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E-Book

Schloss Rauischholzhausen

AutorChris Nees
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl328 Seiten
ISBN9783743134638
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Schloss Rauischholzhausen, ab 1873 für Ferdinand Eduard von Stumm errichtet, ist hinsichtlich seiner Baugeschichte, der Bedeutung des Bauherren für die Konzeption, der Qualität von Bauformen, Material und handwerklicher Ausführung beispielhaft für den Schlossbau des Historismus. Bisher fehlte eine Gesamtdarstellung, die sich mit einer genauen Untersuchung der Geschichte des Anwesens, seiner Architektur und Ausstattung befasst. Das vorliegende Buch stellt die dafür wesentlichen Fakten vor und macht zugleich auf den besonderen Wert dieses architektonischen Kleinodes aufmerksam. Anhand zahlreicher überwiegend erstmals veröffentlichter Skizzen Stumms, Pläne der beauftragten Architekten sowie historischer und aktueller Fotografien wird die Baugeschichte des Schlosses vorgestellt. Der Bauherr, aus einer reichen Industriellendynastie stammend, war der Ideengeber, der mit großem Gespür für fachliche Begabung Architekten mit ganz unterschiedlichen Stilvorlieben engagierte und ihre Arbeit durch seine Vorgaben zu einer harmonischen Gesamtkonzeption führte. Mit dem Anwesen in Rauischholzhausen schuf er sich ein Umfeld, in dem er Vergangenheit und Gegenwart zu einem Gesamtkunstwerk vereinigte, wie es dem Lebensgefühl seiner Zeit entsprach.

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Leseprobe

KAPITEL 2


Ferdinand Eduard von Stumm


Zur Familiengeschichte

Ferdinand Eduard Stumm wurde am 12. Juli 1843 in Neunkirchen als drittes von acht Kindern geboren.14 Seine Familie gehörte zu den bekanntesten deutschen Eisenindustriellen. Sowohl durch seinen Vater, Carl Friedrich Stumm (1798–1848), als auch durch seine Mutter, Marie Louise Böcking (1813–1864), war er mit den wichtigsten Industriellenfamilien des deutschen Südwestens verwandtschaftlich verbunden.15

Abb. 1

Ferdinand Eduard von Stumm, Fotografie (o.J.)

Die Eisenhütte Stumm wurde 1715 durch Johann Nikolaus Stumm gegründet. Er besaß die Mühle zu Hammer-Birkenfeld im Hunsrück. Das dort vorkommende Eisenerz, der Waldreichtum der Gegend und das reichlich vorhandene Wasser schufen gute Voraussetzungen für die Anlage eines Waffen- und Eisenhammers. Durch den frühzeitigen Erwerb von Holz- und Erzkonzessionen sowie überlegte Beteiligungen bzw. Kauf- und Neuanlagen von weiteren Hütten und Hämmern wuchs das Familienunternehmen kontinuierlich. Hinzu kam das Stumm’sche Prinzip, das Werk nur an männliche Nachkommen zu vererben, die Töchter wurden bei ihrer Heirat ausbezahlt und hatten dann mit dem Familienvermögen nichts mehr zu tun.16 Die männlichen Nachkommen verwalteten den Familienbesitz jeweils gemeinsam. Den Enkeln des Unternehmensgründers, drei Brüdern, gelang es 1806, ihre Eisenhütten vom Hunsrück auf das Saarland auszudehnen. Sie erwarben, gemeinsam mit der Halberger Hütte und der Fischbacher Hütte, das Neunkirchener Eisenwerk und gründeten die offene Handelsgesellschaft „Gebrüder Stumm“, ein Name, den die Firma mehr als ein Jahrhundert führte.

Friedrich Philipp Stumm (1751–1835), der Großvater Ferdinand Eduard von Stumms, lebte seit 1802 in Saarbrücken. Die Familie bewohnte das ehemalige barocke Mandelsche Palais am Ludwigsplatz.17 Bezeichnenderweise waren die Stumms schon zu dieser Zeit politisch engagiert. In den Befreiungskriegen 1814/15 wurde das Haus Stumm in Saarbrücken zum Zentrum der nationalen Erhebung im Saarland. Blücher, Gneisenau und andere Generäle waren Gäste des Hauses auf dem Marsch nach Frankreich.18

Friedrich Philipp Stumm teilte in seinem Testament den Besitz. Sein Sohn, der Vater des Erbauers von Schloss Holzhausen, Carl Friedrich Stumm, erhielt die Hütten im Saarland. Sein Schwiegersohn, Heinrich Böcking, erbte den Besitz im Hunsrück. Carl Friedrich Stumm war mit Marie Louise Böcking verheiratet (Abb. 3, 4). Ihre Familie gehörte zu den bedeutendsten deutschen Handelsfamilien, war im Bankgeschäft und in der Aachener Tuchfabrikation tätig. Die Heiraten der zahlreichen Böckingkinder verbanden diese Familie mit „fast sämtlichen südwestlichen Industriellen- und Handelsgeschlechtern.19 Die Stumms selbst waren mit der pfälzischen Eisenindustriellenfamilie Gienanth verwandt. Drei von acht Urgroßeltern des Erbauers von Schloss Holzhausen führten Eisenhütten.

Die Begeisterung und das Verständnis für Kunst, die bei Ferdinand Eduard von Stumm zur Anlage seiner großen Sammlung führte, kann auch als ein Familienerbe angesehen werden. Aus den Nebenlinien der Stumms und Böckings stammten im 18. Jahrhundert ein Goldschmied, der Architekt Christian Ludwig Hautt (1726–1806) und der Orgelbauer Johann Michael Stumm (1683–1774). Seine Familie gehörte zu den berühmtesten Orgelbauern Südwestdeutschlands.20 Ein Bruder von Stumms Großvater war der Düsseldorfer Landschaftsmaler Adolph Böcking (geb. 1782 in Trarbach, verstorben in Amerika).21

Abb. 2

Herrenhaus in Neunkirchen

Kindheit in Neunkirchen

Carl Friedrich Stumm zog von Saarbrücken, wo er in den „ eindrucksvollen Barockbauten am Ludwigsplatz“22 bei seinen Eltern gewohnt hatte, nach Neunkirchen. Dort erbaute er sich zwischen 1834 und 1839,23 wie es in dieser Zeit die Industriellen häufig taten, sein Haus in unmittelbarer Nähe zum Eisenhüttenwerk (Abb. 24). Die ersten Industriellenvillen entstanden, fast analog zu den antiken Villen, in der Nähe der eigenen Produktionsstätten. Vom Haus konnte und wollte man auf die Fabrik blicken.24

Das Geburtshaus von Ferdinand Eduard Stumm lag „inmitten rauchender Essen und dröhnenden Maschinenhallen. Eine Hochofengruppe [stand] wie ein Wachturm, nur durch die Straße getrennt, vor diesem Herrenhaus.“25 Die Hüttenarbeiter nannten es „Emm Stumm sei Schleßje.“26 Hinter dem Herrenhaus legte Carl Friedrich Stumm später einen großen Park an. Ähnlich wie sein Sohn Ferdinand Eduard fast vierzig Jahre danach seinen Park in Holzhausen anfangs plante, war es ein Landschaftsgarten im Stil Fürst Pücklers. Er ließ zunächst nur einheimische Bäume pflanzen, belebte den Park mit Gartenarchitekturen und errichtete auf einer Insel im Hammerweiher 1845 ein Denkmal für seine Familie. „Den Vorfahren in Liebe und Dankbarkeit geweiht vom Sohn und Neffen Carl Friedrich Stumm“. Zusätzlich wurden die im Besitz der Familie befindlichen Industrieanlagen aufgezählt.27 Stolz auf die Leistungen der Familie, Selbstbewusstsein und Repräsentationsbedürfnis des Großbürgers Stumm zeigten sich auch in der, damals bei zahlreichen Schlossneubauten zu beobachtenden Sitte, sich im eigenen Park eine Kapelle und ein Familienbegräbnis anzulegen. Die Familie bewohnte das Herrenhaus in Neunkirchen von 1839/40 bis 1880/81. Danach zog der älteste Sohn, Carl Ferdinand Stumm, in das neu erbaute Schloss Halberg.28 Das Oberhaupt der Familie und Leiter der Stummwerke bezog also knapp zwei Jahre nach dem sein Bruder Ferdinand Eduard Schloss Holzhausen bezogen hatte, ebenfalls ein neues Schloss.

Abb. 3–4

Louis Krevel, Porträts der Eltern Carl Friedrich Stumm (1836) und Marie Louise Stumm (1835). Öl/Lw., 102 x 80,5 cm.

Im Hintergrund sind das noch im Bau befindliche Herrenhaus und Teile der Fabrikanlagen von Neunkirchen zu sehen.

Abb. 5

Ferdinand Eduard von Stumm, Gipsmodell der Büste Adolf von Hildebrand, vor 1910

Die Jugend der acht Kinder von Carl Friedrich Stumm dürfte einschneidend verändert worden sein durch den Freitod des Vaters am 24. Februar 1848. Die Gründe dafür sind strittig. Einmal werden große finanzielle Schwierigkeiten des Werks in Neunkirchen genannt. Diese hätten als Hauptgrund den zu umständlichen Transport des Erzes gehabt. Die Eisenproduktion der Stummwerke sei dadurch teurer als in verkehrsgünstiger gelegenen Betrieben gewesen. Die Bemühungen, einen Anschluss des Werkes in Neunkirchen an die Eisenbahnlinie zu erreichen, waren zunächst nicht erfolgreich, das investierte Vermögen schien verloren.29 Andere sehen die Lage des Werkes zu diesem Zeitpunkt als saniert an und machen persönliche Gründe für den Freitod verantwortlich.30 Die so wichtige Anbindung Neunkirchens an die Eisenbahnlinie wurde kurz nach dem Tod Carl Friedrich Stumms beschlossen.31 Diese verbesserte Transportmöglichkeit schuf die Basis für die unter Carl Ferdinand Stumm-Halberg einsetzende gewaltige Expansion der Werke „Gebr. Stumm“.

Über Kindheit und Jugend Ferdinand Eduard Stumms und seiner Geschwister ist, mit Ausnahme des später sehr berühmt gewordenen ältesten Bruders Carl, wenig bekannt. Ferdinand Eduard Stumm war beim Tod des Vaters vier, das jüngste Kind etwas über zwei Jahre alt. Es ist anzunehmen, dass er zunächst ähnlich wie sein ältester Bruder von Gouvernanten und Hauslehrern unterrichtet wurde. Die Biographie seines Bruders Carl Stumm-Halberg nennt u. a. Alberts aus Neunkirchen und den Hauslehrer Hodler aus Neuwied.32 Letzterer dürfte für Ferdinand und seine jüngeren Geschwister eine besondere Rolle gespielt haben, denn ihre Mutter, Marie Louise Stumm, geborene Böcking, verheiratete sich um 1850 in zweiter Ehe mit Hodler.

Die Bedeutung des Bruders Carl

Die Leitung der Firma übernahm nach dem Tod des Vaters für zehn Jahre der Onkel Carl Böcking als Vormund der Erben. Carl Ferdinand von Stumm-Halberg trat 1858 mit 22 Jahren in die Firma „Gebr. Stumm“ ein. Zunehmend übernahm er auch die Verantwortung für seine jüngeren Geschwister. Ferdinand Eduard von Stumm legte 1861 sein Abitur in Trier ab.33 Von ihm und seinem Bruder Hugo (Ramholz) wurde ein Eintritt in die Firmenleitung erwartet. Von Ferdinand Eduard wünschte sein älterer Bruder eine Ausbildung als „Bergmann“ und schrieb ihm noch während der Schulzeit 1860, das Werk biete „vollkommen Platz für uns drei.34 Der zweitälteste Bruder, Friedrich Adolf, hatte wohl bereits damals...

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