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Schreiben lernen. Methoden des Schriftspracherwerbs im Vergleich

Methoden des Schriftspracherwerbs im Vergleich

AutorAriane Wolfram, Beate Womelsdorf, Julia Becker
VerlagScience Factory
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl246 Seiten
ISBN9783656518983
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Wann sollen Kinder Schreiben lernen? Wie unterstützt man sie dabei optimal? Welche Methode ist am besten geeignet? Diese Fragen stellen sich nicht nur Eltern, sondern auch Kindergärtner und Lehrer. In diesem Buch werden unterschiedliche Methoden des Schriftspracherwerbs vorgestellt. Außerdem setzen sich die Autoren mit dem Einsatz von Computern auseinander und erklären, welchen Einfluss die Bewegungserziehung auf den Schriftspracherwerb haben kann. Aus dem Inhalt: Traditionelles Schreibenlernen, Lesen durch Schreiben, Computer beim Schriftspracherwerb, Lernsoftware, Bewegungserziehung zur Vorbereitung.

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Leseprobe

Computer und Schriftspracherwerb


Ein Projekt mit zukunftsweisenden Ergebnissen

1986 gründete Frau Professor Barbara KOCHAN an der Technischen Universität (TU) Berlin die „Schreibwerkstatt für Kinder“ („SWK“). Ursprünglich war geplant, eine Schreibwerkstatt in einer Berliner Grundschule einzurichten, um in der Unterrichtswirklichkeit ein didaktisch reflektiertes Für und Wider des Schreibwerkzeugs Computer gegenüber dem Schreiben mit der Hand zu erforschen. Doch traf dieses Projekt damals selbst bei Erziehungswissenschaftlern des eigenen Fachbereichs auf Ablehnung und wurde seitens der Schulbehörde nicht genehmigt. Die Motive dafür wurden bereits in der Einleitung genannt. Sie gaben Anlass für die Gründung der „Schreibwerkstatt für Kinder“ in der TU. Dort werden seither Kleingruppen von 5- bis 12jährigen Kindern beim selbstgesteuerten Schreiben mit verschiedenen Werkzeugen (Stifte, Druckerei, Schreibmaschine und Computer) betreut.[74]

Im Jahre 1992 konnte das Projekt um Feldstudien in der Schule erweitert werden. Seit 1993 ist die Grundschulpädagogin Elke SCHRÖTER mit ihrer Durchführung befasst. Die realen pädagogischen Bedingungen des Unterrichts bergen umfangreichere Möglichkeiten, Schreibsituationen noch offener als in der Schreibwerkstatt an der TU Berlin gestalten zu können. Mit der Integration von sechs Grundschulklassen in das Projekt „SWK“ sind jährlich ca. 140 Kinder ab dem Vorschulalter in die Untersuchungen einbezogen.[75]

Die Erfahrungen, die KOCHAN und SCHRÖTER innerhalb des heute unter dem Namen „ComputerLernWerkstatt“ („CLW“) bekannten Projekts sammeln konnten, sprechen eindeutig für den Einsatz des Computers im Unterricht vom ersten Schultag an. Dies jedoch nur dann, wenn dem Unterricht ein didaktisches Konzept zugrunde liegt, das dem Entwurf KOCHANS gleicht, bei dem sich also das Kind als Autor frei entfalten kann. Denn nur in solch einem didaktischen Kontext, der den Kindern eine Schreibumgebung zur Verfügung stellt, die sie zum selbstgesteuerten, entdeckenden Erwerb und Gebrauch der Schriftsprache herausfordert, kommt dem Computer als Schreibwerkzeug Bedeutung zu.[76] Welche Besonderheiten dieses Werkzeug nun ausmachen und was es zu leisten vermag, wenn Kinder es für ihre Schreibhandlungen in Gebrauch nehmen dürfen, soll im folgenden Abschnitt gezeigt werden.

Der Computer als Möglichkeit im Konzept entfaltenden Unterrichts

Im Konzept entfaltenden schriftsprachlichen Anfangsunterrichts werden hauptsächlich folgende Computermerkmale zur Unterstützung des Schreibprozesses genutzt:

- die Tastatur,

- der Drucker,

- die Löschfunktion in Verbindung mit dem Monitor und

- die Internetanbindung.

Zur Tastatur

Allein die Standardtastatur entlastet das Kind sowohl motorisch als auch kognitiv: Da beim Schreiben mit einem Textverarbeitungsprogramm der mühevolle Akt des Malens von Buchstaben mittels Stift o. ä. entfällt, ist die motorische Entlastung eindeutig. Die kognitive Erleichterung besteht darin, dass das Kind die Form des jeweiligen Buchstabens nicht auswendig können und diese somit nicht erst aus dem Gedächtnis hervorholen muss. Die Tastatur liefert nämlich eine Übersicht über alle Buchstaben, und das Kind braucht zunächst nur die Merkmale zu kennen, in denen sie sich unterscheiden.[77] Die geringere physische Beanspruchung erlaubt dem Kind auch quantitativ mehr zu schreiben. Die Länge des Textes hängt nun stärker vom Umfang dessen ab, was das Kind mitteilen will, und nicht mehr so sehr von seinem schreibmotorischen Durchhaltevermögen.[78]

KOCHAN u. a. stellen den Kindern anfangs eine Anlauttastatur zur Verfügung, die ihnen erlaubt, eigene Texte zu schreiben, sobald sie Anlaute isolieren können, aber noch bevor sie die entsprechenden Buchstaben kennen. Damit knüpfen sie, wie die Vertreter des Spracherfahrungsansatzes auch, an REICHENS Idee an, dessen Anlauttabelle in Printform inzwischen weite Verbreitung in den Grundschulen gefunden hat. Dennoch distanzieren sie sich in gewisser Hinsicht von REICHENS didaktischem Gesamtkonzept. Beim Zulassen zunächst noch nicht orthographischen Schreibens, verlangen sie von den Kindern – im Gegensatz zu REICHEN – nämlich nicht einmal phonetisch vollständige Verschriftungen, sondern sie akzeptieren auch noch weniger entfaltete Schreibweisen, u. a. auch solche, die noch gar keine Buchstaben enthalten.[79] Nach REICHENS Konzept müssten die Kinder von Anfang an zu einer vollständigen Lautanalyse fähig sein, was – wie die Stufenmodelle von VALTIN und BRÜGELMANN/ BRINKMANN zeigen – jedoch eine relativ späte Errungenschaft ist. Erst wenn diese Phase erreicht ist, wird der Gebrauch einer Anlauttabelle bzw. einer Anlauttastatur überhaupt sinnvoll.

Der Gebrauch einer auf Papier gedruckten Anlauttabelle erfordert, dass das Kind den gefundenen Buchstaben abzeichnen muss. Bei der Benutzung von KOCHANS Anlauttastatur braucht das Kind lediglich das Bild zum gesuchten Laut aufzufinden[80] und kann somit den dazugehörigen Buchstaben, durch bloße Berührung des Anlautfeldes, auf dem Monitor erzeugen. Dadurch erfährt das Kind die Funktion der Buchstaben beim Schreiben, noch bevor es im Stande ist, diese selber durch entsprechende Schreibbewegung zu formen.[81] Demzufolge kann es sich besser auf die Gedanken konzentrieren, die es mittels der Buchstaben zum Ausdruck bringen will.

Diese Verlegung des Schreibens von Texten vor das Buchstabenlernen ist, nach KOCHAN, ein äußerst wirksamer Anreiz für das Buchstabenlernen. Nach Erfahrungen KOCHANS wollen die Kinder alsbald die richtige Computertastatur benutzen können, da sie rasch begreifen, dass das Schreiben schneller geht, wenn man erst einmal einige, zu bestimmten Lauten benötigte Buchstaben auswendig kennt. Sobald sie dazu imstande sind und noch dazu wissen, wo ungefähr sich manche Buchstaben auf der Standarttastatur befinden, erklären sie die Anlauttastatur zur „Baby-Tastatur“.[82] Der Umstieg wird dadurch unterstützt, dass die Anlauttastatur parallel zur Standardtastatur an den Computer angeschlossen wird, wobei die Anlauttastatur ausschließlich der Buchstabeneingabe dient. Für alle anderen Zeichen und Funktionen, z. B. Leer- und Löschtaste, muss das Kind die Standarttastatur benutzen. So entdeckt es die einzelnen Buchstaben auf der Standardtastatur allmählich nebenbei, ohne irgendein von außen gesetztes Lernziel. Übergangsweise wird für die noch nicht ausreichend bekannten Buchstaben zunächst weiterhin die Anlauttabelle benutzt.[83]

Wie eingangs gezeigt, können derartige Texte, die lautorientiert geschrieben wurden, nicht orthographisch korrekt sein. Lauttreue oder zumindest lautnahe Verschriftungen wie „Himl“ für „Himmel“, „dea“ für „der“, „Kata“ für „Kater“ sowie „Fagelt“ für „Fahrgeld“ und „Boimä“ für „Bäume“ sind aber durchaus schon kommunikationstauglich. Und dies ist genau das, worauf es zunächst ankommt: Die Lernenden sollen auf primärer Ebene die Erfahrung machen, dass Schrift ein Träger von Information ist, die u. a. dem Sichtbarmachen sprachlich formulierter Gedanken dient, damit diese für sich selber fixiert oder anderen eröffnet werden können.[84]

Viele Lehrerinnen befürchten, dass das Tastaturschreiben zur Vernachlässigung des handschriftlichen Schreibens und vor allem zur Geringschätzung der Individualität von Handschrift führe. KOCHAN hat das Gegenteil beobachtet: Das Erlebnis, mit dem Computer auch umfangreichere Texte verfassen, um somit auch komplexere Gedanken schreibend aus dem Kopf nach außen bringen zu können, überträgt das Kind auch auf das Schreiben mit der Hand. Seine Schreibbereitschaft erhöht sich. Es schreibt dadurch auch mit einem Stift lieber und mehr als ein anderes Kind, das diese Erfahrung nicht gemacht hat.[85] Das Kind wählt ganz bewusst schon sehr früh zwischen den verschiedenen Schreibwerkzeugen und strebt damit die Unabhängigkeit von einer Maschine an, um überall schreiben zu können. Ganz generell schätzt es am Tastaturschreiben, dass sein Text letztlich in einem Schriftbild ausgedruckt wird, das gegenüber der eigenen Handschrift nicht kindlich wirkt. Das ist ihm äußerst wichtig, denn viele Kinder machen – KOCHANS Ausführungen nach – leider die Erfahrung, dass ihre Texte ernster genommen werden, wenn sie so aussehen wie diejenigen von Erwachsenen. Dies liegt u. a. daran, dass von Kindern verfasste Texte oftmals zuallererst daraufhin geprüft werden, was alles noch nicht gut oder richtig an ihnen ist. Des Weiteren hat die bessere Lesbarkeit der Computerschrift auch Vorzüge beim Lesen des eigenen Textes, was insbesondere für den noch ungeübten Leser von großem Vorteil ist.[86] Die Handschrift bleibt für das Kind aber trotz gelegentlichen Tastaturschreibens so lange attraktiv, wie sie auch in seinem außerschulischen Umfeld, besonders von den Erwachsenen praktiziert und geschätzt wird. Bei etwa ein bis drei Computern pro Klassenraum ist routinemäßiges Tastaturschreiben ohnehin nicht möglich.[87]

Zum Drucker

Der Drucker animiert das Kind, seine Texte zu veröffentlichen. Durch ihn erhält es die Möglichkeit, sich mit mehreren Exemplaren an mehrere Leser – sowohl in- als auch...

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