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E-Book

Schulsportentwicklung

Sportpädagogische Perspektiven im schulischen Innovationsprozess

AutorEsther Serwe
VerlagMeyer & Meyer
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl338 Seiten
ISBN9783840307980
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis18,99 EUR
Das zentrale Forschungsinteresse dieser Arbeit ist gerichtet auf die hermeneutische Aufarbeitung des aktuellen Diskurses um 'Schulentwicklung', ihre gesellschaftlich-politischen Hintergründe, ihre Reformstrategien und ihre Konsequenzen. Aus einer (sport-)pädagogischen Perspektive wird untersucht, wie diese Modernisierungsprozesse innerhalb des Bildungswesens für die spezifische Situation des Fachs Sport einzuschätzen sind. Die 'Schulsportentwicklung' als junges Forschungsfeld wird hinsichtlich ihres Standortes zur Schulentwicklung differenzierter betrachtet. In theoretisch-konstruktiver Herangehensweise werden einzelne 'weiße Flecken' der Schulsportentwicklungsforschung aufgezeigt und erste Ansätze zur weiteren Bearbeitung skizziert.Diese Forschungsarbeit soll neuartige Zugänge fachwissenschaftlicher Forschungsarbeiten zur Schulsportentwicklung bieten.

Esther Serwe studierte Sport, Mathematik und Germanistik an der Universität Dortmund, ist seit Dez. 2005 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Dortmund, sie lehrt und forscht im Rahmen des Arbeitsbereichs: 'Sportpädagogik?: Erziehung und Bildung sowie des Arbeitsbereichs: 'Sportsoziologie?: Kultur und Gesellschaft. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Schulische Entwicklungsarbeit, Schulqualitätsforschung und Schulsportentwicklung, seit Feb. 2010 ist sie akademische Rätin auf Zeit am Institut für Sport und Sportwissenschaft der Technischen Universität Dortmund.

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Leseprobe

Teil I


Deskriptiv-analytischer Zugang zur Schul- und Schulsportentwicklung


2 Schulentwicklung im Zuge gesellschaftlichen Wandels


Auf der Suche nach konstitutiven Eigenschaften schulischer Entwicklung stößt man unweigerlich auf eine bereits dem Begriff „Schulentwicklung“ inhärente Prozesshaftigkeit. Sie verweist zunächst auf grundsätzliche Veränderungsmomente der Institution Schule im zeitgeschichtlichen Verlauf. Ohne die Intentionen oder Weisen schulischer Entwicklung genau zu kennen, geht es doch ganz allgemein um eines: Der schulische Status quo wird zu einem Status quo ante erhoben, indem eine Abwendung vom Bestehenden und eine Hinwendung zum Werdenden vorgenommen wird. Vielfach wird „Entwicklung“ dabei normativ gleichgesetzt mit „Verbesserung“, mit einem konstruktiven Voranschreiten zu einer Höherwertigkeit im Vergleich zu dem bisher Dagewesenen (Seitz, 2008, S. 22).1 Schulentwicklung bedeutet somit weit mehr als die reine Historizität von Schule. Gleichwohl ist das geschichtliche Gewordensein hierin stets vorhanden und für den Wandel im Bildungswesen von großer Relevanz.

Als Terminus der Schulpädagogik wird Schulentwicklung als ein intentionaler und systematisch geplanter Prozess begriffen, der über das, was man als „naturwüchsige“ Entwicklungsprozesse im Kontext sich verändernder Umweltbedingungen verstehen würde, hinausreicht (Holtappels & Rolff, 2004, S. 65). Indes muss man – so Bätz (2007, S. 9) – „Obacht geben, dass man nicht durcheinander kommt“. Denn die systemischen Gründe und Wirkungszusammenhänge der Schulentwicklung konstituieren sich in Prozessen, die sowohl herstellendes Erzeugen als auch nicht-intentionalen Hergang umgreifen (Bätz, 2004, S. 4ff.). So kann die Begründung für schulische Neuerungen mit der Geschichte dialektisch erfolgen. Das heißt, dass es immer auch Vorgänge aufzuzeigen gibt, die „außerhalb“ von Intentionalität – qua natura – mit eigensinniger Dynamik ablaufen, womit ein spezifisches Verhältnis von Development und kulturalistischer Evolution anzunehmen ist.

Der differenzierte Blick auf gesellschaftliche Regelmechanismen und deren Auflösungs-, Veränderungs- und Herstellungsprozesse innerhalb des sozialen Wandels zeigt nicht nur, dass Institutionen wie das Bildungssystem einen zentralen Ort gesellschaftlicher Manifestation und Modifikation darstellen. Er eröffnet zugleich auch Erklärungsansätze für spezifische Entwicklungsintentionen auf Grund politischer Bedarfe. Denn Schule hat die Aufgabe, zeitgeschichtlich relevante, historisch geronnene und bildungsbedeutsame Wissensstrukturen und Kompetenzen zur Erziehung der nachfolgenden Generation zu vermitteln (Seitz, 2008, S. 21). So wird plausibel, dass in der Geschichte des Bildungswesens immer wieder der Zusammenhang zwischen charakteristischen Zeitumbrüchen, sprich Modalitäten und Dynamiken gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen, und intensivierten Anstößen zur Schulreform anzutreffen ist (Aurin, 2000, S. 45). In der Konsequenz entsteht ein Handlungs- und Veränderungsdruck auf das Bildungswesen, der die Suche nach adäquaten Antworten auf gesellschaftlich neue Fragen einfordert. Diese Antworten werden dabei auf einer übergeordneten Verantwortungsebene der Bildungspolitik entwickelt. Schulentwicklung kann somit im Spiegel einer Welt vorhandener und zukünftiger Artefakte als Planungs- und Regulierungsprozess verstanden werden, der – mit Marquard gesprochen – vom Fatum zum Faktum, vom Schicksal zum „Machsal“ (Marquard, 1984, S. 67) führt (oder führen soll). Im Bemühen, ein zukunfts- oder mindestens gegenwartsfähiges Schulsystem zu realisieren, wird dem Schicksal durch Reformen „nachgeholfen“. Sie dienen als „eine Art Ersatz für Evolution, die durch die administrative Zentralisierung des Systems und durch die politische Verantwortlichkeit seiner Spitze praktisch ausgeschlossen wird“ (Luhmann, 2002, S. 166). Schulische „Entwicklungsarbeit“ operiert dabei immer im Terrain zwischen zwei Grenzen, die sich notwendig ergänzen und bedingen: dem Verändern und dem Bewahren. Allerdings wird „Altes“ in einer modernen und dynamischen Welt immer schneller zum Überholten.2 Schulische Qualitätsentwicklung erfordert somit eine Steigerung der Aktions- und Lerngeschwindigkeit sowie der Flexibilität des Systems; und das, obwohl auch klar ist, dass permanente Zeit- und Rastlosigkeit eine nachhaltige Implementierung, Etablierung und auch Reflexion von Neuerungen – gelinde gesagt – erschwert. Das Bewegen in derartigen Spannungsfeldern kann wohl auch als konstitutives Element schulischer Veränderung angesehen werden. Wie Schulentwicklung letztlich initiiert wird, wie sie funktioniert und wiederum modifiziert wird, hängt dabei maßgeblich von den beteiligten Instanzen ab. Die Schulpolitik als Steuerungsinstanz, die Schulpraxis als Realisierungsinstanz und die Schulforschung als Reflexionsinstanz tragen für die Qualität hierbei eine besondere Rolle. Ihre Aktivitäten, ihre eigenen Geschichten und ihr Verhältnis zueinander bestimmen im Grundsatz das Gefüge schulischer Entwicklung, das es in einem ersten Schritt (Kap. 2.1) zu skizzieren gilt.

Weil dieses Gefüge in sich nicht statisch, sondern dynamisch ist, richtet sich der Blick anschließend auf die „Entwicklung der Schulentwicklung“. Was in Schule verändert werden soll, warum und wie dies zu geschehen hat, sind Fragen, die je nach zeitgeschichtlicher Lage unterschiedliche Beantwortung finden. Da die in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen immer eine Hinterbühne bilden, von wo aus die entwicklungshistorische Soziogenese der aktuellen Qualitätsentwicklung im Bildungswesen nachvollziehbar wird, ist der Blick zurück (Kap. 2.2) relevant für eine differenzierte Untersuchung aktueller Modernisierungsprozesse innerhalb des Systems (Kap. 2.3).

2.1 Das Gefüge schulischer Veränderung – ein Zusammenspiel von Politik, Wissenschaft und Schulpraxis


Versucht man, ein derartig komplexes Unternehmen wie die Schulentwicklung zu analysieren, so bewegt man sich automatisch „zwischen den Welten“ schulpolitischer, wissenschaftlicher und schulpraktischer Veränderungen. Trotz aller Verwobenheiten kann man hierin relativ klar voneinander unterscheidbare, konstitutive Handlungs- und Verantwortungsbereiche schulischer Veränderung ausmachen, die wiederum in ein Verhältnis vielgestaltiger Wechselwirkungen und Abhängigkeiten treten. Fend (2008, S. 15f.), der sich intensiv mit dem Bildungswesen, seinen unterschiedlichen „Akteuren“ und dem „gestalterischen Interpretationsspielraum“ ihres Agierens auseinandergesetzt hat, verdeutlicht diese Interaktionen mit der Metapher eines Musikstücks. Allerdings ist dieses „Zusammenspiel“, wie Kussau und Brüsemeister (2007a) betonen, aus der Perspektive der „Educational Governance“3 nicht gleichzeitig harmonisierend zu verstehen. Das Handeln dieser „Akteure“ kann durchaus „unverbunden nebeneinander herlaufen […] oder auch konflikthaft gegeneinander gerichtet“ sein (ebd., S. 25). Denn die Schulpraxis, die Bildungspolitik und die Wissenschaft folgen – mit ihren Expertisen – je unterschiedlichen Handlungslogiken, Funktionszusammenhängen, Interessen und Veränderungsdynamiken. In ihrem Zusammenwirken, Wechselwirken und Gegeneinanderwirken werden strukturelle Effekte erzeugt, die im negativen Fall keiner geplant, gezielt verfolgt oder nur gewollt hat. Governance ist hierbei nicht als Theorie, sondern als ein Oberbegriff zu verstehen, der das Augenmerk analytisch auf Formen und Muster der Interdependenzbewältigung richtet (Benz, Lütz, Schimank & Simonis, 2007, S. 13ff.). Für die Schulentwicklung werden hiermit sensible Fragen nach Steuerbarkeit, Widerständigkeit und Eigensinnigkeit verschiedener Institutionen und Teilsysteme aufgeworfen. Begriffe zu finden, die dieses vielschichtige, ambivalente und sicherlich auch paradoxe Zusammenwirken im Kontext der Schulentwicklung sinnfällig fassen könnten, scheint problematisch zu sein. Mir scheint der Begriff des „Zusammenspiels“ oder vielmehr des „Spiels“ – gerade auf Grund seiner Vagheit – durchaus interessant, um die Strukturen und die mehr oder weniger koordinierten Strategien und „Spielzüge“ innerhalb der Schulentwicklung zu begreifen.4

Für derartige Analysen ist es, so Esslinger-Hinz (2006, S. 13), nicht unbedingt hilfreich, das Gegenstandsfeld durch theoretische Strukturierungen und Kategorien fein säuberlich auseinanderzuziselieren, sondern die Verhältnisse zwischen den systemischen Handlungs- und Einflussstrukturen transparenter zu machen.

2.1.1 Wissenschaft und Politik der Schulentwicklung


Dem speziellen Verhältnis von Erziehungswissenschaft und Bildungspolitik widmet sich Fend bereits 1982 in dem Buch Schule zwischen Recht, Politik und Planung (Brockmeyer & Hamacher, 1982) mit einem Beitrag, der, laut Titel, von „Geschichten unglücklicher Liebschaften“ berichtet. Dies kann nicht überraschen, wenn man erwägt, wie unterschiedlich nicht nur strukturelle Gegebenheiten, sondern auch die jeweiligen Belohnungslogiken von Politik und Wissenschaft sind. Während Wissenschaft als „institutionalisierte Skepsis“ (Fend, 1982a, S. 140) der Wahrheitssuche folgt, orientiert sich die politische Gestaltung institutioneller Rahmenbedingungen an der zentralen Maxime der Machbarkeit. Das heißt, Probleme in gegebenen sozialen und finanziellen Kontexten müssen, wenn sie politische Bearbeitung finden sollen, lösbar erscheinen. Dabei kann die Metapher der Lösbarkeit zwar durchaus, wie Oelkers (2005, S. 2) betont, mit Forschungsbefunden präzisiert werden....

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