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Shackletons Führungskunst

Was Manager von dem großen Polarforscher lernen können

AutorMargot Morrell, Stephanie Capparell
VerlagRowohlt Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783644417113
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Der britische Polarforscher Ernest Shackleton und seine 27 Männer überlebten 1914 den Untergang des Schiffes «Endurance» im arktischen Packeis. Dass die Männer nach fast zweijährigem Überlebenskampf unter härtesten Bedingungen körperlich gesund und emotional stabil nach Hause zurückkehren konnten, war dem Krisenmanagement und der Führungskunst Shackletons zu verdanken. Er verwandelte eine Katastrophe in einen Triumph. Margot Morrell und Stephanie Capparell zeigen, wie Führungskräfte aus Wirtschaft, Forschung und Politik heute von Shackletons Erfahrung profitieren können.

Margot Morrell ist Finanzberaterin und arbeitet seit 24 Jahren für amerikanische Großunternehmen. Sie hat Bibliothekswissenschaften studiert und erforscht Shackletons Leben und Arbeit seit mehr als 16 Jahren. Margot Morrell lebt in New York.

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EINFÜHRUNG


Man nannte ihn den «größten Führer, der je auf Gottes Erde gekommen ist», und doch hatte er niemals eine Gruppe von mehr als 27 Männern geleitet, keines der Ziele erreicht, die er sich in seinem Leben gesteckt hatte, und bis vor kurzem erinnerte sich nach seinem Tode kaum jemand an ihn. Aber wenn Sie erst einmal die Geschichte Sir Ernest Shackletons und seiner denkwürdigen Antarktis-Expedition in den Jahren 1914 bis 1916 kennen, werden auch Sie in das überschwängliche Lob der Männer einstimmen, die er anführte. Er war ein Paradebeispiel für großartige Führung und vor allem ein Meister im Krisenmanagement.

Dies liegt daran, dass Sir Ernest Shackleton nur an Vorhaben scheiterte, deren Gelingen unwahrscheinlich war, während es ihm gelang, unvorstellbare Situationen zu meistern. «Ich liebe den Kampf und hasse es, wenn etwas leicht von der Hand geht», schrieb er einmal an seine Frau Emily. Er erreichte den Südpol nicht, als er 1902 als Mitglied der dreiköpfigen Südpolgruppe an der Discovery-Expedition des angesehenen Polarforschers Robert F. Scott teilnahm. Die Männer kehrten damals erst um, nachdem sie sich, ausgezehrt vom Skorbut, in einer erschreckenden Kälte, die nur eine Hand voll Menschen je erlebt hatten, dem Südpol bis auf 460 Meilen genähert hatten. Sechs Jahre später war Shackleton als Leiter seiner eigenen Expedition gezwungen, lächerliche 97 Meilen vor dem Südpol umzukehren, aber erst nachdem er erkannt hatte, dass seinem Team bei einer Fortsetzung der Reise der sichere Hungertod drohen würde. Sein Scheitern wurde ihm angesichts seiner großartigen Anstrengungen verziehen; König Edward VII. adelte ihn, und er wurde auf der ganzen Welt als Held geehrt.

Sein größter Misserfolg war seine Endurance-Expedition von 1914 bis 1916. Er verlor sein Schiff, bevor er überhaupt am antarktischen Kontinent anlegen konnte. Aber er erreichte einen neuen Höhepunkt in seinem Führungsgeschick, da es ihm gelang, nach qualvollem zweijährigem Überlebenskampf alle Teilnehmer der Expedition in Sicherheit zu bringen.

Diese Geschichte ist so erstaunlich, dass man sich fragt, warum die Saga der Endurance nicht Teil der Pflichtlektüre eines jeden Schulkindes geworden ist. Auch wenn Shackletons Expeditionen letzten Endes für ihn enttäuschend waren, weil er seine Ziele nicht erreichte, zeichnete er sich doch durch viele großartige Leistungen auf dem Weg dorthin aus. Im Discovery-Team gehörte Shackleton zu den ersten Menschen, die den Südpol zu erreichen versuchten und überhaupt von der antarktischen Küste aus ins Innere des Kontinents vorstießen. Shackleton entdeckte als Erster auf einer entlegenen antarktischen Insel Vegetation. Seine Nimrod-Expedition fand den magnetischen Südpol, der für Navigationstabellen von unschätzbarem Wert ist. Er fand als Erster Kohle in der Antarktis und änderte damit das Bild, das sich Wissenschaftler von der Zusammensetzung und vom Ursprung des weißen Kontinents gemacht hatten. Er führte Innovationen für Verpackungen, Kleidung, Verpflegung und Ausrüstung von Forschungsreisen sowie für den Transport ein.

Sir Ernest brach im Alter von 40 Jahren zu einer unabhängigen Forschungsreise auf, der letzten großen Expedition, die seiner Ansicht nach auf dieser Erde noch blieb: eine 1800 Meilen lange Überquerung des antarktischen Kontinents zu Fuß. Sein Expeditionsschiff, das in Anlehnung an das Familienmotto der Shackletons (Fortitudine Vincimus beziehungsweise «Durch Ausdauer [engl. Endurance] zum Sieg») Endurance getauft worden war, stach im August 1914, am Vorabend des Ersten Weltkrieges, in See und segelte nach Buenos Aires, zur Insel Südgeorgien und schließlich zum südlichen Polarkreis, wo es sich 1000 Meilen durch vereiste Gewässer kämpfte. Nur eine einzige Tagesstrecke von seinem Ziel, der Vahsel Bay an der antarktischen Küste, entfernt, blieb das Schiff «wie eine Mandel in einer Tafel Schokolade» im Packeis des Weddellmeeres stecken.

Die Männer waren über 1200 Meilen vom letzten Außenposten der Zivilisation entfernt auf einer Eisscholle gestrandet. Jedes Mal, wenn es schien, als könne ihre Lage unmöglich noch schlimmer werden, geschah jedoch genau dies. Das Packeis trieb das Schiff zehn Monate lang gefährlich nach Norden. Dann wurde die Endurance zermalmt, und die Männer waren gezwungen, auf dem Eis zu kampieren. Einen Monat später mussten sie entsetzt zusehen, wie ihr Schiff auf den Meeresgrund sank. Niemand in Europa und Amerika wusste, dass ihnen etwas zugestoßen war. Alles, was ihnen zur Verfügung stand, waren drei unsichere Rettungsboote, die sie aus dem Schiff geborgen hatten. Jeder Mann durfte nur wenige überlebensnotwendige Gegenstände mitnehmen; mehr erlaubte Shackleton nicht. Goldmünzen und eine Bibel wurden als Erstes zurückgelassen; gerettet wurden persönliche Tagebücher und ein Banjo.

Wenn die grimmigen Unwetter ihren Höhepunkt erreichten, mussten die Männer extreme Temperaturen ertragen, bei denen sie das Wasser gefrieren hören konnten. Die beißende Kälte ließ ihre Kleidung festfrieren und verursachte brennende Schmerzen an Händen und Füßen. Sie schliefen in Zelten, die so dünn waren, dass sie den Mondschein durch die Zeltplane sehen konnten. Sie verbrachten fast vier Monate in der eisigen Dunkelheit der langen Polarnacht. Als der antarktische Sommer endlich wärmere Temperaturen und die Aussicht auf ein wenig Erleichterung brachte, erwachten die Männer jeden Morgen in kalten Wasserpfützen, da ihre Körperwärme den Eisboden ihrer Zelte schmelzen ließ. Sie ernährten sich größtenteils von Pinguin- und Robbenfleisch – zuweilen auch von Hundefleisch –, ein Speiseplan, der sie schwach und zittrig machte.

Der neuseeländische Polarforscher Sir Edmund Hillary brachte 1976 sein Mitgefühl mit den Teilnehmern an der Expedition der Endurance zum Ausdruck: «Gefahr ist eine Sache, aber Gefahr und extreme Entbehrungen über eine lange Zeit hinweg sind etwas ganz anderes. Die meisten Menschen können ein wenig Gefahr ganz gut trotzen – schließlich verleiht sie der Herausforderung ihren besonderen Reiz –, aber niemand erträgt gern körperliche Qualen.»

Als schließlich das Eis unter ihnen zu brechen begann, bestiegen die Männer ihre drei kleinen Rettungsboote. Nach mehr als vier Monaten geisttötender Monotonie mussten sie sich plötzlich in einen heftigen Kampf ums Überleben stürzen, der sie bis an die Grenzen der menschlichen Fähigkeiten forderte. Auf der Suche nach Land kämpften sie fast eine Woche lang gegen das Meer. Sie froren, waren hungrig und erschöpft und so durstig, dass ihnen die Zunge im Mund anschwoll. Als sie endlich Elephant Island erreichten, mussten sie feststellen, dass es sich um ein stinkendes, von Pinguin-Guano bedecktes Stück Land handelte, über welches ständig wilde Stürme hinwegfegten. Ein Großteil der Mannschaft verbrachte die letzten Monate ihrer qualvollen Odyssee kauernd unter zwei umgekippten Rettungsbooten.

Schließlich segelte Shackleton mit fünf Männern 800 Meilen in einem Rettungsboot über die stürmische See, zu der bewohnten Insel Südgeorgien im Südatlantik. Wie durch ein Wunder erreichten die Männer ihr Ziel mit knapper Not, mussten dann jedoch noch eine nahezu unpassierbare eisbedeckte Bergkette überqueren, um in die Zivilisation, zu einer Walfangstation zu gelangen. Die Walfänger, die in ihrem eigenen harten Leben schon viel gesehen hatten, bewunderten die Unbesiegbarkeit der schwer von den Elementen gezeichneten Männer. Shackleton machte sofort kehrt und leitete eine Rettungsaktion für die übrigen auf Elephant Island zurückgebliebenen Männer ein. Erstaunlicherweise hatten ausnahmslos alle überlebt.

Dies war Shackleton zu verdanken.

Napoleon hat einmal gesagt: «Ein Führer handelt mit Hoffnung.» Shackleton wusste, wie er Hoffnungen aufrechterhalten konnte – während der Nimrod-Expedition 1907 bis 1909, als die Männer dem Tod näher waren als ihrem wartenden Schiff, und auch während der endlosen Strapazen der Endurance-Expedition. War es vermessen anzunehmen, dass sie lebend aus dieser Geschichte gerettet werden könnten, so überzeugte er seine Männer davon, dass nur ein Narr daran zweifeln würde. «Wir steckten im Schlamassel, und der Boss war der Mann, der uns da rausholen konnte. Es zeugt von der Qualität seiner Führung, dass uns dies geradezu wie eine Selbstverständlichkeit vorkam», sagte Reginald W. James, Physiker auf der Endurance.

«Der Boss», wie ihn seine Männer nannten, verdankte seinen Erfolg dem von ihm gelegten Fundament aus Kameradschaft, Loyalität, Verantwortungsbewusstsein, Entschlossenheit und vor allem Optimismus. Die Frühzeit der Polarforschung ist voll von grausigen Geschichten über den Untergang von Männern, die nicht das Glück hatten, der Obhut eines Führers wie Shackleton anvertraut gewesen zu sein. Sie gingen elend an Unfällen, Hunger, Auszehrung und Krankheiten zugrunde; sie standen am Rande des Wahnsinns, wurden in den Selbstmord getrieben und sahen den einzigen Ausweg in Meuterei, Mord oder gar Kannibalismus.

1912 endete die Antarktis-Expedition des australischen Polarforschers Douglas Mawson in einer Katastrophe. Er verlor seine beiden Gefährten – einer kam bei einem Unfall ums Leben, der andere verhungerte. Er selbst litt so sehr unter Skorbut, dass er seine Fußsohlen an seinen Füßen festbinden musste, nachdem sie sich abgelöst hatten. Beim ersten amerikanischen Versuch, den...

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