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Schluss jetzt

Von der Freiheit, sich zu trennen

AutorHeike Blümner, Laura Ewert
Verlaghanserblau
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783446263178
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis6,99 EUR
Wenn die Frage 'Gehen oder bleiben?' mehr Zeit beansprucht als die Planung des nächsten Urlaubs, dann raten Heike Blümner und Laura Ewert: Natürlich gehen! Schmissig erklären sie, wie wir uns aus toxischen Beziehungen lösen können, warum Untreue nicht unbedingt, kein Sex jedoch fast immer zur Trennung führt, welche finanziellen Hürden Trennungswillige nehmen müssen. Und was uns danach erwartet. Denn wer die Trennung wagt, wird viel gewinnen.

Heike Blümner, geboren 1970, arbeitet seit 1995 als Journalistin. Sie ist freie Redakteurin bei ICON, der Stilbeilage der Welt am Sonntag in Berlin. 'Eine Frau. Ein Buch' (zusammen mit Jackie Thomae) war ein SPIEGEL-Bestseller. Sie hat drei Kinder und ein paar Exfreunde, die meisten von ihnen schätzt sie sehr. Sie würde nicht alles anders machen, nur noch besser.

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Leseprobe

1


Wir müssen reden


Endlich besser trennen


Eine unglückliche Beziehung ist noch lange kein Grund für eine Trennung. So manch ein Paar wird das müde nickend bestätigen, dabei die Tischdecke glatt streichen oder sich der Pflege der Zimmerpflanze zuwenden. Und dass eine unglückliche Ehe einem der beiden Partner nicht als Grund ausreicht, einer Scheidung zuzustimmen, erfahren wiederum die Eheleute, die am Tisch des Scheidungsanwaltes sitzen und die Zukunft unterschiedlich bewerten. Sie starren auf die Maserung des Holzes, in der Hoffnung, dort eine hilfreiche Botschaft zu entdecken.

Dass jedoch im Jahr 2018 eine »unglückliche« Ehe dem höchsten Gericht in Großbritannien nicht als Scheidungsgrund genügte, löste nicht nur Empörung sondern auch ein leichtes Gefühl von Platzangst aus: Tini Owens wollte sich nach vierzig Jahren von ihrem Ehemann Hugh scheiden lassen, aber der Supreme Court entschied, dass ihr gefühltes Unglück nicht relevant genug sei. Tini ist Ende sechzig, ihr Mann um die achtzig, und sie findet, dass ihre Beziehung am Ende ist, die Liebe verschwunden, und dass ihr Mann sich oft »unvernünftig« verhalten habe. Wofür diese Verhandlung ganz nebenbei der beste Beweis war. Dort nämlich verkündete Ehemann Hugh, er wolle sich partout nicht scheiden lassen. Die Ehe mit Tini sei zwar »keine emotional intensive Beziehung«, aber man hätte es doch viele Jahre geschafft, »schlecht und recht miteinander auszukommen«. Doch seine Frau ist nicht davon abzubringen, seit drei Jahren besteht sie auf die Scheidung. Das Gericht sagt, sie müsse mindestens fünf warten.

Kaum jemand trennt sich plötzlich und aus einer Zerstörungswut heraus. Trennungsabsichten werden in den meisten Fällen unzählige Tage, Nächte, Duschgänge und Autofahrten länger bedacht, als die in leidenschaftlicher Unzurechnungsfähigkeit gehauchten »Wollen wir zusammenziehen?« oder »Willst du mich heiraten?«. Ist der Bund jedoch einmal geschlossen, gilt auch in Deutschland von staatlicher Seite, dass sich nicht leicht lösen kann, was einfach nicht zusammengehört. Niemand macht einem das Trennen leicht: man selbst nicht, der Partner nicht und die Institutionen auch nicht.

Hierzulande muss ein Ehepartner mit Trennungswillen ohne den davon überzeugten Gegenpart zwar in der Regel nur ein Jahr auf die Scheidung warten, aber wenn einer von beiden störrisch ist, muss der, der die Beziehung verlassen möchte, beweisen, dass das Trennungsjahr ohne Rückfälle abgeschlossen wurde. Übersetzt bedeutet das: Unter Umständen muss recht schmutzige Wäsche sehr öffentlich gewaschen werden. Findige Anwälte werden bei Bedarf weitere Verzögerungstaktiken aus dem Hut zu zaubern wissen, die im Zweifelsfall maximal die Genugtuung ihrer Mandanten mit sich bringen.

In Extremfällen gibt es theoretisch noch die fristlose »Blitzscheidung« — ein kongenialer Begriff, der den bellizistischen Aspekt dieses Unterfangens genauso andeutet wie die Kehrseite der Liebe auf den ersten Blick. Die Blitzscheidung kann jedoch nur einschlagen, wenn die Ehe »eine unzumutbare Härte« für mindestens einen der Partner darstellt. Das Internet läuft über mit Kanzleien, die ihre Dienste speziell für diese Fälle anbieten. Auf der Website eines dieser Befreiungs-Spezialisten wird sicherheitshalber jedoch gleich erwähnt, dass für dieses Unterfangen »hohe Anforderungen« gelten. Entscheidend sei »wie ein vernünftig denkender Dritter die Lage einschätzen würde«. Damit ist vermutlich ein Richter gemeint. Allein die Wahl dieser Formulierung beweist, dass es um die Vernunft von sich trennenden Menschen oft nicht zum Besten steht. Und dass sich mit der Prüfung auf vorfristliche Trennung gut auf Klientenfang gehen lässt. Bestimmt auch, weil das persönliche Unglück sich akut immer wie ein Härtefall anfühlt. Doch nach unten ist viel Luft: Misshandlungen, Morddrohungen oder sogar der Verdacht auf Tötung von Angehörigen waren bisher unter anderem vor Gericht anerkannte Gründe für die schnelle Scheidung. Die Nicht-Mitgliedschaft in diesem Club versüßt den Scheidungswilligen immerhin die Wartezeit.

Meistens sind es allerdings nicht Gerichte oder Gesetze, sondern wir selbst, die uns im Wege stehen. Das Durchstehen einer Trennung gleicht nicht selten einem emotionalen Bootcamp, es treibt einen an die eigenen Grenzen. Die vielsagenden Worte »Wir müssen reden« oder »Es geht nicht mehr« müssen rausgewürgt werden. Themen angesprochen, die jahrelang runtergeschluckt wurden. Warum eigentlich? Weil die Angst vor den Folgen zu groß war. Zu groß die Sorge, jemand könnte verletzt werden. Und nun haben sich die Folgen blöderweise verselbstständigt. Derjenige, der diese Worte zuerst ausspricht, befindet sich in einer merkwürdigen Position. Einerseits so nah bei sich, und gleichzeitig ist es, als hätte er oder sie den Raum verlassen und schaute sich bei allem nur noch zu. Es ist ein bizarrer Moment, in dem der vertrauteste Mensch schlagartig auf Distanz gebracht wird. Fünf, zehn oder mehr Jahre war dieser Mensch selbstverständlich berührbar, nach diesem Moment ist er es nicht mehr. Wann haben wir uns überhaupt das letzte Mal geküsst? So richtig?

Eine letzte Umarmung vielleicht. Noch eine. Eventuell der ungelenke Versuch von Trost durch genau die falsche Person. Denn der Körper ist schon halb weg. Flüchtet genau in die andere Richtung. Nicht mehr in den anderen rein, immer tiefer und tiefer, wie damals, als alles anfing. Sondern raus, als würde der andere Körper ausgeschieden und der eigene wieder geschlossen. Wie in einem Science-Fiction-Film, in dem ein Alien aufgibt, einen menschlichen Körper zu übernehmen.

Es nützt von daher nichts, etwas anderes zu behaupten: Trennungen und Scheidungen sind erst mal mies. Allen Beteiligten tut es weh, mindestens einem von beiden leid. Kinder wünschen sich Zauberstäbe zu Weihnachten, um die Eltern wieder zusammen zu zaubern, und weil sie schon mal dabei sind, gleich noch ein Geschwisterchen dazu. Und als wäre das alles nicht schlimm genug, muss man nach einer Trennung ständig zu Ikea fahren. Dort fließen plötzlich Tränen, ausgerechnet in der Badezimmerabteilung. Sie tropfen auf die Handtücher, die zum Glück »besonders saugfähig« sind. Heimlich schnäuzt man sich in den Waschlappen, lässt ihn unauffällig im Mülleimer zurück. Ein Notfall. Das Äquivalent zum Mundraub.

Der Legende nach ist Liebeskummer schrecklicher, je früher im Leben er stattfindet. Erwachsene Menschen, die sonst eher nicht als Empathiker durchgehen und nicht einmal mit dem jugendlichen Opfer verwandt sind, schauen es wissend an oder zwinkern ihm zu: »Ist es der Erste?« Seufzen. Dechiffriert bedeutet das: Jeder muss da mal durch, der Schnitt durchs Herz vernarbt. Danach wird es nie wieder so schlimm wie mit Leo aus der zwölften Klasse.

In den folgenden Jahren wird diese Hoffnung implodieren wie Leos Wunsch, Fußballprofi zu werden. Denn während auf der einen Seite Träume kleiner werden, wird bei der Realität ordentlich draufgelegt: Eventuell kommen Kinder hinzu, mehr oder weniger erfüllende Berufe, Vereinsmitgliedschaften, Kredite, Besitz von Hunden oder Häusern und andere, nicht in Zahlen messbare Verpflichtungen. Ehe man sichs versieht, hat man eine »Vergangenheit«. Und die ist zwar weniger glamourös, aber ähnlich kompliziert wie die einer Hollywooddiva. Sich anständig zu trennen, während wir zwischen Vergangenheit und Zukunft stehen, ist eine oscarreife Leistung. Wir sind Regisseur, Produzent und Hauptdarsteller, das Drehbuch ist sperrig, und wir auch noch dessen Co-Autor. Meistens wird während der Produktion auch noch das Budget knapp. Und dennoch: Die besten Filme entstehen gerade nicht, wenn alles immer nach Plan läuft.

Geschichten von der Liebe werden aus Gewohnheit lieber vom Anfang her erzählt, und wenn ein Ende darin vorkommt, dann sollte es doch bitte mit dem Attribut happy versehen werden. Doch auch dem Ende wohnt ein Zauber inne. Trennungsgeschichten haben einen unterschätzten Thrill. Ohne sie wüssten wir weniger über die Irrungen und Wirrungen der Liebe und noch weniger über uns selbst. Wir können die eigenen Unzulänglichkeiten nicht mehr übersehen. Wünsche müssen nicht mehr von den Augen des Gegenübers abgelesen werden. Mehr noch: Eine Trennung ist ein Crashkurs in Sachen eigener Strapazierfähigkeit. Es ist zwar anstrengend, aber es bilden sich auch Fähigkeiten heraus, die in einer Zweierbeziehung oft verkümmern.

Bevor hier Missverständnisse aufkommen: Glückliche Paare machen sich nicht nur als Figürchen auf Hochzeitstorten gut. Auch in echt sind sie hübsch anzusehen. Wie sie zu zweit in Restaurants sitzen und...

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