Die Zielmarktauswahl zur Zusammenstellung von Immobilienportfolios gehört zu den wichtigen strategischen Aufgaben institutioneller Investoren. Zur Bewältigung dieses Entscheidungsproblems stehen verschiedene Lösungsansätze bereit.[4] Der vorliegende Abschnitt befasst sich zunächst mit den Beweggründen für internationale Immobilieninvestitionen. Anschließend wird der Bedarf an leistungsfähigen Entscheidungsmodellen verdeutlicht, der sich aus der Komplexität der Investitionsentscheidungen und den Defiziten bisheriger Verfahren und Methoden begründet. Abschließend wird ein alternativer Lösungsansatz für die Zielmarktauswahl vorgestellt, wobei es sich konkret um das Outranking-Verfahren ELECTRE handelt. Um ein tieferes Verständnis für diese Verfahrensgruppe zu vermitteln, wird zunächst auf das Outranking und anschließend näher auf ELECTRE eingegangen.
Eine Investition in die Anlageklasse Immobilien hat verschiedene Gründe. Als vorteilhaft werden im Allgemeinen der Inflationsschutz, die laufenden Erträge durch Mieteneinnahmen, die Langlebigkeit und die Wertstabilität der Immobilie als Sachwert genannt. Gegenüber anderen Anlageklassen besteht eine geringe Korrelation und es können zusätzlich Steuervorteile erzielt werden.[5] Die Möglichkeit höhere Renditen und Diversifikationseffekte zu erzielen sind die Hauptmotive für internationale Immobilieninvestitionen. Diese Erkenntnis geht aus verschiedenen Umfragen[6] unter institutionellen Investoren hervor. Ein weiterer Grund liegt in den mangelnden Investitionsmöglichkeiten im Inland, die Investoren dazu bewegt in ausländische Märkte zu investieren.[7] Das Ausnutzen unterschiedlicher Marktzyklen bietet zusätzlich die Chance einer Renditesteigerung. Nachfolgend werden die Beweggründe, die durch mangelnde inländische Investmentmöglichkeiten und Diversifikationsvorteile entstehen, näher erläutert.
Ausgehend von der Kapitalmarkt- und Portfoliotheorie fordert ein rationaler Investor für das Eingehen von Risiko eine Kompensation in Form einer angemessenen Rendite. Das Rendite-Risiko-Verhältnis hängt vom Risikoaversionsgrad des Investors ab. D.h. ein risikoaverser Investor wird ein höheres Risiko nur dann akzeptieren, wenn die erwartete Rendite überproportional steigt. Das Ziel besteht in der Renditemaximierung (bei gegebenem Risikoniveau) bzw. Risikominimierung (bei gegebenem Renditeniveau).[8] Es wird zwischen systematischem und unsystematischem Risiko unterschieden. Das systematische Risiko ist nicht diversifizierbar und bleibt dem Investor stets erhalten.[9] Zu diesen Risiken zählen u.a. die Konjunkturentwicklung sowie die Rechts- und Steuergesetzgebung eines Landes. Das systematische Risiko wird auch als Marktrisiko oder marktbezogenes Gesamtrisiko bezeichnet.[10] Das unsystematische Risiko kann dagegen durch Diversifikation reduziert werden. Durch die Kombination von zwei oder mehreren, möglichst unterschiedlicher Assets entstehen Diversifikationseffekte. Bezogen auf Immobilien bzw. Immobilienportfolios kann die Risikostreuung nach unterschiedlichen Nutzungsarten (z.B. Wohnen, Gewerbe, Industrie) und Standorten (z.B. international, national, regional, lokal) sowie nach objektspezifischen Eigenschaften (z.B. Größe, Alter, Ausstattung, Vertragslaufzeit, etc.) erfolgen.[11]
Die Effekte der Diversifikation mit Immobilien in Single- und Multi-Asset Portfolios sind insbesondere im angloamerikanischen Sprachraum in der Literatur sehr gut dokumentiert.[12] Verschiedene empirische Untersuchungen innerhalb der letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass Investitionen im Ausland zusätzliches Diversifikationspotenzial bieten und somit zu einer Reduktion des gesamten Portfoliorisikos führen.[13] Nach Eichholtz / Eichholtz et al. kann eine bessere Diversifikationswirkung mit unterschiedlichen geografischen Standorten als mit der Streuung nach Nutzungsarten erzielt werden.[14] Auch Wellner konnte empirisch belegen, dass eine Streuung nach internationalen Standorten die größten Diversifikationseffekte erzeugt.[15]
Investitionen im heimischen Markt sind im Gegensatz zu ausländischen Engagements einfacher durchzuführen, weil die Rahmenbedingungen des nationalen Marktes bekannt sind. Damit sind sowohl die Kenntnisse der Spezifika heimischer Immobilienmärkte, institutioneller und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen als auch Geschäftsgepflogenheiten gemeint. Auch Sprachbarrieren entfallen bei nationalen Geschäftstätigkeiten. Die fehlende Motivation von Investoren, internationale Investments zu tätigen, ist auch auf attraktive einheimische Märkte zurückzuführen, die vergleichsweise einfach zugänglich sind.[16] Obwohl Vorteile durch internationale Diversifikation entstehen, präferieren viele Investoren immer noch Investitionen im Heimatland. Dieses Phänomen wird auch als „Home Country Bias“[17] bezeichnet.[18] Hohes Steueraufkommen, Informations- und Transaktionskosten sowie Unkenntnisse der institutionellen Rahmenbedingungen des Gastlandes werden u.a. als Begründungen angegeben.[19]
Aus einer Untersuchung geht allerdings hervor, dass es weltweit nur 14 Länder gibt, deren Immobilienmärkte eine ausreichende Größe bzw. Liquidität aufweisen, um damit die Mindestanforderungen für Investments in der Asset-Klasse Immobilien zu erfüllen, also als „Investmentgrade“[20] gelten. Demnach müssten Investoren aller übrigen Länder international investieren, um Zugang zu investmenttauglichen Immobilienanlagen zu haben.[21] Grundsätzlich kann also davon ausgegangen werden, dass die Beweggründe für internationale Immobilieninvestments einerseits in den mangelnden inländischen Möglichkeiten zu sehen sind und andererseits wahrgenommen werden, um von vorteilhaften Eigenschaften ausländischer Märkte zu profitieren (z.B. höhere Liquidität, Professionalität, Transparenz etc.). Ein vermehrter Wettbewerb um risikoarme Anlagen mit Core-Objekten in attraktiven Lagen führt daher zum einen dazu, dass Investoren auf B- oder C-Standorte ausweichen und Abstriche bei den gesetzten Zielvorgaben machen.[22] Zum anderen weichen sie auf Auslandsmärkte aus. Im Vergleich zu inländischen besteht bei internationalen Investments eine größere Auswahl an Standorten und Objekten. Dadurch können Diversifikationseffekte noch verstärkt werden. Antizyklische Investments können außerdem zu einer Steigerung der Rendite führen. Weiterhin kann von vorteilhaften Währungskursentwicklungen und Zinsdifferenzen profitiert werden.[23] Trotz einer Vielzahl von Hemmnissen und Unsicherheiten hat sich der Anteil von Immobilien im Portfolio institutioneller Anleger in den letzten Jahren erhöht. Das kann vor allem auf die Erhöhung der Immobilienmarkttransparenz, impliziert durch vermehrte Research-Aktivitäten, der zunehmenden Internationalisierung und das Angebot an verschiedenen Investment-Vehikeln zurückgeführt werden.[24]
Immobilieninvestitionen sind sehr komplex und werden durch eine Vielzahl von Kriterien determiniert. Bei internationalen Investitionsentscheidungen erhöht sich die Komplexität noch weiter. Um Fehlentscheidungen zu vermeiden, bietet sich der Einsatz von Entscheidungsunterstützungsmodellen an. Die Modelle dienen zum einen dazu, die beste Investitionsalternative zu identifizieren und zum anderen die Entscheidung zu objektivieren. Je nach Komplexität der Entscheidungssituation kann zwischen verschiedenen Methoden und Verfahren zur Entscheidungsunterstützung unterschieden werden. In der Immobilienbranche finden primär klassische Verfahren Anwendung, zu denen u.a. Wirtschaftlichkeits- und Investitionsrechnungen, Rendite-Risiko-Berechnungen, Checklisten und Scoring-Modelle gehören.[25] Bei genauerer Betrachtung weisen diese Verfahren allerdings Defizite auf, die für komplexe Investitionsentscheidungen ungeeignet sind. Nachfolgend wird daher zunächst der komplexe Charakter von internationalen Immobilieninvestitionen aufgezeigt, der den Bedarf an leistungsfähigen Entscheidungsmodellen begründet. Im Anschluss daran werden die Defizite der klassischen Verfahren aufgeführt, die wiederum den Bedarf an neuen Lösungsansätzen verdeutlichen.
Aus den Immobiliencharakteristika ergeben sich Aspekte, die bei Investitionsentscheidungen besondere Berücksichtigung finden müssen. Im Vergleich zu bspw. Aktien und Anleihen sind Immobilien aufgrund ihrer Immobilität und eigeschränkten Teilbarkeit höchst illiquide und weisen eine hohe Kapitalbindung über einen langen Zeitraum auf. Kennzeichnend sind außerdem die hohen...