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E-Book

Schwierige Patienten

AutorHans-Wolfgang Hoefert, Martin Härter (Hrsg.)
VerlagHogrefe AG
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl352 Seiten
ISBN9783456951218
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
Wenn die Arzt-Patient-Beziehung schwierig wird
10 bis 20 % aller Patienten gelten bei Ärzten als «schwierig», und dies aus unterschiedlichen Gründen:
Patienten mit einer hohen Inanspruchnahme des Gesundheitssystems, die häufig den Arzt oder Therapeuten wechseln
Patienten, die den Arzt durch ihre unklare Symptomlage verunsichern
Patienten, deren Lebenslage, Alter, kultureller Hintergrund usw. von denen des Arztes abweicht
Patienten, deren Persönlichkeit die Arzt-Patient-Beziehung belastet
Patienten, die auf Grund eines anderen Krankheitsverständnisses mit dem Arzt um die richtige Interpretation ihrer Krankheit oder die angemessene Therapie ringen.
Manchmal jedoch entstehen Schwierigkeiten aus der Arzt-Patient-Interaktion selbst, etwa dann, wenn wechselseitige Erwartungen nicht erfüllt oder soziale Regeln verletzt werden. Auch Ärzte selbst können «schwierig» sein, so zum Beispiel aufgrund hoher Arbeitsbelastung oder eigener Voreinstellungen. Dieses Buch beschränkt sich aber nicht allein auf die Analyse von Schwierigkeiten in der therapeutischen Begegnung, sondern versucht darüber hinaus, konkrete Handlungshilfen für den Umgang mit «schwierigen» Patienten anzubieten.

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Kapitelübersicht
  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Vorwort: Schwierige Patienten und schwierige Begegnungen mit Patienten. Hans-Wolfgang Hoefert und Martin Härter
  3. 1. Herausforderungen in der Arzt-Patient-Interaktion
  4. 2. Schwierige Patienten in ausgewählten medizinischen Fachrichtungen
  5. 3. Schwierige Patienten in der Psychotherapie
  6. 4. Spezielle Patientengruppen
  7. 5. Interventionsansätze zur Verbesserung der Arzt-Patient-Interaktion
  8. Autorinnen und Autoren
Leseprobe
Patienten mit nicht hinreichend erklärbaren Körperbeschwerden
Astrid Sonntag

Einleitung

Die Gründe für organisch nicht hinreichend erklärbare Körperbeschwerden können vielfältig sein. Denkbar wäre eine rein psychische oder soziale Bedingtheit der Körperbeschwerden (zum Beispiel eine Persönlichkeitsstörung oder die simple Suche nach Zuwendung und Aufmerksamkeit), ein mitwirkender Einfluss psychosozialer Ursachen oder auch eine tatsächlich nicht entdeckte körperliche Ursache. Diese Bandbreite der Möglichkeiten bringt es mit sich, dass sich Patient und Arzt gedanklich an ganz unterschiedlichen Punkten dieses Kontinuums befinden und sich häufig nicht auf eine gemeinsame Sichtweise des Problems einigen können. In dieser Situation werden beide Seiten enttäuscht; jeder möchte gern, dass der andere doch sein Konzept über die Beschwerden übernehmen möge. Der Patient, welcher dem möglicherweise angemessenen Konzept des Arztes nicht erwartungsgemäß folgt, hinterlässt einen ansprüchlichen, unkooperativen und schwierigen Eindruck. Der Arzt, der es ablehnt, dem Krankheitskonzept des Patienten weiter nachzugehen, wird als inkompetent und uneinfühlsam bezeichnet. Naheliegenderweise wird dann ein nächster Arzt konsultiert oder der gleiche Arzt wiederholt mit neuen Darstellungen körperlicher Beschwerden konfrontiert. Patienten mit unklaren Körperbeschwerden nehmen das Gesundheitssystem vielfältig und kostenintensiv in Anspruch. Der Umgang mit ihnen erscheint als „nervig“ und „schwierig“. Im vorliegenden Kapitel wird überwiegend auf die Thematik der Mitbeteiligung psychischer und sozialer Gründe an unklaren Körperbeschwerden Bezug genommen. Dabei ist der Übergang von „psychischer Mitbeteiligung“ und dem Vorliegen psychiatrischer Auffälligkeiten bei Patienten fließend.

1. Begriffe

Körperliche Symptombilder, für die maßgeblich eine psychische Ursache, weniger oder gar nicht aber eine somatische Ursache vermutet wird, werden nicht einheitlich bezeichnet. Häufig verwendet werden die Begriffe „funktionelle“ oder „somatoforme“ Körperbeschwerden bzw. Störungen, wobei der Begriff „funktionelle Störung“ in der Praxis mehr akzeptiert zu sein scheint und häufig auch auf ein spezielles Organsystem bezogen wird (z.B. Reizdarmsyndrom oder Spannungskopfschmerz). „Somatoform“ bedeutet, dass der Patient eine körperliche Ursache für seine Symptome vermutet, diese aber nicht oder noch nicht nachweisbar ist. Bei der Wahl der Begriffe steht immer vor allem die Frage nach der organischen Erklärbarkeit der Beschwerden im Vordergrund, eine Frage, welche zumeist nicht vollständig aufklärbar ist. Einer solchen Diagnose ist daher eine gewisse Trostlosigkeit immanent. Dies hat zur Folge, dass schon allein die Begriffsverwendung Frustration auslöst. Man kann es daher als gesunden Impuls betrachten, eine derartige Diagnose (und damit allerdings auch psychische Ursachen) von sich zu weisen. Wer möchte schon etwas haben, bei dem man am Ende immer ratlos zurückbleibt.

Hauptcharakteristikum somatoformer Störungen ist die Darbietung körperlicher Symptome, die nicht adäquat auf der körperlichen Ebene begründet werden können. Es kann sich dabei um Körperbeschwerden handeln, für die überhaupt kein organisches Korrelat diagnostizierbar ist, oder auch um Körperbeschwerden, die nur unzureichend mit organischen Befunden erklärt werden können, wobei letzteres der häufigere Fall ist, da die technischen Methoden der Diagnostik gerade im Bereich bildgebender Verfahren und der genetischen Diagnostik sehr große Fortschritte genommen haben. Wiederum würde auch ein pathologischer Organbefund nicht sogleich das Vorhandensein einer psychischen Thematik bzw. einer funktionellen Störung ausschließen. Denn häufig bedingen und verstärken sich organische und somatoforme Störungen wechselseitig.

Entsprechend der Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV liegt eine somatoforme Störung vor, wenn eine oder mehrere Körperbeschwerden, für die kein hinreichendes organpathologisches Korrelat gefunden wird, über mindestens ein halbes Jahr andauern und zu einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit im Alltag führen (Dilling et al. 2011; Saß et al. 2011). Die Terminologie und die Kriterien der somatoformen Störung und ihrer Subkategorien sind umstritten und werden auch aktuell weiterentwickelt. In der Praxis findet dies Ausdruck in den sehr verschiedenen Klassifikationen der Patienten, die möglicherweise auch stark mit den Spezialisierungen der Ärzte und deren Erklärungsmodellen für das Beschwerdebild assoziiert sind.

Patienten mit einer somatoformen Störung sind überwiegend gegen eine psychische Erklärungsursache eingenommen und suchen wiederholt die Aufmerksamkeit des Arztes, häufig indem sie hartnäckig weitere medizinische Untersuchungen einfordern. Als wichtige Kriterien werden also eine längere Dauer der Beschwerden, die subjektive Beeinträchtigung des Befindens und eine spezifische subjektive Interpretation der Symptomatik durch den Patienten angesehen.

Der Begriff „Somatisieren“ beschreibt schlicht den vermehrten Ausdruck körperlicher Beschwerden. Historisch wurde der Begriff „Somatisierung“ aber benutzt, um die Ausbildung körperlicher Symptome bei unverarbeiteten psychischen Konflikten, quasi im Sinne eines Abwehrmechanismus zu bezeichnen. Diese ausschließliche Reduzierung unklarer körperlicher Beschwerden auf psychogene Ursachen ist nicht mehr aktuell und würde eher auf das eine Ende des Kontinuums abheben, an dem ausschließlich psychische Ursachen beim Patienten für die Körperbeschwerden angenommen werden.

Relevant in diesem Zusammenhang sind die Begriffe der „Konversionsstörung“ oder „dissoziativen Störung“, die sich auch im DSM-IV finden. Hier betreffen die Körperbeschwerden eine zeitweise fehlende Kontrolle der Willkürmotorik oder der Körperbewegungen, wie beispielsweise bei einer psychogenen Lähmung oder Gehstörung. Auch dabei lässt sich schwer feststellen, ob und in welchem Umfang der Funktionsverlust willkürlich vom Patienten kontrolliert werden kann. Der symbolische Gehalt des Funktionsverlustes im Sinne eines Konfliktausdruckes ist oftmals sehr offensichtlich und bei den Behandelnden entsteht der Eindruck, dass die psychische Verursachung quasi „auf der Hand liegt“. Gleichzeitig weisen die Patienten aber äußerst deutlich diese Vermutung von sich. Der Begriff „dissoziative Störung“ soll ausdrücken, dass es zu einer Aufspaltung des Erlebens bei den Patienten kommt und eben keine Verbindung der Körperbeschwerde mit dem psychischen Thema gesehen werden kann. Häufig besteht ein Zusammenhang zu traumatisierenden Erlebnissen oder unerträglichen Konflikten. Es wird angenommen, dass sich der Patient mit Hilfe der Dissoziation vor der Schwere der psychischen Belastung schützt und zunächst die Körperbeschwerden für ihn erträglicher erscheinen. Historisch betrachtet wurde diese Symptomatik unter dem Begriff „Hysterie“ zusammengefasst. Da der Begriff häufig „Hysterie“ inkorrekt und populärwissenschaftlich nicht beschreibend, sondern auch abwertend verwendet wird, versucht man von der fachlichen Verwendung des Begriffes Abstand zu nehmen. Differenzialdiagnostisch abzugrenzen sind vorrangig somatische Erkrankungen und somatische Aspekte im Kontext anderer psychischer Erkrankungen (Angst, Depression). Es besteht zudem eine hohe Komorbidität zwischen somatoformen Erkrankungen, Angststörungen und depressiven Syndromen (Fink et al. 2002).
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis6
Vorwort: Schwierige Patienten und schwierige Begegnungen mit Patienten. Hans-Wolfgang Hoefert und Martin Härter8
1. Herausforderungen in der Arzt-Patient-Interaktion18
Patienten mit nicht hinreichend erklärbaren Körperbeschwerden. Astrid Sonntag20
Divergenz von „Krankheitstheorien“ zwischen Arzt und Patient. Hans-Wolfgang Hoefert30
Narzisstische Patienten. Christoph Klotter48
Der internetinformierte Patient – ein schwieriger Patient für das Gesundheitswesen. Christiane Eichenberg und Demetris Malberg60
Patienten mit Präferenz für die komplementär-alternative Medizin. Hans-Wolfgang Hoefert84
2. Schwierige Patienten in ausgewählten medizinischen Fachrichtungen104
Schwierige Patienten in der Gastroenterologie. Hans-Wolfgang Hoefert106
Schwierige Patientinnen in der Gynäkologie. Hans-Wolfgang Hoefert und Bernhard Uehleke130
Schwierige psychisch erkrankte Patienten in Klinik und Praxis. Martin Lambert150
Der „schwierige“ Patient in der Zahnmedizin. Daniel R. Reißmann und Guido Heydecke168
„Schwierige“ Patienten aus Sicht der Pflege. Almut Hartenstein-Pinter186
3. Schwierige Patienten in der Psychotherapie202
Interaktionsschwierigkeiten im Therapieprozess bei Klienten mit narzisstischer und histrionischer Persönlichkeitsstörung. Rainer Sachse und Jana Fasbender204
Patienten mit Krankheitsängsten und Hypochondrie. Michael Witthöft und Maria Gropalis216
Patienten mit Suchtproblemen. Ingo Schäfer, Nena Kerkow und Martina Stubenvoll232
4. Spezielle Patientengruppen242
Patienten mit anderem kulturellen Hintergrund. Isaac Bermejo, Fabian Frank und Lars P. Hölzel244
Adipöse Patienten. Christoph Klotter260
Patienten mit demenziellen Erkrankungen im Krankenhaus. Klaus Wingenfeld und Thomas Kleina274
Alte und demente Patienten in der ambulanten Versorgung. Eva Maria Neumann284
5. Interventionsansätze zur Verbesserung der Arzt-Patient-Interaktion298
Schwierige Ärzte. Harald Jurkat300
Reflexionen über „schwierige“ Patienten am Beispiel der Balint-Gruppe. Matthias Elzer312
Training kommunikativer Kompetenzen im Umgang mit schwierigen Patienten. André Karger326
Partizipative Entscheidungsfindung mit Patienten. Miriam Körner und Linda Zimmermann338
Autorinnen und Autoren350

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