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E-Book

Selbstpflege

Wissenschaft, Pflegetheorie und evidenzbasierte Praxis

AutorKatherine Renpenning, Susan G. Taylor
VerlagHogrefe AG
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl304 Seiten
ISBN9783456751924
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis30,99 EUR
Das Grundlagenwerk führt in die Theorie und Wissenschaft der Selbstpflege, Selbstpflegedefizite und Pflegesysteme nach Dorothea Orem ein. Die Autorinnen entwickeln diese auf Basis evidenzbasierter Erkenntnisse für die Pflegelehre, -praxis und das Pflegemanagement weiter. Pflegeprofis, die Pflege lehren, leiten, praktizieren und studieren, werden für ihre Praxis von diesem Werk profitierten. Alle, die an Selbstpflege und an der Weiterentwicklung von Orems Pflegetheorien interessiert sind, finden hier das neue Standardwerk zum Thema.
Die deutschsprachige Ausgabe wurde von Gerd Bekel vollständig überarbeitet und adaptiert.

Aus dem Inhalt

Teil I: Wissenschaft der Selbstpflege und Pflegetheorie

· Der charakteristische Gegenstand der Pflege und eine Theorie der Pflegepraxis
· Die Wissenschaft der Selbstpflege
· Die Wissenschaft der Entwicklung und Ausübung der Selbstpflegekompetenz
· Die Wissenschaft der menschlichen Unterstützung von Personen mit gesundheitsbedingten Selbstpflegedefiziten
· Theorie der Selbstpflege in Beziehungen

Teil II. Die Praxiswissenschaften der Disziplin Pflege

· Pflege-Praxiswissenschaften
· Unterstützend-entwicklungsbedingte Pflegewissenschaft
· Kompensatorische Pflegewissenschaft
· Die Wissenschaft der Selbstpflege und evidenzbasierte Pflegepraxis
· Ausbildung und evidenzbasierte Praxis

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Leseprobe

[3]1 Der charakteristische Gegenstand der Pflege und eine Theorie der Pflegepraxis

Selbstpflege ist eine Tätigkeit. Um sein Leben und seine Gesundheit zu erhalten und um seine Entwicklung zu fördern, muss man etwas tun. Wenn jemand die Quantität und die Qualität der erforderlichen Selbstpflege nicht mehr erbringen kann, braucht er Unterstützung. Entspricht diese Unterstützung nicht dem normalen Allgemeinwissen, das Familienmitglieder oder andere Laienbetreuer in einer Gesellschaft erworben haben, wird die Hilfe einer speziell ausgebildeten Betreuungsperson erforderlich. Diese Kategorien von spezialisierten Betreuungspersonen zeichnen sich durch die jeweiligen spezialisierten Dienstleistungen aus, die sie anbieten. Aus der Perspektive der Selbstpflegedefizit-Theorie steht die Betreuung oder Unterstützung, die eine professionelle Pflegekraft leistet, in Verbindung mit gesundheitsbezogenen aktuellen oder potenziellen Selbstpflegedefiziten von Personen, seien es Einzelpersonen oder Gruppen.

Eine explizite Beziehung zwischen Pflege und Selbstpflege wurde erstmals von Orem 1956 formuliert. Seitdem hat sich diese Verbindung unter ihrer Führung und Anleitung zu einer allgemeinen Pflegetheorie entwickelt, der Selbstpflegedefizit-Theorie. Die Theorie erklärt nicht nur, warum Menschen Pflege benötigen, sondern auch die Prozesse für die Umsetzung der erforderlichen Betreuung sowie eine Struktur für die Entwicklung der Wissenschaften der Selbstpflege, der praktischen Pflegewissenschaften und dem mit diesen beiden Wissenschaften in Verbindung stehenden Erkenntnissen.

[4]1.1 Eine Pflegepraxistheorie in vier Teilen

Die Selbstpflegedefizit-Theorie ist eine Pflegepraxistheorie, die aus vier Teilen besteht. Die erste und wichtigste Komponente ist die Theorie der Pflegesysteme. Die Theorie der Pflegesysteme beinhaltet sowohl die Theorie der Selbstpflege als auch die Theorie der Selbstpflegedefizite. Die Theorie der Selbstpflege bezieht sich auf die Erfordernisse nach Selbstpflege sowie das Potenzial und die Fähigkeiten eines Menschen, diese Versorgung zu erbringen. Die Theorie der Selbstpflegedefizite spiegelt ein Ungleichgewicht zwischen der erforderlichen Selbstpflege und der Fähigkeit zur Gewährleistung dieser Versorgung wider. Die Identifikation eines bestehenden oder potenziellen gesundheitsbezogenen Selbstpflegedefizits, stellt die Grundlage für die Etablierung eines Pflegesystems dar. Der vierte und letzte Teil ist die daraus folgende Theorie der Dependenzpflege, die Elemente in Verbindung mit der Betreuung von Menschen beinhaltet, die sozial abhängig sind. Abbildung 1.1 zeigt die Beziehung zwischen den vier Teilen der Pflegepraxistheorie.

Abbildung 1.1: Beziehung zwischen den vier Teilen der Selbstpflegedefizit-Theorie

Quelle: D. E. Orem, Nursing: Concepts of Practice, 6. Aufl. S. 591 (St. Louis, MO: Mosby, 2001). Mit freundlicher Genehmigung von Walene E. Shields, Erbin von Dorothea E. Orem.

Die für die Pflegepraxis relevanten Komponenten der Theorie werden in Box 1.1 definiert und in diesem Buch weiter ausgeführt.

[5]BOX 1.1
Relevante Variablen für die Praxis und Definitionen

Der Situative Selbstpflegebedarf fasst sämtliche Handlungen zusammen, die im Verlauf der Zeit erforderlich werden, um die bekannten Selbstpflegeerfordernisse zu erfüllen. Ein Selbstpflegeerfordernis bezeichnet die Handlungsziele, die zur Regulierung der Aspekte menschlicher Funktionsweisen und Entwicklung erforderlich sind. Unterschieden werden drei Kategorien von Selbstpflegeerfordernissen oder Zielen der Selbstpflege: allgemeine, die allen Menschen gemein sind; entwicklungsbedinge, die für einen Entwicklungszustand spezifisch sind, und gesundheitsbedingte, die sich auf einen bestimmten Gesundheitszustand beziehen.

Die Selbstpflegekompetenz ist die Fähigkeit eines Menschen, seine bestehenden Erfordernisse an Selbstpflege zu kennen und zu gewährleisten, um seine eigenen menschlichen Funktionsweisen und Entwicklung zu regulieren. Hierfür gibt es ein dreiteiliges Konstrukt mit folgenden Inhalten:

1. Selbstpflegetätigkeiten des Wissens, der Entscheidung sowie des Handelns mithilfe dieser Fähigkeiten in Zusammenhang mit jeder Tätigkeit.

2. Diese Tätigkeiten sind von der Handlungstheorie abgeleitet.

3. Die 10 Potenzialkomponenten, also Fähigkeiten, die spezifisch für die Selbstpflege sind.

Fähigkeiten und Dispositionen sind Grundlagen für bewusstes Handeln.

Dependenzpflegekompetenz bezeichnet «die Fähigkeiten von Menschen, den Situativen Selbstpflegebedarf von Personen zu kennen und zu gewährleisten, die sozial von ihnen abhängig sind, oder die Entwicklung oder Ausübung der Selbstpflegefähigkeit dieser Personen zu regulieren» (Orem 1995, S. 457).

Dependenzpflegedefizit ist eine Beziehungsaussage und beschreibt die Beziehung zwischen dem Selbstpflegedefizit einer abhängigen Person (die erforderliche Unterstützung) und der Dependenzpflegekompetenz (Fähigkeiten einer Betreuungsperson). Die Bestimmung eines Dependenzpflegedefizits kennzeichnet die Notwendigkeit einer weiteren Unterstützung.

[6]Pflegekompetenz sind «die erworbenen Fähigkeiten von Menschen, die als Pflegende ausgebildet worden sind, welche sie dazu befähigen, sich selbst als Pflegeperson im Rahmen einer legitimierten interpersonellen Beziehung darzustellen, um Menschen in solchen Beziehungen zu behandeln, zu verstehen und zu helfen, um ihren Situativen Selbstpflegebedarf zu erfüllen und die Entwicklung oder Ausübung ihrer Selbstpflegekompetenz zu regulieren» (Orem 2001, S. 518).

Pflegesysteme bestehen aus einer Reihe und einer Reihenfolge von bewussten praktischen Handlungen von Pflegenden, die immer in Koordination mit Handlungen ihrer Patienten durchgeführt werden (Orem 2001, S. 519).

Definitionen mit freundlicher Genehmigung von Orems Nachlassverwalter.

Welche Bedingungen müssen bei einer Person vorliegen, wenn die Entscheidung getroffen wird, dass eine oder mehrere Pflegende in die Situation eingreifen sollen? Offensichtlich braucht ja nicht jeder ständig die Dienste eines Pflegenden. Pflegende verfügen über Kenntnisse und Fähigkeiten, die jeder zu einem gegebenen Zeitpunkt in Anspruch nehmen kann, die aber nicht ständig benötigt werden und auch nicht immer erwünscht sind. Auf welcher Grundlage wird also die Entscheidung gefällt, dass ein Bedarf an Pflege besteht? Es ist «die Unfähigkeit von Menschen, aufgrund einer Situation im Zusammenhang mit ihrer persönlichen Gesundheit kontinuierlich den Umfang und die Qualität der erforderlichen Selbstpflege selbst aufzubringen» (Orem 2001, S. 20). Diese Aussage ist elegant, jedes Wort ist bedeutsam und bringt sämtliche Aspekte der Pflege zum Ausdruck. Sie führt zu zahlreichen Erkenntnissen, aber auch Fragen, die richtungweisend für die Grundlagen der Praxis, Forschung und Wissensentwicklung sind. Beispielsweise wirft der Begriff «Unfähigkeit» die Frage auf, welches die erwarteten Fähigkeiten sind, die jemand benötigt, um sich selbst versorgen zu können; oder wie tiefgreifend, wie ausgeprägt und welcher Art diese Einschränkungen sind? Wie kann man derartige Fähigkeiten entwickeln? Welche Faktoren können die Fähigkeit einer Person beeinflussen, sich selbst oder andere zu versorgen, z. B. Säuglinge, Kinder, ältere Menschen oder chronisch Kranke? Bei ihrer Suche nach den Antworten auf diese Art von Fragen etablierten Orem und andere die grundlegende Struktur der Selbstpflegedefizit-Theorie, die als Pflegepraxistheorie in vier Teilen dargestellt wurde. Die grundlegenden konzeptuellen Elemente werden in Abbildung 1.2 dargestellt, ein konzeptuelles Rahmenwerk für die Pflege (Orem 2001, S. 491). Die Selbstpflegedefizit-Theorie besteht aus den Patientenvariablen Selbstpflege-/Dependenzpflegekompetenz [7]und Situativem Selbstpflege-/Dependenzpflegebedarf; und aus der PflegendenVariablen, also die Pflegekompetenz, und die Beziehungen zwischen beiden. Diese Aspekte werden in den weiteren Kapiteln näher erläutert.

Abbildung 1.2: Ein konzeptuelles Rahmenwerk für die Pflege

Quelle: D. E. Orem, Nursing: Concepts of Practice, 6. Aufl. S. 591 (St. Louis, MO: Mosby 2001). Mit freundlicher Genehmigung von Walene E. Shields, Erbin von Dorothea E. Orem

1.2 Pflege: Eine Profession und eine Disziplin

Pflege ist sowohl eine Profession als auch eine Disziplin. Die Pflege ist als ein Praxisbereich eine Profession; als Wissensbereich ist sie eine Disziplin. Diese beiden unterschiedlichen Gebilde sind in einer Praxisdisziplin in der Realität untrennbar: «Das eine kann nicht ohne das andere sein.»

Die Profession Pflege beruht auf der Disziplin Pflege und prägt die Praxis, indem sie das Wissen generiert, das in die Praxis umgesetzt wird; sie ist nützlich beim Entwurf von Pflegesystemen für einzelne Personen oder Gruppen sowie zur Entwicklung von institutionellen Systemen zur Gewährleistung von [8]Pflege. Und während die Disziplin Pflege die Wissensbasis für die Praxis liefert und damit das Verständnis der theoretischen oder wissenschaftlichen Grundlage für die Praxis weiterentwickelt oder verdeutlicht, geben die Praxiserfahrungen eine Orientierung für die Entwicklung des theoretischen Wissens. Die Profession benötigt ein Wissen, das über die Kenntnisse der Disziplin hinausgeht, etwa im Zusammenhang mit bestimmten politischen Systemen, die den Arbeitsbereich beeinflussen (Abb....

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