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Seiltanz

Im Auf und Ab des Lebens

AutorKurt Diemberger
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl336 Seiten
ISBN9783492972468
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Er ist der einzige lebende Erstbesteiger von zwei Achttausendern, der letzte Berggefährte von Hermann Buhl, der »Kameramann der Achttausender« und bildete mit Julie Tullis das »höchste Filmteam der Welt«. Wer die spannenden, vergnügten und dramatischen Geschichten seines Lebens liest, versteht, warum Kurt Diemberger noch immer für das Abenteuer lebt.

Kurt Diemberger, geboren 1932 in Villach, arbeitete als Lehrer und ließ sich als Bergführer ausbilden, ehe er zu filmen begann. Er ist Erstbesteiger von zwei Achttausendern (Broad Peak, Dhaulagiri), gilt als »Kameramann der Achttausender« und lebt heute in Bologna und Salzburg. Seine Bücher, darunter »Aufbruch ins Ungewisse«, wurden vielfach ausgezeichnet, seine Filme preisgekrönt. Zuletzt hat er die Neuausgabe des Buches »Achttausend drüber und drunter« von Hermann Buhl betreut und »Seiltanz« veröffentlicht. Für sein außergewöhnliches alpinistisches Lebenswerk wurde Diemberger 2013 mit dem Piolet d'Or geehrt.

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Leseprobe

Der Glockner, Gold, Kristalle … und eine Handvoll Glühwürmchen

Es ist niemals ausgeschlossen, daß es noch weitergeht. Das beste Zeichen vor einem großen Fund ist völlig taubes Gestein. Ich muß doch noch einmal in die ganz hinterste Ecke schauen! Fündig zu werden – ist wie ein Kuß der Unendlichkeit.

Sucher-Weisheiten

»Da taucht weit hinten oben ein weißer Spitz auf. Das muß der Glockner sein! Aber es dauert nicht lange, dann erhebt sich ein höherer Gipfel, höher in dem Maße, als wir aufwärtskommen. Wir schwören, daß das jetzt der Glockner ist. Nochmals geht’s uns so, aber dann sehen wir ihn wirklich, schlank und spitz, hoch emporragend über alles, ins blendende Weiß des Neuschnees gehüllt. Und ich juble bei seinem Anblick. Wenn ich doch nur raufkönnte. Ganz leise, fast noch unbewußt regt sich der Wunsch in mir, um gleich wieder zu verschwinden gegenüber dem Verstand, der sagt: Laß doch das, so was kommt ja für dich garnicht in Frage, wie du nur überhaupt auf die lächerliche Idee kommen kannst.«

Tagebuchnotizen auf dem Weg nach Heiligenblut; die Straße ist meist so steil, daß wir unsere mit Dreigang ausgerüsteten Räder schieben müssen.

Drei Tage später: Ich habe mir Steigeisen ausgeborgt, trainiere mit Walter, einem Wiener Studenten, der auch den Glockner vorhat, an einem grasigen Steilhang. »Breitbeinig gehen! Der schlimmste Fehler ist, mit den Zacken des rechten Eisens im linken Wadelstutzen oder Hosenbein hängenzubleiben – und umgekehrt!« belehrt mich der Wiener – verglichen mit mir 17jährigem Anfänger ist er, alpinistisch gesehen, ein Experte. Prompt aber verhakle ich mich und falle zwei Meter – verdammt, geht das schnell! schießt es mir durch den Kopf, während ich mich zwischen blühenden Alpenrosen am Rande des Absatzes festkralle. Ich schwöre mir, dort droben besser aufzupassen! Ob wir überhaupt hinaufkommen? »Wunderbar schimmert der Johannisberg herüber. Hoch droben am Glockner sieht man die Adlersruh, und ihn selber stolz und gerade aufragen.« Keine Frage: Wir versuchen es! Auch wenn ich nur die kurze Lederhose und Kniestrümpfe dabei habe! Bin doch vom Kristallsuchen in den Hohen Tauern gegen die Kälte abgehärtet.

Zwei Tage später, im Aufstieg mit Walter – ohne Seil – am luftigen, dem Hauptgipfel vorgelagerten Kleinglockner. »Vor uns sind mehrere Partien, alle schwer angeseilt. Wir überholen sie leicht, aber es geht schon verflucht steil rauf … angesichts der abschüssigen Tiefe paßt man eben doch gut auf. Die Eisen halten schlecht, der Schnee ist zu tief. Schließlich sind wir aber doch oben am Kleinglockner. Längst sind wir im Nebel, und so sehen wir auch nicht, wie grausig tief es nach Norden runtergeht. Ein kurzes Gratstück, dann folgt die Glocknerscharte über der Pallavicinirinne (gar nicht so arg, schwindlig darf man halt nicht sein). Da ist über uns schon das Kreuz … ist schon toll, hätt ich mir auch nicht gedacht, daß man so einfach hier raufkann. Sehen tun wir freilich nichts«, erzählt mein Tagebuch. Wir warten eine halbe Stunde, aber der eisige, wallende Nebel hört nicht auf – er umwallt auch meine bloßen Knie, und je mehr Zeit vergeht, desto einleuchtender wird mir, warum alle, die hier heraufkommen, Bundhosen haben.

»Gerade geht einer mit weichen Knien über den kurzen Schneegrat zwischen Klein- und Großglockner.« Doch Spaß beiseite: Beim Abstieg in der steilen Schneeflanke verhakle ich mich einmal trotz aller Aufmerksamkeit mit einem Steigeisen an den Stutzen, kann aber eingedenk Walters Warnung das Gleichgewicht halten. Mit Hallo geht’s bald darauf zu Tal. Der Glockner gehört uns!

Wohin jetzt? Irgendwie reizt mich ein See – hoch oben, nahe dem über dreitausend Meter hohen Sonnblick und dem fast gleich hohen Hocharn, lauter Berge, die für ihre Kristallfunde berühmt sind – ja und Gold hat man auch dort gefunden. »Schon die alten Römer …«, heißt es immer wieder, nicht anders als drüben im Habachtal, wo man die tiefgrünen, feurigen Smaragde finden kann – wenn man großes Glück hat. Ich scheine es zu haben, manchmal glaube ich, die Berge wollen mir ihre Schätze geben, und fündig zu werden ist wie ein Kuß der Unendlichkeit … ein Geschenk der Gipfel, mit denen ich irgendwie auf du und du lebe wie mit den Kristallen. Vielleicht braucht es da einen bestimmten Sinn dafür, ein Hineinlauschen in die Natur, ich habe sonst keine Erklärung, wieso ich einfach dorthin gehe, wohin mir irgend etwas rät zu gehen … und es erweist sich als der richtige Weg. Auch wenn es ein Seiltanz wird. Mein Glück im Habachtal kann ich nicht anders erklären, obwohl es nur von kurzer Dauer war: Die zweiköpfige Belegschaft des alten Smaragdstollens hatte vor diesem halbverfallenen Loch in einer Wand weit oben in 2400Meter Höhe schon tagelang nach Smaragden gewaschen. Sie hatten eine Reihe schöner »Sammlersteine« beisammen – weiße oder hellgrüne Kristalle, auch dunklere, aber voll von Sprüngen und Unreinheiten, und sie waren eigentlich recht zufrieden. Reine, wertvolle Smaragde sind ja eine große Seltenheit und werden fast nie gefunden.

Die beiden waren freundlich zu mir: Mit einer winzigen Chance und einem großen Eimer entschwand ich in die Dunkelheit des Stollens. Einmal durfte ich ihn füllen. Vielleicht war in dem Glimmerschlamm ein Sammlerstein. Der sollte dann mir gehören.

Wasser tropfte im Halbdunkel, ich tastete mich vorwärts … dann sagte mir ein Gefühl: Hier! Es ist genug – nimm den Schlamm vom Grund auf, wo alle immer drübergingen, wo das Wasser tropft und wäscht, seit langer, langer Zeit. Ich füllte den Eimer mit dem nassen Schlamm des Bodens und ging zurück. Als wir den silbrigen Glimmerbrei im Licht der Sonne unterm Wasserstrahl zerrührten, traute ich meinen Augen nicht: Ein hübscher Sammlerstein kam zum Vorschein, und siehe da, sogar noch einer, ich habe doch einen Glücksstern! – Plötzlich starrten wir alle drei wie gebannt auf das Gitter: Da lag ein herrlicher Smaragd, dunkelgrün, voll Feuer und vollkommen fehlerlos. Keiner sprach ein Wort.

»Dann wußte ich, was jetzt kam: Ich mußte den Stein abliefern. Ich sah ihn noch lange an, sein herrliches grünes Feuer im Licht der Sonne, ehe ich mich von ihm trennte. Mein Glück hatte nur einen Augenblick gedauert.«

So hatte mir diesmal irgendeine Idee im Kopf geraten, ehe ich zum See hinaufstieg, auf einen braunen runden Berg zu gehen, der den treffenden Namen Sandkopf trug – er war zwar ein Dreitausender, doch als Gipfel völlig uninteressant. Trotzdem, wenn ich bloß nach dem Anschein geurteilt hätte, wäre ich niemals fündig geworden oder der Wahrheit nähergekommen. Dieser unscheinbare Berg erwies sich als eine Schatzkammer – und ich kam mir vor wie im Märchen von den Sterntalern, die vom Himmel fielen und die ein kleines Mädchen bloß aufzulesen brauchte. »Mit der Nase am Boden geh ich dahin. Alle Augenblicke finde ich einen Bergkristall. Klein zwar, aber klar und rein wie ein Tautropfen leuchten sie zwischen dem rostfarbenen Grus heraus. Immer wieder.« Warum ist das Licht, das aus den Kristallen hervordringt, so anders, so verzaubernd? Ich weiß es nicht, aber es ist so.

Später einmal wird der größte Kristall der Erde mich faszinieren, der K2, der sich weißleuchtend über die Bergwüste von Sinkiang erhebt.

»Unheimlich öd sieht die Landschaft aus. Alles braun. Aber gerade das ist der Reiz dieser Trümmerregionen, eigentümlich und doch so bindend; mich zumindest … Über feinen Sandboden, in dem wir leicht einsinken, geht’s zu den kompakten Gipfelfelsen der Berges … Tief unten in seiner ganzen Länge das Fleißtal mit dem schönen blauen Zirmsee. Vis-a-vis der Hocharn … und drüben über einer weiten weißen Firnmulde der Sonnblickgipfel. Weit dahinter türmt es sich schwarz von Wolken von Salzburg her, dunkel und drohend. Es sieht immer mehr nach Unwetter aus. Wir müssen aufbrechen. Ich für meinen Teil wäre ja noch geblieben, aber Erwin hat nichts dafür über.« Auch er, mein Radfahrkumpel aus Norddeutschland, der nicht auf den Glockner wollte, ist an diesem Tag zufrieden: Er hat am Sandkopf ein Hufeisen gefunden – und einen Kristall, der einer Miniaturfestung gleicht.

Zum Zirmsee steige ich alleine auf. Ein weiter Weg. Meine beiden Gefährten bleiben beim »Alten Pocher« zurück … einst der Platz, wo das Golderz zerklopft und gewaschen wurde, heutzutage ein Wirtshaus.

Von oben stürzen kleine Wasserfälle über die Steilstufe vom Zirmsee herab. Rechts liegen die Abbrüche des Sandkopfs.

Nach etwa eineinhalb Stunden habe ich die Steilstufe, die zum See hinaufführt, überwunden und stehe jetzt auf einem vom Gletscher flachgehobelten, breiten, plateauähnlichen Talboden. Vor mir, hinter den Resten einer Hütte, kräuseln sich die kleinen Wellen des Zirmsees, dahinter führt ein weißes Tal, breit und flach zum Hocharn. Nach rechts geht es über Gletscher in rund zwei Stunden zum Zittelhaus auf dem Gipfel des Sonnblicks. Der Höhenunterschied beträgt nur mehr 600 Meter, denn der Zirmsee selbst liegt schon 2500 Meter hoch. »Ich suche erst in den Schuttfeldern am linken Seeufer, finde aber nichts von Bedeutung. Wo bloß die alten Goldbergwerksstollen sind, die es hier geben soll? Ich gehe weiter und weiter. Schließlich habe ich den ganzen See umwandert. Erst dadurch ist mir klar geworden, wie groß er eigentlich ist. Rundherum liegen auf abgehobelten Sockeln riesige Blöcke. Der See selbst ist ganz ruhig und dunkel. Eine geheimnisvolle Gegend.«

Kurt am Zirmsee in den Hohen Tauern (Juli 1949,...

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