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Schlachtbank Düppel: 18. April 1864.

Die Geschichte einer Schlacht

AutorTom Buk-Swienty
VerlagOsburg Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl360 Seiten
ISBN9783955101015
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Ein Sachbuch über eine Schlacht zugleich ein literarisches Ereignis. Wie schafft man es in der heutigen Zeit, mit einem Buch über eine Schlacht den erfolgreichsten Non-Fiction-Titel des Jahres zu schreiben? Tom Buk-Swienty ist dies 2008 in Dänemark gelungen, indem er das Kriegsleiden eindringlich aus der Perspektive des einfachen Soldaten, der Offiziere, Feldärzte und Kriegskorrespondenten erzählt. Was so entstanden ist, ist ein mitreißender, dokumentarischer Bericht über die Schlacht, für die die Soldaten den 'Kosenamen' 'Schlachtbank' Düppel erfanden.

Tom Buk-Swienty, geb. 1966, Autor, Journalist und Lektor am Center for Journalistik der Syddansk Universitet. Er war zehn Jahre USA-Korrespondent der Wochenzeitung Weekendavisen sowie 2002-2003 Fellow am Center for Writers and Scholars der New York Library. 2008 erschien 'Schlachtbank Düppel', das als bestes Sachbuch des Jahres in Dänemark ausgezeichnet wurde.

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Leseprobe

VORWORT


Viele der Teilnehmer, die später die Schlacht an den Düppeler Schanzen am 18. April 1864 beschrieben, konnten sich ebenso genau an das Wetter erinnern wie an das Kampfgetümmel, die Granatexplosionen, die Verstümmelten, die Schreie, die Leichen, die blutverschmierten Verwundeten und die aufgerissene Erde. Sie erinnern sich verblüffend gut an den Duft des Frühjahrs. Ein gewaltiger Mond hatte in dieser milden und windstillen Nacht zum 18. April am Himmel gestanden. Und als die Sonne sich bei Tagesanbruch zeigte, geschah dies bei wolkenlosem Himmel über den geschwungenen Hügelkämmen, den sanften Buchten und dem glänzenden Meer von Düppel, Alsen und Sundeved, die man von beinahe jedem Punkt in der Landschaft aus sehen kann.

Die Soldaten hörten auch den Gesang der Lerchen, und das ist das Unglaublichste an ihren Erinnerungen. Die ganze Nacht über, bis weit in den Vormittag hinein, hatte der bis dahin intensivste Beschuss der Kriegsgeschichte stattgefunden. Achttausend Granaten explodierten zwischen den in Schanzen, Schützenlöchern und Laufgräben eingegrabenen dänischen Soldaten. Die Landschaft, die von den Dänen passenderweise Schlachtbank Düppel getauft worden war, bebte, der Lärm war infernalisch.

Dennoch gab es zahlreiche Soldaten, dänische wie deutsche, die später schworen, Lerchengesang gehört zu haben – trotz der Explosionen, trotz der unablässigen Gewehrsalven. Und vor allem hatten sie den Gesang in dem Moment gehört, als die Kanonen exakt um zehn Uhr vormittags schwiegen. In diesem Moment wurde die Hölle entfacht, der Sturm auf die dänischen Stellungen begann.

Vielleicht haben die Lerchen nur in den Köpfen der Soldaten gesungen, als Ausdruck ihrer noch immer vorhandenen Menschlichkeit, die sich nach Leben sehnte und die Gewalt derart destruktiver Kräfte nicht akzeptieren mochte. Vielleicht handelte es sich auch um eine Art von höherem göttlichem Gleichgewicht: Wo es zu Grausamkeiten kommt, gibt es auch eine entsprechende Schönheit. Nachdenklich stimmt in jedem Fall, dass auch viele Veteranen einer der größten und blutigsten Schlachten der Weltgeschichte – der Schlacht an der Somme am 1. Juli 1916 – berichteten, dass sie direkt vor dem Angriff die Vögel singen hörten oder sich daran erinnerten, wie ungewöhnlich schön das Wetter an diesem Tag gewesen war. Auch der 11. September 2001 war in New York ein so durchsichtig klarer und schöner Tag, dass man meinen könnte, Engel wären im Spiel gewesen.

Der 18. April 1864 war kein himmlischer Tag. Es war ein höllischer Tag. Für die deutsche Seite ist es sicherlich ein Tag des großen Triumphs gewesen, doch auch auf der Seite der Sieger hatte es Angst gegeben: das Adrenalin der Furcht, das Röcheln der Sterbenden, Verstümmelungen und überfüllte Lazarette.

Für die andere Seite war der Tag eine Menschenschlächterei, wie es sie in der dänischen Geschichte noch nie gegeben hatte. Niemals waren dänische Truppen in einen so rasenden – und hoffnungslosen – Kampf geschickt worden. Natürlich hatte es in der Geschichte des dänischen Königreichs große Schlachten gegeben. Die Schlacht an der Kopenhagener Reede am 2. April 1801 war aus dänischer Sicht ausgesprochen blutig und heftig gewesen. Die Schlacht bei Isted am 24. und 25. Juli 1850 gegen die schleswig-holsteinischen Aufständischen oder – je nach Standpunkt – Freiheitskämpfer war die bis dahin größte Schlacht in der Geschichte des Nordens. Doch am 18. April 1864 kämpfte man gegen einen Gegner, dem an den meisten Frontabschnitten viermal so viele Soldaten zur Verfügung standen. An Intensität und Verlusten pro Einheit gibt es aus dänischer Sicht nichts, was sich mit dem 18. April 1864 messen kann. Ganze Kompanien wurden ausgelöscht, ganze Regimenter aufgelöst.

Drei Brigaden waren todgeweiht, als sie am Abend des 17. April ihre Positionen im Niemandsland von Düppel bezogen, und gut die Hälfte der insgesamt 12000 dänischen Soldaten, die sich in der eigentlichen Kampfzone befanden (weitere 15000 lagen auf der Insel Alsen als Reserve), kam am 18. April nicht zurück nach Alsen. Sie standen annähernd 40000 Angreifern gegenüber.

Der 18. April hat eine große historische Bedeutung, nicht nur, weil es ein makabrer Tag war, der Tausende von Familien in Trauer stürzte. Für Dänemark bedeutete dieser Tag den Anfang vom Ende des dänischen Gesamtstaats – der Tag wurde zum Inbegriff des Niederlagenkomplexes, der bis heute den nationalen Charakter Dänemarks beeinflusst. Man mag diskutieren, ob Dänemark, das 2003 mit großem Getöse in den Irak-Krieg zog, nicht allmählich den Schatten von 1864 hinter sich gelassen hat. Aber es ist unbestritten, dass sich Dänemark kurz nach dem 18. April in einen Kleinstaat verwandelt sah – in eine Mikroeinheit, die auf der europäischen Bühne machtpolitisch ohne Bedeutung war.

Das Gegenteil geschah in Deutschland – das heißt, Deutschland im heutigen Sinn gab es 1864 noch nicht, sondern lediglich einen lockeren Verbund von neununddreißig kleinen und größeren Staaten, in dem Preußen mit Österreich um den größten Einfluss kämpfte. König Wilhelm I. und vor allem der preußische Ministerpräsident und spätere Kanzler Otto von Bismarck träumten von einem vereinten deutschen Reich unter der Führung Berlins. Es waren gewagte Ambitionen, denn in Preußen gab es einflussreiche Kräfte von demokratischer Gesinnung, die einem Krieg skeptisch gegenüberstanden. 1864 war Preußen geprägt von seinem eigenen Niederlagenkomplex aus den Napoleonischen Kriegen. Napoleons nachhaltige Siege bei Jena und Auerstedt 1806 hatten das Selbstvertrauen der preußischen Militärs erschüttert und Selbstzweifel gesät, obwohl das preußische Heer an den Siegen über Napoleon bei Leipzig 1813 und Waterloo 1815 beteiligt gewesen war.

Auf preußischer Seite war man sich 1864 keineswegs so sicher, Dänemark besiegen zu können, wie es in der historischen Rückschau gewöhnlich dargestellt wird. Als der Krieg ausbrach, war Dänemark kein Kleinstaat – und die Dänen galten in weiten deutschen Kreisen als widerborstige Unterdrücker der deutschen Freiheit in den Herzogtümern Schleswig und Holstein. Viele Deutsche sprachen mit ebenso viel Verachtung wie Furcht über ›Das Dänenthum‹, das heißt, die Unterdrückung von Deutschen durch die Dänen. Rein militärstrategisch wurden die dänischen Verteidigungsanlagen – zunächst das Danewerk, später die Düppeler Schanzen – als mächtige Bastionen angesehen. Zumal die militärische Bewegungsfreiheit der Preußen durch die erhebliche Überlegenheit der Dänen zur See behindert wurde. Ministerpräsident Bismarck, König Wilhelm I. und die Generäle waren der Ansicht, dass es eine nationale und militärische Katastrophe wäre, wenn die entscheidende Schlacht bei Düppel nicht gewonnen würde. Sollte es nicht gelingen, könnten sich ihre Pläne von Preußen als dominierender Macht im Deutschen Bund – und in Europa – leicht in Luft auflösen.

So gesehen stand für die Gegner der Dänen alles auf dem Spiel. Als der Sieg bei Düppel nach einer langen und verlustreichen Belagerung endlich errungen wurde, löste er in Berlin eine Welle der Erleichterung und Euphorie aus – und stärkte die konservativen und militärischen Kräfte, während die demokratisch-liberale Bewegung an Boden verlor. Ohne den 18. April ist es keineswegs sicher, ob Bismarck die siegreichen Kriege gegen Österreich 1866 und Frankreich 1870–71 geführt hätte, die Deutschland schließlich vereinten. Kriege, die eine neue und bis 1914 im Übrigen relativ friedliche Weltordnung schufen. Eine Ordnung, in der Deutschland ein machtpolitisches Schwergewicht in Europa bildete.

Der 18. April 1864 änderte die europäische Geschichte – mit einem Schlag.

Der Autor dieses Buches ist in Sønderborg in der Nähe von Düppel aufgewachsen. Als Junge habe ich zwischen den zahlreichen Gedenksteinen für die gefallenen Soldaten gespielt, die an der berühmten Mühle über die alte Front verstreut stehen. Und häufig habe ich – auch wenn ich als Erwachsener zurückkam – gedacht: Wer waren diese Männer? Was haben sie wirklich in diesen Apriltagen 1864 erlebt? Was heißt es, sich mitten auf einem Schlachtfeld zu befinden – noch dazu einem Schlachtfeld, das unsere Geschichte so nachhaltig verändert hat?

In den vergangenen einhundert Jahren wurden unzählige Beschreibungen des Krieges veröffentlicht. Nach dem Jubiläumsjahr 1964 schien es allerdings, als hätten die Chronisten genug, sie schwiegen. Abgesehen von Spezialwerken und einigen Büchern, die einen allgemeinen Überblick über den gesamten Kriegsverlauf geben, gibt es für den heutigen Leser kaum Texte, die sich direkt mit der eigentlich entscheidenden Schlacht bei Düppel und ihrer Geschichte beschäftigten....

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