Sie sind hier
E-Book

Schinderhannes und seine Bande

oder Johannes Bücklers und seiner Gesellen merkwürdige Geschichte, Verbrechen, Verurtheilung und Hinrichtung.

AutorAnonym
VerlagStiftung Historische Kommission für die Rheinlande 1789 - 1815
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl130 Seiten
ISBN9783981318890
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Der berühmt-berüchtigte Verbrecher Johannes Bückler, genannt Schinderhannes, war ein Kind der Französischen Revolution, die unsere Heimat vor 200 Jahren gesellschaftlich auf den Kopf stellte. In dieser Zeit suchte das lesehungrige Bürgertum nach Romanhelden, die der Figur des Räuberhauptmanns Karl Moor in Schillers berühmten Drama 'Die Räuber' am nächsten kamen. Durch eine unglückliche Verkettung von fehlerhaften Meldungen der französischen Regierung und ihr nahestehenden Presseblättern war plötzlich Schinderhannes in den Mittelpunkt der öffentlichen Meinung gerückt. Während die Spekulationen über diesen Mann ins Kraut schossen, räumte erst das eigens zu seiner Verurteilung eingerichtete Mainzer Sonderstrafgericht mit dem neu geborenen Mythos eines Freiheitskämpfers und eines Robin Hood auf. Aber zu diesem Zeitpunkt hatten bereits geschäftstüchtige Schreiber diese fiktive Person namens Schinderhannes in Buchform veröffentlicht. Erst die vorliegende, kurz nach seiner Hinrichtung 1803 erschienene Lebensgeschichte richtete sich ausschließlich nach den Erkenntnissen des Gerichts. Das anonym erschienene Buch stammt wahrscheinlich aus der Feder von Johann Ignatz Weitzel, dem damaligen Herausgeber der Mainzer Zeitung. Ihm war es wichtig, das Leben des Räubers sachlich nachzuvollziehen und frei von Sagen und Märchen darzustellen. Die nach den Fakten erzählte Biographie läßt keine Spannung vermissen und entführt den Leser in die Lebenswelt der kleinen Leute an der Wende zum 19. Jahrhundert. Die vorliegende historische Quelle ist 2006 wiederentdeckt worden.

Die wohl erste nach dem Tod des Räubers erschienene und hiermit nunmehr in der dritten Neuauflage vorgestellte Biographie ist anonym 1804 in Stuttgart erschienen. Sie stammt sehr wahrscheinlich aus der Feder des Herausgebers der Mainzer Zeitung, Johannes Ignatz Weitzel (1771-1837). Der Autor, vor allem bekannt durch zahlreiche pro-demokratische Schriften, bemühte sich, den Schinderhannes allein nach den Erkenntnissen des Gerichts darzustellen, die im Sommer 1803, wenige Monate vor der Hauptverhandlung und der Hinrichtung des Räubers in sechs großformatigen Bänden gedruckt wurden

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

Einige Worte zum geschichtlichen Hintergrund


Schinderhannes war ein Kind der Französischen Revolution, die unsere Heimat vor 200 Jahren gesellschaftlich auf den Kopf stellte. Sein Tod durch das Fallbeil am 21. November 1803 in Mainz bestimmt den Punkt in der Geschichte, in der Frankreich kurz vor der Kaiserkrönung des Konsuls und Regierungschef Napoléon Bonaparte stand. Die französische Justiz und Verwaltung waren inzwischen in den linksrheinischen, deutschsprachigen Gebieten vollständig eingerichtet und konnten wirksam gegen das vielerorts auftretende Raubgesindel vorgehen. Rechts des Rheins stand das Heilige Römische Reich Deutscher Nation kurz vor dem Zusammenbruch. Mit seinem Flickenteppich von Kleinststaaten bot es weiterhin ein ideales Rückzugsgebiet für Kriminelle jeder Art. Frankreich sah in diesen Gebieten auf dem östlichen Rheinufer ein einziges Raubnest – selbst die Freie Reichsstadt Frankfurt wurde beschuldigt, mit Räubern gemeinsame Sache zu machen. Verständlich erscheint deshalb die Androhung drakonischer Strafen, die Einrichtung von Sonderstrafgerichten in den nun zu Frankreich gehörenden Städten Köln und Mainz und das gezielte Aussenden von Geheimagenten und Nationalgendarmerie, Verbrecher auf der deutschen Rheinseite zu fangen. So war nach französischem Recht bereits ein mit Waffen begangener Einbruch mit dem Tod zu bestrafen. Um die Urteile der Gerichte unabhängig von der Entscheidung der aus dem Volk gewählten Geschworenen zu machen, verzichtete die französische Regierung bei der Einrichtung der Sonderstrafgerichte auf diese Institution. Zudem wurde die Mehrheit der Richter persönlich von Bonaparte eingesetzt. Die Anrufung einer zweiten Instanz war ausgeschlossen.

Da das Mainzer Gericht und die Gendarmerie einen nie dagewesenen Aufwand betrieb, um Schinderhannes und dessen Mittäter zu bestrafen – im Ermittlungsverfahren wurden 400 Zeugen, in der Hauptverhandlung vermutlich 380 Zeugen gehört, mindestens 100 Personen saßen zur gleichen Zeit in verschiedenen Gefängnissen der Stadt – ist es verständlich, daß Schinderhannes auch in der Bevölkerung eine Aufmerksamkeit zuteil wurde, die er ansonsten nicht bekommen hätte. Die städtische Bevölkerung am Rhein hatte bisher wenig von Schinderhannes gehört. „Nur lustige Streiche“ seien ihm zu Ohr gekommen, so der Gerichtspräsident Rebmann vor Beginn der Verhöre in Mainz. Die vom Krieg gezeichnete Landbevölkerung war hingegen auf Schinderhannes nicht gut zu sprechen, galt er doch als der, der die allgemeine Not mit seinen Räubereien und Erpressungen noch vergrößerte.

Schinderhannes’ Mythos als ein edler Räuberhauptmann, Frauenheld und Freiheitskämpfer hat im wesentlichen die Presse begründet. Daß der Name Schinderhannes zuvor so bekannt geworden war, lag an dem Umstand, daß Bückler ihn mehr und mehr als Druckmittel benutzte; anders als andere Verbrecher, die ihre Identität zu wahren versuchten. Zeitungen haben schließlich seine Taten und sein Auftreten um ein Hundertfaches überzogen. Noch bis zu seinem Gefängnisaufenthalt in Simmern 1799, der Halbzeit seiner kriminellen Karriere, galt er nicht als wirklich gefährliches Subjekt, aber als notorischer Kleinkrimineller. Als er nach seiner Flucht aus Simmern dazu überging, einen Raubüberfall nach dem anderen zu begehen und Menschenleben zu gefährden, stieg seine Bekanntheit rasant. Hinzu kam, daß sich ab diesem Zeitpunkt mit steigendem Maße andere große und kleine Gauner seines Namens bedienten. So fielen die überregional tätigen Schwerverbrecher der rheinischen Mafia, auch Niederländer bzw. Neuwieder Bande genannt, bei Überfällen in Dörfer mit den Rufen „Vivat Schinderhannes“ ein. Da ihre Namen lange Zeit unbekannt waren, blieb allein „Schinderhannes“ im Gedächtnis der Opfer. Der Verwaltungschef der neuen französischen Departemente links des Rheins, Jollivet, veröffentlichte deshalb im amtlichen Verordnungsblatt einen Aufruf, diesen Schinderhannes zu arretieren, da dieser „Räuberbanden organisieren“ würde. Kurze Zeit später nahm dies ein französisches Regierungsblatt in Paris auf und veröffentlichte Spekulationen über die Person des Schinderhannes. So sollte er ein Baron sein, der mit 600 Kämpfern einen Wiederanschluß an Deutschland zu erreichen suchte. Davon aufgeschreckt, bemühte sich die französische Regierung in besonderem Maße, Schinderhannes habhaft zu werden. Selbst Preußen errichtete in Wesel am Niederrhein, also weitab von dessem Auftreten, eine „Immediatkommission“, um Maßnahmen zu treffen, den Verbrecher zu fangen; ungeachtet der Tatsache, daß die Großzahl der Überfälle, insbesondere nördlich des Mains, auf das Konto der sogenannten Niederländer/Neuwieder Bande gingen. Da man diese Bande aber noch nicht benennen konnte, schrieb man die Raubkriminalität dieser Zeit vorzugsweise Schinderhannes zu. Erst nach dessen Gefangennahme und den Verhören in Mainz 1802/03, in denen er über seine tatsächlichen Tatbeiträge berichtete, wurde die fiktive Gestalt auf eine konkrete Person mit einer überschaubaren Zahl von Straftaten zurückgeführt. Die Inhaftierung in Mainz ließ Schinderhannes jedoch erst recht zu einem Medienereignis werden. Noch vor seinem Tod unter der Guillotine 1803 brachten geschäftstüchtige Schreiber angeblich wahrheitsgemäße Lebensgeschichten über ihn in Druck.3 Erst nach seinem Tod erschienen 1804 drei Biographien, die bis heute die einzigen sind, in denen versucht wurde, das Lebensbild des Verbrechers nach den im Ermittlungsverfahren (und teilweise auch den im Hauptverfahren) gewonnenen Informationen sachlich nachzuzeichnen.4

Die wohl erste nach dem Tod des Räubers erschienene und hiermit nunmehr in der dritten Neuauflage vorgestellte Biographie ist anonym 1804 in Stuttgart erschienen. Sie stammt sehr wahrscheinlich aus der Feder des Herausgebers der Mainzer Zeitung, Johannes Ignatz Weitzel. Der Autor bemühte sich, den Schinderhannes allein nach den Erkenntnissen des Gerichts darzustellen, die im Sommer 1803, wenige Monate vor der Hauptverhandlung und der Hinrichtung des Räubers in sechs großformatigen Bänden gedruckt wurden.5 Es ist anzunehmen, daß das Buch kurz nach der Hinrichtung am 21. November 1803 erschienen ist. Vermutlich aus Zeitgründen hat der Autor darauf verzichtet, wesentliche Erkenntnisse der Hauptverhandlung einzuarbeiten. Aus diesem Grund ist das vorliegend geschilderte Bild des Schinderhannes noch sehr von dessen Dominanz im Ermittlungsverfahren gekennzeichnet. Hier wusch sich der Räuber die Weste rein und unterschlug Tatbeiträge, die später in der Hauptverhandlung noch aufgeklärt werden konnten. Insofern ist Schinderhannes in diesem Buch noch deutlich positiver gezeichnet, als in dem umfangreicheren Bericht des Gerichtspräsidenten Rebmann, der offenbar nach der Publikation von Weitzel erschien.6 Es entspricht also nicht den Tatsachen, wenn der Autor des hier vorliegenden Werkes schreibt: „Er (Schinderhannes) läugnet nicht, schont in seinen Aussagen sich weniger als andere, und fordert selbst seine Mitschuldigen auf, der Wahrheit getreu zu bleiben, wenn sie Miene machen, sich von ihr zu entfernen. Lügen scheint ihm zu niedrig.“ Wie sich nämlich erst in der Hauptverhandlung herausgestellt hat, war das Schinderhannes’ „Taktik“: Auf der einen Seite offenbarte er zahllose Mittäter und eröffnete unzählige Details. So machte er auf die Prozeßteilnehmer den Eindruck, er würde alle Taten aufdecken. Tatsächlich verlor sich der Räuber sehr oft in prozessual unwichtigen Details, verschwieg oder beschönigte den tatsächlichen Sachverhalt. Offenbar fiel es während des Ermittlungsverfahrens nicht auf, daß er sich auffallend einsilbig bei der Aufklärung von Gewaltverbrechen verhielt. Ganz offensichtlich versuchte er von diesen Taten abzulenken. Hintergrund für dieses Verhalten war sicherlich auch seine Hoffnung auf einen Gnadenerweis Bonapartes und das Absehen von der drohenden Todesstrafe. Erst in der Hauptverhandlung zeigte sich nämlich, wie brutal Schinderhannes bei Überfällen vorgegangen war. Erstaunlich, daß man sich in den vergangenen 210 Jahren nie um diese Aufzeichnungen bemüht und zumeist kritiklos seine Aussagen aus dem Ermittlungsverfahren übernommen hatte.

Die Stiftung Historische Kommission für die Rheinlande 1789-1815 wird auch in Zukunft einen Fokus ihrer Arbeit auf die Veröffentlichung von Quellen zu Personen richten, die zur Zeit der Französischen Revolution und Napoleons am Rande der bürgerlichen Gesellschaft lebten. Insbesondere in den Rheinlanden muß die Zahl dieser Menschen derart angestiegen sein, daß beispielsweise ein nassauischer Amtsmann 1801 notierte, „er nehme an, daß die Hälfte aller Menschen in Nassau keinen Wohnsitz hätte und umherstreifen würde“. Es sind gerade diese Lebensgeschichten, die den gesellschaftlichen Umbruch an der Wende zum 19. Jahrhundert kennzeichneten.

Kelkheim, im Juni 2013

Dr. Dr. Mark Scheibe

Treuhänder Stiftung Historische Kommission für die Rheinlande...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Biografie - Religion - Philosophie

Über Gott und die Welt

E-Book Über Gott und die Welt
Gespräche am Küchentisch. Unter Mitarbeit von Cornelia Filter Format: ePUB

Lea Ackermann, die couragierte und furchtlose Ordensfrau, spricht mit Pater Fritz Köster, ihrem langjährigen Gefährten, über das, was unser Leben trägt: Woher nehme ich meine Motivation, wenn es…

Über Gott und die Welt

E-Book Über Gott und die Welt
Gespräche am Küchentisch. Unter Mitarbeit von Cornelia Filter Format: ePUB

Lea Ackermann, die couragierte und furchtlose Ordensfrau, spricht mit Pater Fritz Köster, ihrem langjährigen Gefährten, über das, was unser Leben trägt: Woher nehme ich meine Motivation, wenn es…

Martin Buber

E-Book Martin Buber
Leben - Werk - Wirkung Format: ePUB

Ein anschauliches Porträt des jüdischen Religionsphilosophen- Eine prägnante Darstellung des facettenreichen Lebens und Wirkens Martins BubersGerhard Wehr legt hier eine umfassende Darstellung von…

Martin Buber

E-Book Martin Buber
Leben - Werk - Wirkung Format: ePUB

Ein anschauliches Porträt des jüdischen Religionsphilosophen- Eine prägnante Darstellung des facettenreichen Lebens und Wirkens Martins BubersGerhard Wehr legt hier eine umfassende Darstellung von…

Martin Buber

E-Book Martin Buber
Leben - Werk - Wirkung Format: ePUB

Ein anschauliches Porträt des jüdischen Religionsphilosophen- Eine prägnante Darstellung des facettenreichen Lebens und Wirkens Martins BubersGerhard Wehr legt hier eine umfassende Darstellung von…

Martin Buber

E-Book Martin Buber
Leben - Werk - Wirkung Format: ePUB

Ein anschauliches Porträt des jüdischen Religionsphilosophen- Eine prägnante Darstellung des facettenreichen Lebens und Wirkens Martins BubersGerhard Wehr legt hier eine umfassende Darstellung von…

Weltuntergang bei Würzburg

E-Book Weltuntergang bei Würzburg
Ein Aussteiger berichtet von siebzehn Jahren in der Sekte - Universelles Leben der Prophetin Gabriele Wittek Format: ePUB

Gabriele Wittek ist im Verständnis des Universellen Lebens das größte Gottesinstrument nach Jesus von Nazareth. Qualitativ erstrahlt sie als die größte Prophetin aller Zeiten, also im prophetischen…

Weltuntergang bei Würzburg

E-Book Weltuntergang bei Würzburg
Ein Aussteiger berichtet von siebzehn Jahren in der Sekte - Universelles Leben der Prophetin Gabriele Wittek Format: ePUB

Gabriele Wittek ist im Verständnis des Universellen Lebens das größte Gottesinstrument nach Jesus von Nazareth. Qualitativ erstrahlt sie als die größte Prophetin aller Zeiten, also im prophetischen…

Weltuntergang bei Würzburg

E-Book Weltuntergang bei Würzburg
Ein Aussteiger berichtet von siebzehn Jahren in der Sekte - Universelles Leben der Prophetin Gabriele Wittek Format: ePUB

Gabriele Wittek ist im Verständnis des Universellen Lebens das größte Gottesinstrument nach Jesus von Nazareth. Qualitativ erstrahlt sie als die größte Prophetin aller Zeiten, also im prophetischen…

Weitere Zeitschriften

Ärzte Zeitung

Ärzte Zeitung

Zielgruppe:  Niedergelassene Allgemeinmediziner, Praktiker und Internisten. Charakteristik:  Die Ärzte Zeitung liefert 3 x pro Woche bundesweit an niedergelassene Mediziner ...

aufstieg

aufstieg

Zeitschrift der NaturFreunde in Württemberg Die Natur ist unser Lebensraum: Ort für Erholung und Bewegung, zum Erleben und Forschen; sie ist ein schützenswertes Gut. Wir sind aktiv in der Natur ...

bank und markt

bank und markt

Zeitschrift für Banking - die führende Fachzeitschrift für den Markt und Wettbewerb der Finanzdienstleister, erscheint seit 1972 monatlich. Leitthemen Absatz und Akquise im Multichannel ...

CE-Markt

CE-Markt

CE-Markt ist Pflichtlektüre in der Unterhaltungselektronik-Branche. Die Vermarktung von Home und Mobile Electronics mit den besten Verkaufsargumenten und Verkaufsstrategien gehören ebenso zum ...

Correo

Correo

 La Revista de Bayer CropScience para la Agricultura ModernaPflanzenschutzmagazin für den Landwirt, landwirtschaftlichen Berater, Händler und am Thema Interessierten mit umfassender ...