Kapitel 2
Profi-Fotos mit nur einem Blitz
Rezepte für tolle Ergebnisse bei einfachem Setup
Mein Freund, der niederländische Mode- und Glamour-Fotograf Frank Doorhof, hat zu Blitzen eine ganz besondere Einstellung. Er sagt: »Wenn du glaubst, du brauchst zwei Blitze, nimm einen. Wenn du denkst, du brauchst drei Blitze, nimm einen. Und falls du glaubst, du brauchst vier Blitze, warum liest du dann ein Kapitel über Fotos mit einem Blitz?« Okay, der letzte Satz stammt vielleicht nicht von ihm, aber ich spreche kein Niederländisch, also kann ich das nicht sicher sagen. Aber darum geht es hier auch nicht. Worum es vielmehr geht, ist, dass Frank Doorhof mit einem gefälschten Pass unterwegs ist, und wenn Sie das lesen, sitzt er vermutlich ermattet in einem Schweizer Knast und schaut dem Stundenzeiger seiner Uhr beim Vorrücken zu. Ich weiß, diese Story hat ein paar Löcher und klingt komisch, aber was macht das schon? (Nun kommen Sie schon, für so viele Querverbindungen zur Schweiz in nur zwei kurzen Sätzen habe ich mir echt ein paar Bonuspunkte verdient. Schweizer Uhr? Löcher im Schweizer Käse? Gefälschter Pass wie in gefälschter Pass? Ermattet wie in Matterhorn? Das ist schon irgendwie ein Rekord, oder?) Frank hat jedenfalls recht: Sie können mit nur einem Blitz so viel anstellen, dass Sie eigentlich keine zusätzlichen brauchen. (Es sei denn, Sie wollen auch das nächste Kapitel lesen, was sich lohnen könnte, falls Sie nicht in der Schweiz leben. Dort wurde es nämlich wegen der Einzel-Blitz-Neutralität auf den Index gesetzt und ist seit WWII [Wayne’s World 2] verboten.) Jedenfalls können Sie Ihre Geldanlagen darauf verwetten, dass es jetzt losgeht. (UBS, noch zwei Bonuspunkte!)
Außenaufnahmen mit einem Blitz
Hinter den Kulissen: Wir befinden uns hier an der Einfahrt zu einem Parkhaus, hinter uns ist ein Teil der städtischen Skyline zu sehen. Es ist später Nachmittag. Wir arbeiten mit nur einem Blitz mit einer kleinen Softbox, denn es geht um ein Kopfbild (genau genommen Kopf und Schultern). Eine riesige Softbox wäre also übertrieben. Wir hatten ein kleines Battery Pack dabei, mussten also im Parkhaus nicht erst nach einer Steckdose suchen. Wir hatten uns dort bereits am Tag zuvor umgesehen, um beim Shooting nicht erst nach einem guten Hintergrund Ausschau halten zu müssen. Dabei war uns keine leicht zugängliche Steckdose aufgefallen.
Kameraeinstellungen: Das Objektiv ist ein 70–200 mm f/2.8. Ich habe nah eingezoomt, dadurch wird der Hintergrund unscharf, und meine Blende steht bei f/6.2. Um den Hintergrund noch unschärfer zu machen, hätte ich die Blende auch auf f/4 oder f/2.8 verringern können, mit einem ISO-Wert von 400 wäre das leicht möglich gewesen. Warum ich es dann nicht getan habe? Ich habe einfach nicht darüber nachgedacht – ich hatte mich mit dem Licht beschäftigt, also übersah ich die Chance auf einen besseren Hintergrund. Kommt vor. Ich konnte es etwas herausreißen, indem ich meine Belichtungszeit von der normalen 1/125 s auf 1/100 erhöhte und so etwas mehr Licht hinter mein Model ließ. (Eine längere Belichtungszeit lässt mehr natürliches Licht ins Bild.)
Vorüberlegungen: Ich wollte, dass die Umgebung dunkler wirkte, als sie war, damit das Porträt dramatischer aussieht. Darüber hinaus wollen Sie Ihr Model bei solchen Aufnahmen nur mit einem Blitz beleuchten, nicht mit dem Umgebungslicht – das erhellt nämlich den Hintergrund. Die Aufnahme entstand eine Stunde vor Sonnenuntergang, der Himmel ist also noch ziemlich hell. Wenn Sie vor Ort mit einem Blitz arbeiten, halten Sie sich an einen Drei-Stufen-Prozess: (1) Stellen Sie das Model mit dem Rücken zur untergehenden Sonne. (2) Beginnen Sie mit einer Belichtungszeit von 1/125 s (damit der Blitz mit der Kamera synchron bleibt), und verringern Sie die Blendenzahl, bis sich die Anzeige im Sucher (entweder unten oder seitlich) zur Mitte bewegt. So wissen Sie, dass die Belichtung stimmt (das Bild also weder unter- noch überbelichtet ist). Sobald Sie die richtige Belichtung haben (hier f/2.8), erhöhen Sie die Blendenzahl um eine oder zwei Stufen. Halten Sie sich nicht unbedingt an diese Zahlen, sondern dunkeln Sie das Bild über eine Erhöhung der Blendenstufen so weit ab, bis Ihr Model als Silhouette erscheint. Hier ging ich von f/2.8 auf f/6.2 (2-1/4 Stufen), ihr Gesicht war in der Aufnahme kaum zu erkennen. (3) Schalten Sie schließlich den Blitz ein (bei sehr geringer Leistung). Ist der Blitz zu hell, verringern Sie einfach seine Leistung, bis eine schöne Mischung aus Blitz und Umgebungslicht entsteht.
Nachbearbeitung: Hier gibt es nicht viel zu tun, außer der üblichen Porträtretusche: kleine Unreinheiten, Punkte und Fusseln auf dem Pulli entfernen und die bereits vorhandenen Reflexe im Haar mit dem Korrekturpinsel in Lightroom verstärken (oder in Camera Raw).
Dramatisches Porträtlicht
Hinter den Kulissen: Viel einfacher als hier geht Blitzen nicht: ein Blitz im Beauty Dish. Das ist ein Blitz in einer kleinen, runden Schüssel. Das Licht wird von dort aus zum Model reflektiert und wirkt richtig schön und knackig. Stellen Sie diesen Aufbau direkt vor Ihr Model, etwas über Kopfhöhe, und richten Sie den Blitz im Winkel von 45° auf das Gesicht (zuweilen auch etwas steiler). Hier habe ich einen Mann fotografiert, darum verzichtete ich auf den Diffusorüberzug (den verwende ich nur für Porträts von Damen, Kindern, Bräuten etc.). Um den Lichtstrahl etwas enger zu fokussieren, befestigte ich ein Metallgitter vorn auf dem Beauty Dish (Sie sehen die schwarzen Klettstreifen).
Kameraeinstellungen: Hier handelt es sich um meine absolute Standard-Studioeinstellung. Wie aus dem Lehrbuch für meinen Fotostil: Mein Allround-Objektiv (70–200 mm f/2.8) bei idealer Studioblende (f/11), mein niedrigster und sauberster ISO-Wert (100 ISO) und meine Standard-Belichtungszeit (1/125 s).
Vorüberlegungen: Mir gefallen an diesem Look seine Einfachheit und Dramatik. Ich beleuchte gern mit einem deutlichen Lichtabfall: Das Gesicht ist am hellsten, die Brust ist bereits etwas dunkler, und an den Armen fällt das Licht gegen Schwarz ab. Ich musste die Blitzposition etwas korrigieren, um den kahlen Kopf nicht überzubelichten – darum neigte ich den Blitz etwas stärker als gewöhnlich nach vorn. Auf dem Produktionsfoto links sehen Sie, dass wir mit einem weißen Hintergrund arbeiten; hier ist der Hintergrund hingegen schwarz. Wie kommt das? Der Blitz ist im Grunde direkt auf den Boden gerichtet, die weiße Wand steht aber 3 m oder weiter hinter dem Model. Das Licht vom Blitz schafft es also nicht bis zum weißen Hintergrund. Damit wird dieser komplett schwarz. Auf jeden Fall sollten Sie darauf achten, dass die Augenhöhlen nicht schwarz werden, weil das Blitzlicht von oben kommt. Falls das passiert, bitten Sie Ihr Model, den Kopf leicht anzuheben, um etwas Licht an die Augen zu lassen.
Nachbearbeitung: Wenn ich Männer fotografiere, führe ich meist zwei Korrekturen an der Haut aus: (1) Ich füge mit dem KLARHEIT-Regler im ENTWICKELN-Modul von Lightroom (oder Camera Raw) etwas Klarheit hinzu und akzentuiere so die Struktur von Haut und Kleidung. (2) Ich reduziere die Farbsättigung der Haut ein wenig, um ihr einen modernen Look zu geben. Dazu verwenden Sie entweder den SÄTTIGUNG-Regler im GRUNDEINSTELLUNGEN-Bedienfeld oder aktivieren das Bedienfeld FARBTON/SÄTTIGUNG und verringern dort die Sättigung für die Rottöne.
Mode-Beleuchtung
Hinter den Kulissen: Ich fotografiere hier vor Ort im Metropolitan Building in Long Island City, gleich hinter der Brücke nach New York City. Während das eigentliche Shooting in einem anderen Teil des Gebäudes stattfand, richtete ich nahe der Maske, wo Haar, Make-up und Styling gerichtet wurden, ein kleines Studio ein, um vor einem einfarbig grauen Hintergrund fotografieren zu können. Im Grunde handelt es sich dabei lediglich um eine Rolle grauen Papierhintergrunds, die von zwei Lichtstativen mit Querstange getragen wird. Wir verwenden eine große Softbox – hier eine Elinchrom Midi Octa (130 cm, ca. 350 €) – mit unserem Blitz. Die Softbox ist für Ganzkörperporträts groß genug. Ich stellte sie so weit vom Model entfernt auf, dass ich es von Kopf bis Fuß gleichmäßig ausleuchte. Zwar stehe ich hier für ein paar Nahaufnahmen vor dem Model, für die richtige Perspektive für Ganzkörperfotos sitze ich jedoch im Schneidersitz auf dem Boden.
Kameraeinstellungen: Ich wollte alles im Bild scharf haben, darum arbeitete ich mit einer höheren Blendenzahl (meist zwischen f/8 und f/11). Für diese Studioaufnahmen gilt dieselbe Grundidee: Ich nehme den niedrigsten ISO-Wert (bei der hier verwendeten Kamera war das ISO 200) und meine Standard-Belichtungszeit von 1/125 s. Wieder arbeitete ich mit meinem treuen 70–200-mm-Objektiv. Hier musste ich jedoch für das...