Was die Menschen an Speisen und Zubereitungsformen mögen oder nicht, ist abhängig von kultureller und gesellschaftlicher Faktoren, also bspw. von Religion, nationaler Identität und regionaler Gegebenheiten. Die Rituale, Sitten und Regeln sind dabei sehr unterschiedlich. Im Zuge der Zeit (Stichwort „Industrialisierung, Globalisierung und Individualisierung“) wurde die traditionelle innerhäusliche Verpflegung vermehrt vom außerhäuslichen Speisenverzehr abgelöst[1].
Grundsätzlich wird in der Literatur zwischen Außer-Haus- und Inner-Haus-Verpflegung unterschieden. Die Differenzierung erfolgt nach den Merkmalen des Verzehrortes und Zubereitungsortes. Die Unterscheidung, um welche Art es sich handelt, ist nicht immer einfach und klar, wie Abbildung 1 veranschaulichen soll[2].
Abbildung 1: Zubereitungsorte und Verzehrsorte von Verpflegungsdienstleistungen[3]
Binder spricht von einer Inner-Haus-Verpflegung dann, wenn die Zubereitung und der Verzehr im eigenen Haushalt stattfinden. Umgekehrt verhält es sich bei der Außer-Haus-Verpflegung. Hier ist jene Dienstleistung gemeint, die außerhalb des eigenen Haushaltes zubereitet und auch verzehrt wird[4].
Bei Lieferung von Mahlzeiten (z.B. durch Essen auf Rädern) und der anschließende Verzehr zu Hause wird von Binder als innerhäusliche Verpflegung gesehen. Hingegen stellt der Verzehr der Jause in der Arbeit, die zu Hause zubereitet wurde, keine klassische Außer-Haus-Verpflegung dar; die Inanspruchnahme der Betriebskantine aber sehr wohl. Hier gibt es in der Literatur je nach Definition verschiedene Ansichten[5].
Eine besondere Form der Außer-Haus-Verpflegung ist die Gemeinschaftsverpflegung. In Österreich verköstigten 2010 rund 20.000 Mitarbeiter täglich mehr als 1,8 Millionen Menschen in Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung, Tendenz steigend[6].
Eine Gemeinschaftsverpflegung lässt sich meist dadurch charakterisieren, dass sie einem definierten Personenkreis, bspw. Bewohnern in einem Altenheim, vorbestimmt ist, die Nutzung der Verpflegungseinrichtung sich aus dem Aufenthalt ableiten lässt und oft eine Vollverpflegung zur Verfügung steht[7].
Nach Lickteig wird der definierte Personenkreis von einer besonderen Lebenssituation bestimmt. Bei diesen Situationen handelt es sich meist um Notwendigkeiten, die durch Unterstützungswürdigkeit (keine Küche, keine Zeit, Entfernung Wohnort zum Arbeitsplatz ist zu hoch usw.) oder Hilfsbedürftigkeit (Krankheit, Behinderung etc.) charakterisiert sind. Ein weiteres Merkmal ist die gleichzeitige Einnahme der Mahlzeit am gleichen Ort[8].
Hinsichtlich der erwähnten Merkmale lassen sich Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen in bestimmte Bereiche gliedern[9]:
¾ Verpflegungen in Bildungseinrichtungen (Schule, Hort, Kindergarten, Universität etc.)
¾ Anstaltsverpflegungen (Alten- und Pflegeheime, Krankenhäuser, Bundesheer etc.)
¾ Betriebsverpflegungen (Kantine, Betriebsrestaurant)
Eine weitere Form der Außer-Haus-Verpflegung ist die individuelle Verpflegung (z.B. Restaurant). Diese Form ist für die Allgemeinheit zugänglich und arbeitet klar gewinnorientiert. Die nachstehende Abbildung zeigt nochmal die zwei verschiedenen Formen der Außer-Haus-Verpflegung.
Abbildung 2: Formen der Außer-Haus-Verpflegung[10]
Der Umfang der Verpflegung in einer Gemeinschaftsverpflegungseinrichtung kann entweder eine Teil- oder eine Vollverpflegung sein. Bei einer Teilverpflegung ist meistens nur das Mittagessen gemeint, wie sie in Betriebskantinen oder offenen Mittagstischen angeboten werden. Hier unterscheidet sie sich von der Vollverpflegung, wo neben dem Mittagessen auch Frühstück und Abendessen ausgegeben werden, wie z.B. in Alten- und Pflegeheimen und Krankenhäusern. Bezüglich der Dauer der Versorgung ist die Abwechslung ein gefordertes Kriterium. Beispielsweise ist die gewünschte Abwechslung in Altenheimen oder Betriebskantinen höher als in Krankenhäusern oder bei der Speisenversorgung bei Flügen. Dies hat mit dem durchschnittlichen Aufenthalt der Personen in der Einrichtung zu tun. Betriebswirtschaftlich gesehen, werden die Preise für die Gemeinschaftsverpflegung kostendeckend kalkuliert und sind nicht gewinnorientiert. Meist werden sie durch Subventionen und Entgelte finanziert[11].
Da Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen nicht gewinnorientiert sind, sondern dem Gemeinwohl oder besonders unterstützungswürdigen Personen zu Gute kommen, wird meistens die Wirtschaftlichkeit dadurch definiert, dass in der Regel eine Kostenminimierung angestrebt wird, während die Leistung gleich oder verbessert wird. Trägerschaften von gemeinwohlorientierten bzw. sozialen Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen in Österreich sind oftmals öffentliche Betriebe, Verbände oder Gebietskörperschaften. Bei gleichbleibend hohen Personalkosten und einer gleichzeitigen Entgelte-Bindung[12] (bspw. die Heimgebühren der Alten- und Pflegeheimen in Niederösterreich) steigt der Kostendruck weiter an. Erstes Ziel der Einrichtung ist es daher möglichst kostengünstig zu produzieren. Das zweite Ziel ist die Erhöhung der Zufriedenheit der Personen, die die Gemeinschaftsverpflegung in Anspruch nehmen. Auch die gesellschaftliche Relevanz, bspw. die Ausspeisung für Obdachlose, ist als drittes Ziel zu nennen.
Wie bereits erwähnt, ist die Gemeinschaftsverpflegung nur einer definierten Personengruppe zugänglich. Diese Nutzer können ihrerseits nach dem Merkmal der Freiwilligkeit der Nutzung der Gemeinschaftsverpflegungseinrichtung unterschieden werden, wie Abbildung 2 verdeutlicht.
Abbildung 3: Arten von Nutzern in Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen[13]
Unter dem Begriff „Unfreiwillige“ bzw. „Captive Consumer“ sind Nutzer gemeint, die keine andere Wahl haben, als die ihnen vorgesetzten Speisen zu konsumieren, bspw. Bewohner in Altenheimen, Behinderteneinrichtungen oder psychiatrischen Einrichtungen, aber auch Patienten in Krankenhäusern oder Gefangene etc. Diese Nutzer sind nicht leicht zufriedenzustellen, da auch bei schlechter Qualität die Nutzeranzahl nicht sinkt. Im Gegensatz dazu stehen die Freiwilligen bzw. die Non-Captive Consumer oder Daily Commuter (Pendler). Sie kommen aus freien Stücken und verleihen mit ihrem Besuch oder ihrem „Nicht-Besuch“ ihrer Zufriedenheit Ausdruck[14].
In den weiteren Kapiteln wird der Fokus auf die Gemeinschaftsverpflegung in Alten- und Pflegeheim gelegt.
Viele der Anforderungen, die die Gemeinschaftsverpflegung stellt, beziehen sich in einem Alten- und Pflegeheim auf deren Bewohner. Letzen Endes verzehren sie, unfreiwillig, die auf den Tisch gesetzten Speisen. Deshalb ist auf deren Anforderungen ein großes Maß an Verständnis, systematischer Vorgehensweise aber auch betriebswirtschaftlicher Sichtweise zu legen. Steinel unterscheidet zwischen mehreren Teilanforderungen[15]:
Ökonomische Anforderungen
¾ Kostengünstig produzieren, optimales Preis-Leistungsverhältnis, ausgeglichener Haushalt
Ernährungsphysiologische Anforderungen
¾ Nährstoffbedarf, Referenzwerte für Nährstoffzufuhr: Frauen und Männer nach Alter und nach Verteilung auf die Mahlzeiten
Sensorische Anforderungen
¾ Unterscheidung zwischen objektiver und subjektiver Anforderung, subjektiv: Aussehen, Geschmack, Geruch, Temperatur, Konsistenz; objektiv: individuelle Verzehrgewohnheiten, welche Speisen werden gemocht, welche nicht?
Hygienische Anforderungen
¾ Keine krankmachenden Einflüsse, Alle Abläufe nach HACCP-Kriterien
Sozio-kulturelle Anforderungen
¾ Mindest- und Höchsthäufigkeiten bestimmter Speisegruppen, Speisemengen und Speisen...