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Sexualpädagogik in den Medien. Von Dr. Sommer bis zur 'Sexualerziehung 2.0' im Internet

Von Dr. Sommer bis zur 'Sexualerziehung 2.0' im Internet

AutorElisabeth Czok, Jenny Camen, Martin Wutstrack, Martina Schlund, Sabrina Gavars
VerlagScience Factory
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl182 Seiten
ISBN9783656719618
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
'Let's talk about Sex!' Welche Rolle spielt Sexualpädagogik in einer Zeit, in der Aufklärung durch die freie Verfügbarkeit von Pornografie in den Medien überflüssig erscheint? Der kommerziell-künstliche Online-Sex übt einen enormen psychologischen Leistungsdruck auf Jugendliche mit wenig sexueller Erfahrung aus. Auch die sozialen Medien bergen Konfliktpotenzial, da sie ideale Plattformen sind, um die eigene Sexualität zu inszenieren. Dieser Band beantwortet die Frage danach, wie Medien heute die sexuelle Aufklärung und das Sexualempfinden junger Menschen beeinflussen und welche Chancen sich für Sexualpädagogik in diesem Umfeld bieten. Aus dem Inhalt: Sexualpädagogik im Wandel der Zeit Der Einfluss der modernen Pornographie auf das Sexual- und Selbstempfinden Sexualpädagogik im Umgang mit sozial-online-vernetzten Jugendlichen

Martina Schlund ist 1979 in Mülheim an der Ruhr geboren, ist Sozialarbeiterin (B. A.), Systemische Anti-Gewalt-Trainerin SAGT® und Deeskalations-Trainerin sowie Fachcoach für Mobbingprävention/Intervention FMPI®. Sie hat langjährige Erfahrung in der stationären Jugendhilfe und betreut Jugendliche und junge Erwachsene mit psychischen Beeinträchtigungen. Zudem engagiert sie sich im Bereich der gezielten Mädchenarbeit und war in diesem Zusammenhang u. a. ehrenamtlich bei der pro familia Oberhausen tätig.

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Leseprobe

3. Quantitative und qualitative Inhaltsanalyse des Stichprobenmaterials


3.1 Die Stichprobe


Der Untersuchung liegen exemplarisch jeweils ein BRAVO-Exemplar aus den Jahren 1969, 1976, 1984 und 1993 zu Grunde. Aus dem aktuellen Jahrgang 2008 stehen zwei Hefte zur Verfügung. Aufgrund der geringen Datengrundlage werden die Ergebnisse mit der Studie von Susanne Wenzel aus dem Jahr 1990 – bezüglich der Jahre zwischen 1968 und 1987 – abgeglichen und gegebenenfalls ergänzt.

Von Relevanz für die Untersuchung sind aus dem Jahr 1969 die Ratgeberkolumne ‚Schicksalsbriefe an Dr. Vollmer’ und der Report ‚Sex nach Sechs’. Aus dem Heft von 1976 fließen die Aufklärungsserie von Dr. Korff, die Sprechstunde von Dr. Jochen Sommer und die Foto-Love-Story mit ein. Aus dem Jahr 1984 finden ebenfalls Dr. Sommer und die Foto-Love-Story Betrachtung, sowie die Aufklärungsreihe ‚Liebe & Sex zwischen 15 und 17’. 1993 umfasst das Untersuchungsmaterial die Sprechstunde des Dr.-Sommer-Teams, die Ratgeberkolumne ‚Liebe, Sex und Zärtlichkeit’, die Foto-Love-Story und den Report ‚Flirten – die besten Tricks zum Anmachen’. In den Heften von 2008 sollen ebenso die Foto-Love-Stories und die Dr.-Sommer-Sprechstunde untersucht werden sowie der Aufklärungsbericht ‚Wilde Zeiten – So wird ein Junge zum Mann’ und der ‚Dr.-Sommer-Bodycheck’.

3.2 Quantitative Analyse


Zunächst soll ein Blick auf den Umfang des Aufklärungs- und Beratungsangebots im Spiegel der Zeit geworfen werden. Eine naheliegende Vermutung könnte – angesichts der fortschreitenden sexuellen ‚Revolution’ und Enttabuisierung in der Gesellschaft – lauten, die Offerte sexueller Aufklärung und Lebenshilfe habe in den Jahren von 1968 bis heute stark zugenommen. Bei näherer Betrachtung des Stichprobenmaterials lässt sich diese Hypothese jedoch schnell widerlegen. Man kann sogar sagen, dass der reine Umfang von Aufklärungs- und Ratgeberseiten in den letzten 40 Jahren ungefähr auf einem gleichen Level geblieben ist.

Sicherlich haben sich die Angebote verändert. So wurde beispielweise die Ratgeberfunktion in den 90er Jahren ausgeweitet – die altbewährte Sprechstunde des Dr.-Sommer-Teams wurde durch die Rubrik ‚Liebe, Sex und Zärtlichkeit’, in der eine Frauenärztin Ratschläge gibt, ergänzt – die jedoch 2008 schon nicht mehr vorhanden ist. Dafür vermisst man allerdings auf der anderen Seite seit den 90er Jahren die mehrwöchigen Aufklärungsserien. In den 70er Jahren erschienen unter dem Pseudonym des Dr. Korff regelmäßig diese Serien zu sexuellen und partnerschaftlichen Themen. Sowohl in den 60er als auch in den 80er Jahren finden sich Aufklärungsberichte zum Thema Sexualität unter Jugendlichen. Im Stichprobenmaterial laufen diese beispielsweise unter den Überschriften ‚Sex nach Sechs – Mädchen aus der Provinz’ (1969) und ‚Liebe und Sex zwischen 15 und 17’ (1984). Eine neue Serie der 90er Jahre, die zwar nicht durchgängig zum Inhalt der BRAVO gehört, aber immer wieder neu aufgelegt wird, ist der sogenannte Bodycheck, bei dem sich jeweils ein Junge und ein Mädchen nackt fotografieren lassen und interviewt werden.

Mit den ‚Schicksalsbriefen an Dr. Vollmer’ (1969), der Sprechstunde von ‚Dr. Jochen Sommer’ (1976, 1984) und schließlich ‚Sprich dich aus’ – der Ratgeberkolumne des Dr.-Sommer-Teams (1993 bis heute) hat jedes Jahrzehnt seine Instanz für Lebenshilfe und Leserbriefbeantwortung.

Eine Neuerung der 70er Jahre ist die Foto-Love-Story, in der zunächst abgeschlossene bebilderte Geschichten, später mehrere Wochen umfassende Fotoromane dargestellt werden.

Ergänzt wird das oben beschriebene, umfangreiche Aufklärungsangebot der verschiedenen Jahrzehnte durch vereinzelte Ratgeberseiten beziehungsweise Reportagen über sexuell weniger ‚brisante’ Themen wie Partnerschaft, problematische Liebe, Flirten und Küssen. Da diese Berichte wenig über die sexuelle Enttabuisierung der Jugend zu den jeweiligen Zeiten aussagen, sollen sie bei der qualitativen Analyse nur am Rande Beachtung finden.

Als interessant erweist sich die quantitative Betrachtung der Ratgeberkolumnen, das heißt die Verteilung verschiedener Themen in den Leserbriefen der Jugendlichen im Wandel der Zeit.

Zur Systematisierung sollen vier Themenbereiche angelegt werden, denen sich die einzelnen Briefe zuordnen lassen. Es bietet sich eine Einteilung in einen biologischen Fragenbereich, einen individuell-psychologisch/sozialen Bereich sowie einen Gefahrenbereich der Sexualität und den Bereich der Lustfunktion an. Mit diesen Kategorien lassen sich alle Leserfragen des Stichprobenmaterials erfassen.

Zum biologischen Bereich der Sexualität sind solche Fragen zu zählen, die sich mit dem Körper, seinen Funktionen und Veränderungen – insbesondere Samenerguss, Empfängnis und Schwangerschaft – beschäftigen.

Der individuell-psychologische und soziale Fragenbereich umfasst persönliche Ängste, Hemmungen, Gefühle und Themen wie Partnerschaft, Einsamkeit, unerwiderte Liebe sowie Fragen, die das Verhältnis zu Eltern oder Lehrern betreffen.

Der Gefahrenbereich der Sexualität thematisiert Geschlechtskrankheiten, AIDS sowie jegliche Formen sexueller Belästigung.

Bei dem Bereich der sexuellen Lustfunktion handelt es sich um Fragen, die sich mit sexuellen Praktiken unter Partnern oder mit Masturbation beschäftigen.

Als Ergebnisse der Auswertung des Stichprobenmaterials lassen sich folgende Entwicklungen festhalten:

Der biologische Fragenbereich verzeichnet eindeutig den größten Zuwachs.[71] In den Jahren 1969 und 1976 wird keine einzige Frage betreffend der biologischen Funktionen des Körpers gestellt. 1984 werden in der Sprechstunde von Dr. Sommer allerdings bereits drei Fragen zu diesem Komplex formuliert, welche die Themen Schwangerschaft, Samenerguss und frauenärztliche Untersuchung umfassen. Außerdem wird in dieser Ausgabe ein Aufruf von Dr. Sommer gestartet, Fragen zur Verhütung mit der Pille einzusenden. Der biologische Aspekt der Sexualität ist also in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. 1993 werden dann sogar noch mehr Leserbriefe zu diesem Themenbereich formuliert – sie betreffen insbesondere die Aspekte der Verhütung, Intimhygiene und körperlicher Anomalitäten. Auch 2008 machen biologische Fragen fast die Hälfte der veröffentlichten Briefe aus.

Der zweite Bereich – individuell-psychologische und soziale Fragestellungen – stellt in allen Jahrgängen den durchschnittlich am stärksten vertretenen Fragekomplex dar[72], vermutlich da es sich hierbei um die Kategorie handelt, zu der jegliche Fragen zum Thema Partnerschaft gezählt werden. Besonders in den ausgewählten Heften der Jahrgänge 1969 und 1974 kreisen alle Leserfragen ausschließlich um Probleme in der Partnerschaft, Konflikte im Elternhaus und der Schule und Probleme mit der eigenen Person, unter anderem Minderwertigkeitsgefühle und Hemmungen gegenüber dem anderen Geschlecht. Obwohl der sozial-psychologische Themenkomplex auch von den 80er Jahren bis heute immer noch die wichtigste Rolle bei der Leserbriefbeantwortung spielt, ist doch historisch betrachtet ein deutlicher Rückgang dieser Fragen zu Gunsten von explizit sexuellen Fragestellungen zu beobachten. So werden 1984 nur noch die Themen Streit mit den Eltern und Einsamkeit erwähnt und 1993 werden die Themen Elternverbote, Partnerschaft und erste Liebe erfragt. 2008 werden außerdem Fragen zu unerwiderter Liebe und Gefühlsschwankungen gestellt.

Der Themenbereich ‚Gefahren’ tritt bei der Betrachtung des Untersuchungsmaterials erstmals 1993 auf. Hier thematisiert ein Mädchen einen Fall von sexueller Belästigung. Außerdem wird im sogenannten ‚Liebeslexikon’ der Ratgeberkolumne ‚Liebe, Sex und Zärtlichkeit’ das Stichwort ‚Safer Sex’ erläutert. 2008 beschäftigt sich ein Leserbrief mit dem Thema Ritzen und Selbstverletzung. Insgesamt kann man aber sagen, dass der Gefahrenbereich der Sexualität relativ wenige Leser zu beschäftigen scheint – mit Ausnahme der Gefahr einer ungewollten Schwangerschaft. Diese Angst ist in sehr vielen Leserbriefen zu erkennen, wird jedoch in dieser Auswertung zum biologischen Fragenkreis gezählt.

Der Bereich der sexuellen Lustfunktion schließlich hat sich ähnlich entwickelt wie der biologische Fragenbereich.[73] In den ausgewählten Heften aus den Jahren 1969 und 1974 werden keinerlei Fragen betreffend sexuellen Lustgewinns gestellt. 1984 wird mit einer Frage zur Masturbation die Lustfunktion angesprochen. Ein knappes Jahrzehnt später, 1993, werden schließlich explizite Fragen zur Masturbation und zu (gleichgeschlechtlichen) sexuellen Praktiken formuliert. Des Weiteren umfassen die Seiten ‚Liebe, Sex und Zärtlichkeit’ in den 90er Jahren bereits den wöchentlichen Bericht eines Lesers oder einer Leserin über sein/ihr erstes Mal, in dem der Fokus eindeutig auf dem romantischen aber auch lustvollen Aspekt des ersten Geschlechtsverkehrs liegt und nicht etwa auf dem biologischen. In den zwei aktuellen BRAVO-Heften wird jeweils eine Frage zum sexuellen Lustgewinn gestellt, was dafür spricht, dass dieser Themenbereich trotz Anstiegs nicht zu den am häufigsten vorkommenden zählt.

Abschließend kann für die quantitative Analyse des Stichprobenmaterials festgehalten werden, dass das Aufklärungs- und Ratgeberangebot insgesamt durch 40 Jahre hinweg ungefähr gleich umfangreich geblieben ist. Zu jeder Zeit konnten die Leser sich mit Fragen an die verschiedenen Ratgeberkolumnen wenden. Deutliche Unterschiede sind allerdings bei der thematischen Verteilung der Leserbriefe festzustellen. In den 60er und 70er Jahren beschränkten sich die Fragen hauptsächlich auf soziale...

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