Das zweite Mal verhindern
Kann sich ein Schlaganfall wiederholen? Lässt sich das verhindern? Die Antwort auf beide Fragen lautet Ja. Begegnen Sie der Angst vor einer Wiederholung mit dem Wissen, wie Sie einem erneuten Schlaganfall vorbeugen können.
Eine Vorstellung davon, wie groß die Gefahr ist, dass sich ein Schlaganfall wiederholt, geben epidemiologische Studien. Demnach erleiden 8 bis 15 Prozent der Patienten im ersten Jahr danach einen erneuten Schlaganfall. Das Risiko ist in den ersten Wochen am höchsten und nimmt dann ab. Es ist aber auch davon abhängig, ob und wie schnell der Patient auf einer spezialisierten Schlaganfallstation behandelt wird. Findet die Erstbehandlung auf einer Stroke Unit statt, sinkt das Risiko deutlich.
Die Wahrscheinlichkeit für die Wiederholung eines Schlaganfalls wird in der Fachsprache als Rezidivrisiko bezeichnet. Der Arzt kann es nach einem standardisierten Punktesystem berechnen. Möglicherweise hat Ihr Angehöriger demnach ein eher niedriges oder aber ein sehr hohes Risiko. Wie es dazu kommt und wie dieses Risiko zu senken ist, erfahren Sie unter „Risikofaktoren kennen und reduzieren“ (siehe S. 40).
Unabhängig von der berechneten Höhe des Risikos ist es für Sie sehr wichtig, zu wissen, wie Sie einen Schlaganfall erkennen und situationsgerecht reagieren können, falls es doch bei Ihrem Angehörigen zu einem Rezidiv kommen sollte.
Die Warnsignale erkennen
Weil ein Schlaganfall jederzeit wieder passieren kann, sollten Sie auf Warnsignale achten. Mit dem sogenannten FAST-Test kann der Verdacht auf einen Schlaganfall überprüft werden.
Wenn der Verdacht besteht, dass sich ein Schlaganfall wiederholt hat, ist es wichtig, keine Zeit zu verlieren. Nach der Erkenntnis „Time is Brain“ (siehe S. 17) kann rasches und richtiges Handeln Gehirnzellen und damit Leben und Lebensqualität retten sowie mögliche bleibende Behinderungen verhindern. Denken Sie daran, es entscheiden Minuten. Nur durch einen schnellen Transport in eine Klinik mit einer spezialisierten Schlaganfallstation, und möglichst in der sogenannten Golden Hour, der ersten Stunde nach Auftreten der Symptome, besteht eine Chance, dass mögliche Störungen weitgehend oder sogar vollständig erfolgreich behandelt und die ausgefallenen Funktionen wiederhergestellt werden können. Zeit ist das Gebot der Stunde.
Wenn Sie nicht mit dem Betroffenen zusammenleben, sollten Sie ihn regelmäßig kontaktieren, ihn also anrufen oder besuchen. Sensibilisieren Sie wenn möglich auch Nachbarn, Freunde oder andere Personen im Umfeld Ihres Angehörigen für das Thema, damit diese ein Auge auf ihn haben. Bitten Sie darum, verständigt zu werden, falls jemandem etwas verdächtig vorkommt.
Fällt Ihnen irgendetwas auf, das auf einen Schlaganfall hinweisen könnte, scheuen Sie sich keinesfalls davor, den Rettungsdienst zu benachrichtigen. Haben Sie keine Bedenken wegen eines möglichen „falschen Alarms“. Sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass kein Notfall vorlag, wird das keine negativen Konsequenzen für Sie haben. Wählen Sie also besser sofort den Notruf, statt sich in der Hoffnung zu wiegen, dass die Beschwerden von allein wieder weggehen. Diese oft trügerische Hoffnung kostet (zu) viel Zeit. Auch zunächst leichte Anzeichen können sich zu einem schweren Schlaganfall ausweiten.
Wählen Sie sofort die 112! Sie ist aus dem Festnetz und von Mobiltelefonen aus kostenlos erreichbar, auch im europäischen Ausland. Sie können in jedem Fall sicher sein, dass Sie unter dieser Rufnummer in allen Ländern bei einem medizinischen Notfall Hilfe erhalten. Häufig sind die Leitstellen mehrsprachig besetzt. Zumindest wird neben der Landessprache Englisch gesprochen.
FAST-Test und Symptome
Beobachten Sie an Ihrem Angehörigen oder auch bei anderen Personen ganz bestimmte, plötzlich auftretende Krankheitszeichen, gilt es, rasche Entscheidungen zu treffen. Auf eine solche Situation sollten Sie daher vorbereitet sein. Die meisten Schlaganfälle lassen sich auch von Laien-Helfern mit dem sogenannten FAST-Test in sehr kurzer Zeit feststellen. FAST steht für Face (Gesicht), Arms (Arme), Speech (Sprache) und Time (Zeit). Der Test besteht aus vier Schritten (siehe auch rechts). Die ersten drei Punkte beziehen sich auf Körperfunktionen, die bei diesem Test genauer in den Blick genommen werden. Time bezieht sich hingegen auf den Zeitfaktor: Wenn sich der Verdacht auf einen Schlaganfall erhärtet, sollten Sie unverzüglich den Notruf wählen.
Sie können dem eintreffenden Helfer zusätzliche Informationen geben, wenn Sie auf weitere, plötzlich auftretende Auffälligkeiten achten:
Sprach- und Sprechstörungen: Gesprochenes wird nicht verstanden, es werden Silben verdreht oder falsche Buchstaben verwendet. Die Sprache ist stockend und abgehackt, im „Telegrammstil“, lallend und verwaschen. Es kommt auch vor, dass der Betroffene gar nicht mehr sprechen kann.
Checkliste
FAST-Test
Face: Bitten Sie die Person zu lächeln. Ist das Gesicht einseitig verzogen oder hat einen hängenden Mundwinkel? Das deutet auf eine halbseitige Gesichtslähmung hin.
Arms: Bitten Sie die Person, die Arme nach vorn zu strecken und dabei die Handflächen nach oben zu drehen. Bei einer Lähmung können nicht beide Arme waagerecht nach vorn gehoben oder gehalten werden, ein Arm sinkt ab oder dreht sich nach innen.
Speech: Lassen Sie die Person einen einfachen Satz nachsprechen. Ist sie dazu nicht in der Lage oder klingt die Stimme verwaschen, liegt vermutlich eine Sprachstörung vor.
Time: Wenn der Betroffene auch nur mit einer der drei Aufgaben Probleme hat, dann wählen Sie unverzüglich die 112 und schildern Sie die Symptome.
Lähmungserscheinungen und/oder Taubheitsgefühl auf einer Körperseite, im Gesicht oder an den Gliedmaßen
Ein gestörtes Berührungsempfinden, wie man es zum Beispiel bei einem eingeschlafenen Fuß verspürt („Ameisenlaufen“), Pelzigkeitsempfinden auf einer Körperseite. Häufiger im Gesicht, am Arm und der Hand, aber auch das Bein kann betroffen sein.
Sehstörungen mit Störungen des räumlichen Sehens oder plötzlicher Erblindung eines Auges
Plötzlich eingeschränktes Gesichtsfeld, Gesichtsfeldausfall oder Doppelbilder
Übersehen von Objekten oder Personen auf einer Körperseite: Der Betroffene sieht Gegenstände überlappend und fasst beispielsweise beim Griff nach einem Gegenstand daneben oder er hat das Gefühl, durch eine beschlagene Brille zu schauen.
Verwirrtheit bzw. Desorientierung
Schwindel und Gangunsicherheit, fehlender Gleichgewichtssinn, Koordinationsprobleme: Manche Patienten fühlen sich wie beim Karussellfahren (Drehschwindel) oder wie auf einem Schiff bei starkem Seegang. Einige fühlen sich wie in einem abstürzenden Fahrstuhl.
Heftige Kopfschmerzen ohne erklärbare Ursache, verbunden mit Übelkeit und Erbrechen, die verzögert auch zu Lähmungserscheinungen, Bewusstlosigkeit oder Verwirrtheit führen können. Das kann auf ein gerissenes Aneurysma hinweisen, eine angeborene Schwachstelle in den Blutgefäßen des Gehirns, das eine Hirnblutung zur Folge hat.
Eine TIA oder einen Mini-Schlaganfall nicht unterschätzen
Ein Schlaganfall kündigt sich meistens durch kleine Auffälligkeiten an. Eine nur kurzzeitige Mangeldurchblutung wird oft nicht ernst genommen, darf jedoch nicht unterschätzt werden. Medizinisch handelt es sich dabei um eine sogenannte TIA, eine Transitorische Ischämische Attacke. Bei einer TIA treten bereits die gleichen Symptome auf wie bei einem „echten“ Schlaganfall, nur dass sie nach relativ kurzer Zeit wieder verschwinden. Doch auch damit ist ein hohes Risiko verbunden, denn nach einer TIA erleiden etwa 10 Prozent der Patienten in den nächsten fünf Jahren einen ischämischen Schlaganfall.
Halten die Symptome länger an (formal wäre es ein „echter“ Schlaganfall), sind jedoch geringgradig ausgeprägt, oder sie verschwinden innerhalb von wenigen Tagen wieder komplett, wird von einem „MiniSchlaganfall“ oder auch Minor Stroke, gesprochen, dessen Risiken...