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Sexueller Missbrauch im Kindheitsalter und die traumatischen Folgen

AutorSarah Proske
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl80 Seiten
ISBN9783656953470
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2015 im Fachbereich Psychologie - Beratung, Therapie, Note: 1,7, Fachhochschule Dortmund, Sprache: Deutsch, Abstract: Aufgrund meiner Erfahrungen in der Arbeit mit psychisch kranken Adoleszenten und Erwachsenen musste ich oftmals erfahren, wie schrecklich und folgenschwer sexueller Missbrauch in der Kindheit sein kann. Viele der Menschen, mit denen ich arbeitete, waren dadurch komplex traumatisiert, ihre Vergangenheit ließ sie nicht los; ihr Lebenslauf wurde von ihrer Vergangenheit determiniert. Daraus entstand meine Motivation, mich mit dem Thema des sexuellen Missbrauchs und seinen Folgen zu beschäftigen. Dabei war es ein großes Anliegen, herauszufinden, was bereits im Kindheitsalter gegen eine Lebenslaufdeterminierung durch das Trauma getan werden kann, wobei ich auf die Fachdisziplin Traumapädagogik stieß. In der folgenden Arbeit wird das Thema des sexuellen Missbrauchs im Kindheits-alter, basierend auf aktueller Literatur, bearbeitet und Definitionskriterien für seine Definition und sein Geschehen aufgeführt. Dabei steht als eine gravierende Folge dessen die Posttraumatische Belastungsstörung im Fokus und die Frage wird beantwortet, welche Möglichkeiten es zu einer Bearbeitung dieser Störung gibt. Durch die Selbstbemächtigung als Kernstück der Traumapädagogik, zu der die positive, transparente und wertschätzende Haltung der Fachkräfte enorm beiträgt, werden Kindern neue Möglichkeiten eröffnet, sich selbst wiederzufinden und ein eigenständiges Leben führen zu können, indem sie vielfältige Methoden zur Integration ihres Traumas erlernen.

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Leseprobe

2. Traumatisierungen


 

2.1 Was ist ein Trauma/Kindheitstrauma?


 

Das Wort Trauma entstammt dem Griechischen und bedeutet so viel wie ‚Wunde‘. (Gründer, Stemmer-Lück 2013: 26) Eine psychische Traumatisierung bedeutet somit ein Ereignis, das als potentiell lebensbedrohlich bewertet wurde und somit eine seelische Verwundung hervorruft, die die psychische Schutzbarriere durchdringt und eine Erhaltung der psychischen Integrität und des psychischen Wohlbefindens sowie aller Ressourcen, die zur Erhaltung und Regeneration dessen nötig sind, überwältigt und übersteigt. Auf Grund dieser Verwundung können alltägliche Aufgaben kaum oder nicht mehr bestmöglich bewältigt werden, da die benötigten Ressourcen zur eigenen Heilung des Traumas aktuell nicht zur Verfügung stehen. Angst und Hilflosigkeit verhinderten die Wirksamkeit von Flucht oder Kampf in der traumatischen Situation, welche durch die dissoziative Trennung von Steuerung und Erleben nicht genügend verarbeitet wurde. Treten nach dem traumatischen Ereignis negative Folgen auf, ist die Traumatisierung als Posttraumatische Belastungsstörung zu bezeichnen. (Cloitre, Cohen, Koenen 2014: 25, Hantke 2012: 65)

 

Da Kinder noch nicht voll entwickelt sind, ist bei ihnen eine höhere physische und psychische Vulnerabilität vorhanden. Der sexuelle Missbrauch bedroht die körperliche Unversehrtheit des Kindes, was die Schwere der traumatischen Belastung im Kindheitsalter bereits erhöht. (Cloitre, Cohen, Koenen 2014: 26)

 

Ein psychisches Trauma ist nach Fischer und Riedesser „[…] ein vitales Diskrepanzerlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und den individuellen Bewältigungsmöglichkeiten, das mit Gefühlen von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe einhergeht und so eine dauerhafte Erschütterung von Selbst- und Weltverständnis bewirkt“ (2009: 84) und negative Überzeugungen aktiviert. (Ebd.) Deshalb müssen der traumatisierte Mensch und seine Biografie als Individuum gesehen und seine wechselseitigen Beziehungen zwischen Personen und Umwelt berücksichtigt werden, wenn eine Traumatisierung bearbeitet werden soll.

 

Nach der Klassifikation psychischer Störungen in Kapitel F43 des ICD-10 zeichnet sich ein Trauma bzw. eine Posttraumatische Belastungsstörung (F43.1) durch verschiedene diagnostische Kriterien aus; ein Trauma ist demnach ein „[…] kurz- oder langanhaltendes Ereignis oder Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophalem Ausmaß, das nahezu bei jedem eine tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde.“ (Remschmidt, Schmidt, Poustka 1996: 198) Traumatisierte Kinder weisen anhaltende Erinnerungen oder Flashbacks (Wiedererleben der traumatischen Situation) in Verbindung mit der traumatischen Situation auf und meiden dem traumatischen Ereignis ähnliche Situationen, was sie vor diesem Ereignis nicht taten. Außerdem können sie sich entweder vollständig oder teilweise nicht an das Ereignis erinnern oder sie weisen mindestens zwei anhaltende Symptome wie Ein- und Durchschlafstörungen, Reizbarkeit oder Wutausbrüche, Konzentrationsschwierigkeiten, Hypervirgilanz oder eine erhöhte Schreckhaftigkeit auf. Diese Folgen treten als direkte Folge der schweren Belastung bzw. des kontinuierlichen Traumas auf. Wird diese Störung nicht ausreichend durch z.B. die später vorgestellte Fachdisziplin ‚Traumapädagogik‘ versorgt und behandelt, kann eine Chronifizierung der Folgen stattfinden, die in eine dauernde Persönlichkeitsstörung übergehen kann. (Ebd.: 197f)

 

Das amerikanische System DSM-IV-TR sieht eine Person bzw. ein Kind mit einem traumatischen Ereignis konfrontiert, wenn es „[…] erlebte, beobachtete oder […] mit einem oder mehreren Ereignissen konfrontiert [wurde], die tatsächlichen oder drohenden Tod oder ernsthafte Verletzung oder eine Gefahr der körperlichen Unversehrtheit der eigenen Person […] beinhalteten. Die Reaktion der Person umfaßte intensive Furcht, Hilflosigkeit und Entsetzen.“ Dies kann sich bei Kindern z.B. in aufgelöstem oder agitiertem Verhalten äußern. Das Trauma bzw. die Posttraumatische Belastungsstörung (F43.1) selbst äußert sich in z.B. Flashbacks oder wiederkehrenden Träumen. Dies kann auch beinhalten, dass die Kinder so handeln, als ob das traumatische Ereignis wiederkehre. Es liegen mindestens drei Symptome zur Vermeidung von Reizen vor, wie das bewusste Vermeiden von z.B. Gedanken oder Orten, die mit dem Ereignis in Verbindung stehen oder die Erinnerungsunfähigkeit an das Trauma. Kinder entfremden, lösen und isolieren sich letztendlich, haben Empfindungsstörungen, Zukunftsängste und fühlen sich wertlos. Ebenfalls liegen in den Diagnosekriterien des DSM-IV mindestens zwei der gleichen anhaltenden Symptome wie im ICD-10 vor, z.B. Schlafstörungen, Reizbarkeit, Schreckreaktionen etc. (Saß et al. 2003: 520f) Dabei erstreckt sich das Störungsbild über mindestens einen Monat und verursacht deutliches „[...] Leiden und Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.“ (Ebd.: 521)

 

Das Kindheitstrauma äußert sich in vielfältigen Weisen, dennoch können vier gemeinsame Merkmale aufgeführt werden, durch die das Vorliegen einer kindlichen Traumatisierung erkannt werden kann: Als Trigger für die sich aufdrängenden, wiederkehrenden Erinnerungen und das Wiedererleben des Traumas können visuelle, taktile, akustische Erinnerungen und Gerüche genannt werden. Auch werden repetitive Verhaltensweisen entwickelt, indem Teile des traumatischen Ereignisses reinszeniert und in endloser Folge wiederholt werden, obwohl die Kinder keinen Zusammenhang zu traumatischen Erlebnissen bilden. Ein Beispiel dafür ist das Aufweisen von sexualisiertem Verhalten und eine Übergriffigkeit gegenüber anderen (schwächeren) Kindern.

 

Kinder binden sich an die traumaspezifischen Ängste und verlieren ihr Vertrauen in die Menschen, sie entwickeln eine veränderte Einstellung zu Menschen, zum Leben und zur Zukunft. Es wird hier deutlich, dass das kindliche Weltverständnis durch ein traumatisches Ereignis erheblich erschüttert wird. (Fischer, Riedesser 2009: 289; Beckrath-Wilking et al. 2013: 301)

 

2.2 Traumatisierungsfaktoren bei sexuellem Missbrauch


 

Neben angeborenen und erworbenen Faktoren des Kindes wird beim kindlichen Trauma der kognitive, affektive, psychosexuelle und soziale Entwicklungsstand berücksichtigt. Fischer und Riedesser nennen spezifische Entwicklungsbereiche beim Kind, wie die Ressourcen und Defizite (s. Kap. 2.4), Abwehrmechanismen und Copingstrategien des Kindes, den traumatischen Prozess verarbeiten oder nicht verarbeiten zu können. (2009: 287f)

 

Beim Kindheitstrauma wird eine Typisierung nach Terr vorgenommen, es wird zwischen primärer und sekundärer Traumatisierung und Traumatisierungsfaktoren unterschieden, die beide zu unterschiedlichen Wahrnehmungen und langfristigen Konsequenzen führen. Die primäre Traumatisierung (Typ I Trauma) entwickelt sich aus den direkten Folgen des Missbrauchsgeschehens und beschreibt ein kurzes und einmaliges traumatisches Ereignis (Schocktraumatisierung). Die Erinnerung an das Trauma ist abgesehen von verzerrten Wahrnehmungen detailliert, meist können Kinder aufgrund ihrer kognitiven Unterlegenheit das komplexe Geschehen jedoch nicht verstehen und schreiben sich selbst die Schuld an der Traumatisierung zu, um das Trauma zu kompensieren. (Ebd.: 68; Fischer Riedesser 2009: 288)

 

Eine sekundäre Traumatisierung (Typ II Trauma) ist ein komplexes, wiederholtes und langfristig andauerndes traumatisches Geschehen und entwickelt sich weiterhin daraus, wie z.B. das nahe Umfeld wie Eltern, Freunde, Nachbarn etc. auf den Missbrauch und die Traumatisierung mit ihren Ursachen reagieren (Re-Trauma-tisierung). Wenn dem Kind z.B. bei dem Versuch, den Missbrauch mitzuteilen, kein Glauben geschenkt wird, kann dies ebenso traumatisierend wirken. Werden in früher Kindheit z.B. langanhaltende Erfahrungen von existenzbedrohender Gewalt wie z.B. sexuellem Missbrauch oder auch Vernachlässigung und Verwahrlosung erlebt, tragen Kinder dauerhafte Schäden davon, was unterschiedliche und schwere, andauernde Folgen, wie z.B. ein negatives und verzerrtes Selbstbild, haben kann. Merkmale dieses Traumatypen sind Verleugnung, Vermeidung, Anästhesie, Reinszenierungen sowie Depersonalisation und Dissoziation. Weiterhin können Mischformen beider Typen auftreten. (Bange, Deegener 1996: 68; Fischer Riedesser 2009: 288; Lang et al. 2013: 86)

 

2.2.1 Primäre Traumatisierungsfaktoren


 

Wie traumatisierend die Erfahrung von sexueller Gewalt sein kann, lässt sich durch spezifische Traumatisierungsfaktoren herausfinden. Die folgenden Faktoren sollen einen Überblick geben, wie bestimmte Faktoren das Ausmaß der Traumatisierung mitbestimmen, dennoch muss dabei berücksichtigt werden, dass jegliche Faktoren miteinander korrelieren können und somit einzelne Effekte schwer analysiert werden können.

 

Durch einige Studien wurde bewiesen, dass sexueller Missbrauch umso traumatischer wirkt, wenn eine vertraute Täter-Opfer Beziehung vorliegt. Der/die TäterIn muss nicht zwangsweise mit dem Opfer verwandt sein, ausschlaggebend ist hierbei die Intensität des Vertrauens und der emotionalen Nähe. Findet in einer von Vertrauen geprägten Beziehung ein Missbrauch statt, ist eine größere gefühlsmäßige Zerrissenheit, Enttäuschung und...

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