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Schlaf- und Wachstörungen bei alten Menschen

Aktuelles Wissen für wirkungsvolle Interventionen. Gezielte Hilfe für einen besseren Schlaf

AutorProf. Dr. Vjenka Garms-Homolová
VerlagSchlütersche
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl144 Seiten
ISBN9783842688094
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
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Leseprobe

2 SCHLAFSTÖRUNGEN: WAS GEHÖRT DAZU?


Unter der Bezeichnung »Schlafstörungen« verbirgt sich ein ganzes Bündel verschiedener Beschwerden. Vereinfacht gesagt, leiden die von diesen Beschwerden betroffenen Menschen entweder

unter Schlafmangel und den damit verbundenen Problemen oder

unter Schlafübermaß und folglich unter der Unfähigkeit, am Tage richtig wach zu werden, was wiederum eine ganze Reihe von Beeinträchtigungen nach sich zieht.

Zu diesen »Hauptformen« der Abweichungen vom »normalen Schlafen und Wachen« gehören zahlreiche Symptome, Komplexe von Symptomen (Syndrome) und Erkrankungen. Davon kann man sich überzeugen, wenn man im Internet die Webseite der Amerikanischen Akademie für Schlafmedizin (http://www.aasmnet.org) besucht. Dort ist die neueste Version der Internationalen Klassifikation der Schlafstörungen aus dem Jahre 2014 (ICSD 3) veröffentlicht. Auch die deutsche Leitlinie 3: Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen (AWMF-Register Nr. 063/001, zu finden unter http://www.awmf.org/) ist in dieser Hinsicht aufschlussreich1.

Wir wollen in diesem Kapitel nur eine Auswahl von den Schlafstörungen darstellen, die in der allgemeinen Bevölkerung, speziell jedoch auch bei älteren und alten Erwachsenen häufig auftreten und die auch in der Population mit Pflegebedarf eine hohe Prävalenz – Krankheitshäufigkeit – erreichen. Dementsprechend leiden zahlreiche Heimbewohnerinnen und Heimbewohner unter diesen Störungen.

Bei der Auswahl fragten wir uns ebenfalls, inwieweit Pflege über Strategien und Mittel zur Vermeidung und/oder Bewältigung der Störung verfügt. Wenn das der Fall ist, wurde die Wach-/Schlafstörung in dieses Kapitel aufgenommen. Wach-/Schlafkrankheiten, zu deren Behandlung hauptsächlich eine medizinische Intervention oder sogar die Expertise von Schlafspezialisten erforderlich ist, haben wir an dieser Stelle nicht berücksichtigt. Es steht außer Zweifel, dass qualifizierte Pflegemitarbeiter bei einer Reihe von Wach-/Schlafstörungen wirkungsvoll intervenieren können: entweder eigeständig oder in Kooperation mit anderen Disziplinen und Berufsgruppen. Eine detaillierte Analyse dieser Handlungsmöglichkeiten findet sich im vorletzten und letzten Kapitel dieses Buchs.

2.1 Insomnie


Wir beginnen mit der Gruppe von Schlafstörungen, die als »Insomnie« bezeichnet werden. Zur Insomnie gehören vor allem

1. die Schwierigkeiten beim Einschlafen (Difficulty Initiating Sleep – DIS),

2. die Unfähigkeit durchzuschlafen (Difficulty Maintaining Sleep – DMS) und

3. das unerwünschte Frühaufwachen.

Bestimmte englische Namen und Abkürzungen verwenden wir hier – wie auch an anderen Stellen dieses Buchs – deshalb, weil man in der Fachliteratur (auch der deutschen) oftmals keine deutschen, sondern nur die englischen Begriffe vorfindet.

Die Insomnie manifestiert sich durch die folgenden Symptome:

Das Einschlafen ist mühselig und der Schlaf dauert immer nur eine kurze Zeit. Danach wacht die Person auf und hat Schwierigkeiten, wieder einzuschlafen.

Das Stadium »Tiefschlaf« wird selten erreicht. Viele betroffene Personen schlafen oberflächlich oder bleiben die meiste Zeit in der Nacht wach.

Eine Unzufriedenheit mit dem Schlaf ist auch ein typisches Merkmal von Insomnie. Betroffene Menschen klagen oft, dass sie überhaupt nicht geschlafen haben.

Der Schlaf endet in den frühen Morgenstunden, in der Regel schon vor dem Tageseinbruch. Mediziner bezeichnen dieses Symptom als das »Frühaufwachen«.

Etwa bei einem Viertel der älteren Population von 65 bis 74 Jahren manifestieren sich solche Symptome. In der Bevölkerung der 75-Jährigen und Älteren zeigen sie sich noch häufiger, nämlich bei einem Viertel. Allerdings lassen sich die Statistiken nur schwer interpretieren, weil die Forscher unterschiedliche Methoden der Erhebung oder Diagnostik zur Feststellung der Insomniehäufigkeit und fast aller anderen Schlafstörungen verwenden. Die Prozentzahlen beruhen entweder auf unterschiedlich detaillierten Befragungen der Betroffenen oder auf speziellen Tests beziehungsweise auf Langzeitbeobachtungen sowie auf physiologischen Messungen, bei denen Körperfunktionen oder neurologische Vorgänge aufgezeichnet werden. Aufgrund dieser Varietät der Schlafstörungserfassung differieren auch die Angaben hinsichtlich der Verbreitung von Insomnien in den stationären Pflegeeinrichtungen.

In unserer eigenen Studie wurden 7 500 Bewohnerinnen und Bewohner und ebenso auch deren Schlaf von qualifizierten Pflegekräften beurteilt, die regelmäßig die Pflege verrichteten und deshalb mit dem Zustand und Befinden der Bewohner gut vertraut waren (Garms-Homolová & Flick, 2013). Für die Beurteilung verwendeten die Pflegenden ein Assessmentinstrument, das RAI (Garms-Homolová & Gilgen, 2000). Auf der Basis dieses Assessments stellten wir fest, dass 10 Prozent der Bewohner jede Nacht unter Ein- und Durchschlafstörungen litten. 27,4 Prozent der Bewohner hatte Ein-/Durchschlafschwierigkeiten an fünf oder weniger Tagen der Woche, aber nicht an jedem Tag. Die meisten anderen Forscher identifizierten jedoch eine größere Häufigkeit der Insomnie als wir.

Die typischen Beschwerden der Insomnie werden von den Menschen, die unter diesen leiden, als belastend erlebt:

Bewohnerinnen und Bewohner klagen, dass sie zu lange brauchen, um einzuschlafen. Sie liegen im Bett und wünschen den Schlaf herbei: aber überwiegend ohne Erfolg. Sie berichten, dass sie ganz unruhig werden, weil »ihnen alles Mögliche durch den Kopf geht«, und dass sie vor allem an ihre Sorgen und Krankheiten denken müssen. Das rege sie zusätzlich auf! Kein Wunder, dass sie danach keinen Schlaf mehr finden. Vielmehr befürchten sie, dass mit ihnen und ihrem Schlaf etwas nicht stimmt. Sie fürchten sich buchstäblich vor jeder weiteren Nacht. Die Wiederholung solcher Erlebnisse und Sorgen an mehreren Tagen hintereinander kann »zur Gewohnheit« werden. Das Einschlafproblem wird gewissermaßen »erlernt«.

Menschen mit Insomnie schlafen nicht tief und wachen immer wieder auf. Das wäre zunächst nicht sehr beunruhigend, weil – wie wir schon zeigten – der Tiefschlaf im Alter ohnehin etwas reduziert sein kann. Schlimm ist nur, dass Menschen mit Insomnie nicht wieder einschlafen können. Dabei wiederholen sich die unangenehmen Erlebnisse der ersten (abendlichen) Einschlafphase auch bei jeder nächtlichen Schlafunterbrechung. Die betroffenen Menschen sind stundenlang wach, wälzen sich im Bett und denken über ihre Krankheiten und Sorgen nach. Solche Nächte sind oft sehr belastend.

Was am Morgen folgt, ist die Unzufriedenheit mit der erlebten Nacht und dem ausgebliebenen Schlaf. Wie schon erwähnt, haben die betroffenen Menschen das Gefühl, überhaupt nicht geschlafen zu haben, auch wenn es objektiv nicht stimmt. Eine bedrückte Stimmung und Lustlosigkeit bis hin zur Depression können die Folgen sein. Diese Beschwerden werden als der »nichterholsame Schlaf« (non-restorative sleep, NRS) bezeichnet. Lange Zeit wurde der nichterholsame Schlaf in die Kategorie »Insomnie« eingeordnet. In der internationalen psychiatrischen Klassifikation (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen – DSM-5®2) ist das immer noch so. Jüngere Untersuchungen und klinische Studien zeigen jedoch, dass der nichterholsame Schlaf (NRS) auch unabhängig von der Insomnie existiert. Das bedeutet, dass auch die Menschen darunter leiden können, die abends problemlos einschlafen und die Nächte weitgehend ungestört durchschlafen. Deshalb sollte NRS als unabhängiger Symptomkomplex angesehen werden. Auch wir wollen das so handhaben (vgl. Kap. 2.2).

Zur Insomnie gehört aber auch das ungewollte »Frühaufwachen«. Die Betroffenen sind bereits bei Tagesanbruch wach. Im Heim oder einer Gemeinschaftsunterkunft trauen sie sich nicht aufzustehen, um nicht zu stören. Manche Heimbewohner kommen ohnehin nicht ohne fremde Hilfe aus dem Bett. Das ist sehr unangenehm, insbesondere für Menschen, die an Gelenk- und Rückenschmerzen oder anderen Krankheitssymptomen leiden. Für sie alle kann das Liegen und Warten auf das Aufstehen ziemlich unerträglich werden. In den Morgenstunden kommen nicht nur Schmerzen, sondern die Beschwerden anderer Erkrankungen zum Vorschein: Man bekommt keine Luft, muss dringend zur Toilette, hat eventuell Durst, ist verschwitzt – das alles schürt Ängste, unangenehme Empfindungen und das Gefühl, verloren und ausgeliefert zu sein.

Beschwerden von Patienten mit Insomnie gehen also weit über die Probleme bei Einschlafen und Durchschlafen und über die mangelhafte Erholungsqualität hinaus. Es sind die unangenehmen Empfindungen, die die betroffenen Menschen leiden lassen, wenn sie sich vergeblich bemühen...

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