte der Eltern voraus, die die Kinder miterlebt und als Belastung empfunden haben. Die Kinder brauchen die Zusicherung, dass selbst Streit, der zum Ende des bisherigen familiären Zusammenlebens führt, nicht das Ende der familiären Beziehung bedeuten muss. Auch wenn das Auseinandergehen noch das Einzige ist, auf das sich zerstrittene Ehepartner einigen können, so bleibt es ihre Aufgabe, die Kinder aus allen Auseinandersetzungen um die Auflösung der Ehe herauszuhalten. Dazu gehört auch, dass ein Ehepartner zum Beispiel mit dem Kind darüber spricht, welche Schwierigkeiten es mit dem anderen Elternteil hat. Sonst könnte das Kind sich verantwortlich fühlen und meinen, es könnte etwas dafür tun, dass die ganze Familie wieder zusammenkommt. Es ist in dieser Zeit der bevorstehenden Trennung besonders wichtig, dem Kind bestimmte Botschaften zu übermitteln, wie z.B.:

- Der Streit geht nur uns Eltern etwas an, er hat nichts mit dir zu tun.

- Wir Eltern werden mit unseren Schwierigkeiten ohne dich fertig.

- Selbst wenn wir so streiten, dass wir auseinander gehen, werden wir dich weiterhin lieben und uns um dich kümmern.

Es ist also wichtig, den Kindern immer wieder zu versichern, dass es sich bei Streit oder Konflikten zwischen Mutter und Vater um eine Angelegenheit nur dieser zwei Personen handelt, die niemanden sonst etwas angeht. Kinder vertragen es viel besser, wenn sie kurz informiert werden, dass die Eltern sich uneinig sind, dies aber nichts mit ihnen zu tun hat, als wenn sie aufs Raten angewiesen sind oder in die Auseinandersetzung der Eltern mit hineingezogen werden.

Streitereien, unschöne Auseinandersetzungen oder die Befangenheit der Eltern vor der Trennung lösen bei Kindern oft Ängste, Schuldgefühle, Verunsicherungen oder Liebesentzug aus. Eine Trennung oder Scheidung der Eltern kann dann unter Umständen sogar als eine Art Befreiung aus dieser unschönen Situation verstanden werden, die Beruhigung und Entspannung hervorruft.

Vorbereiten der Kinder auf die Scheidungsphase

Im Leben der Kinder ist die Trennung der Eltern in der Regel ein einschneidendes Ereignis, welches mit hohen Belastungen verbunden ist. Eltern fühlen sich in dieser für sie schwierigen Zeit oft überfordert. Kinder erleben sich meist mit ihren Gefühlen und Problemen alleingelassen – oder zwischen den „Fronten“. Doch gerade jetzt brauchen Kinder Anregung und Unterstützung, um mit der veränderten familiären Situation zu Recht zu kommen.

Wichtig dabei ist, dass beide Elternteile den Kindern so deutlich wie möglich erklären, dass sie sich trennen möchten, ohne dabei den anderen Elternteil zu beschuldigen.

Hilfen/Hinweise für Kinder und Eltern bei Trennung oder Scheidung sind:

- Eltern sollten offen sein

Wenn möglich sollten beide Elternteile (gemeinsam) über die Situation klar informieren und konkrete Antworten auf Fragen der Kinder geben.

- Wichtig ist die Entlastung von Schuldgefühlen

Das Kind muss die Möglichkeit haben, seine Gefühle zu äußern sowie Verständnis und Unterstützung zu erfahren. Es braucht das Wissen, dass die Ursache für die Trennung nicht bei ihm liegt.

- Die Trennung ist Sache der Eltern

Kinder sind hierfür nicht...

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Inhaltsverzeichnis
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