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E-Book

Sie kannten Richard Strauss

Ein Genie in Nahaufnahme

AutorChristoph Wagner-Trenkwitz
VerlagAmalthea Signum Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783902862785
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Unbekanntes aus dem Familienarchiv 'Von meiner ersten Jugend berichtet meine Mutter, dass ich auf den Klang des Waldhorns mit Lächeln, auf den Ton einer Geige mit heftigem Weinen reagierte.' Dies ist die früheste musikalische Erinnerung von Richard Strauss, der, wie kaum ein anderer, durch sechs Jahrzehnte die deutsche und internationale Musik prägen sollte. Im Mittelpunkt dieser sehr persönlichen Lebensbeschreibung stehen die Erinnerungen des Enkels Christian Strauss, der den liebevoll-strengen Großvater und alternden Patriarchen sowie die Lebensumstände der Familie in den dreißiger und vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts beschreibt. Freunde, Künstler, Kollegen und Briefpartner von Richard Strauss kommen zu Wort und zeichnen das Porträt eines 'Genies in Nahaufnahme', das mit Fotomaterial aus dem Familienarchiv ergänzt wird.

Christoph Wagner-Trenkwitz, Mag. phil., geboren in Wien, war Chefdramaturg der Wiener Staatsoper und ist seit 2003 Direktionsmitglied, seit 2009 Chefdramaturg der Wiener Volksoper. Radio- und TV-Moderator, Darsteller sowie Autor zahlreicher erfolgreicher Bücher und Biografien. Zuletzt bei Amalthea erschienen: 'Es grünt so grün ... Musical an der Wiener Volksoper' (2007), 'Schon geht der nächste Schwan. Eine Liebeserklärung an die Oper in Anekdoten' (2009) und 'Schwan drüber. Neue Antiquitäten aus der Oper und dem wirklichen Leben' (2012).

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Leseprobe

»Nicht der Held aus seinem ›Heldenleben‹ «


Frühe Zeugnisse

Was Bruno Walter auf die Frage meinte, ob Dirigenten »geboren« oder »gemacht« werden, trifft wohl auch auf musikalische Schöpfer zu: »First they are born, then they are made.« Richard Strauss, geboren am 11. Juni 1864 in München, war einerseits berufen und bestimmt, Musiker zu werden; dass aus ihm einer der größten »Tonsetzer« (wie man das damals noch nannte) aller Zeiten – und »nebenbei« ein international umjubelter Pultstar – geworden ist, hat er vielen Wegbegleitern zu verdanken ... und letztlich doch sich selbst. Die Karriereentscheidungen, die er in den ersten Lebensjahrzehnten traf, waren die richtigen; die Wahl der Partnerin fürs Leben – obwohl von vielen Seiten abschätzig kommentiert – ebenfalls. Als junger »Sensationsmusiker«, als reifer Komponist, für einige Jahre auch als Operndirektor stand Richard Strauss mitten in seiner Zeit und war doch ein Unpolitischer. Präzisieren wir: Er war so unpolitisch, dass er nicht merkte, wenn seine Handlungen ausgeprägte politische Folgen hatten. Weder seine Haltung zum Wilhelminismus noch jene zur Weimarer Republik scheint Beobachter von heute zu interessieren. Die Aufmerksamkeit für Strauss’ Stellung zum Nationalsozialistischen Regime hingegen – sprechen wir diesen Punkt nur gleich an – überwuchert jene für seine Musik. Auch diese Frage wird das Buch beleuchten; wenden wir uns zunächst aber den Prägungen seiner Kindheit und Jugend zu. So erinnert sich die um drei Jahre jüngere Schwester Johanna an ihn:

Richard war ein auffallend schönes Kind, ein Lockenkopf, lebhaft, mit sprühenden Augen, die aber auch, wie ein Kindheitsbildchen zeigt, verträumt und schwärmerisch blicken konnten.

Und dies notierte er selbst:

Von meiner ersten Jugend berichtet meine Mutter, daß ich auf den Klang eines Waldhorns mit Lächeln, auf den Ton einer Geige mit heftigem Weinen reagierte. Mit viereinhalb Jahren bekam ich den ersten Klavierunterricht [...]. Ich war aber immer ein schlechter Schüler, da das notwendige »Üben« mir immer wenig Spaß machte, dagegen habe ich gerne vom Blatt gelesen, um möglichst viel Neues kennen zu lernen.

Dies die frühesten Erinnerungen eines späteren Genies, damals noch Wunderkind. Einblicke in das musische Elternhaus gibt Strauss in seinen »Betrachtungen und Erinnerungen«. Der Vater Franz Joseph Strauss (1822–1905) war hoch angesehener Hornist im königlichen Hofopernorchester zu München. Ihn beschreibt der Sohn in gütigen Worten als einen typisch bayrischen »Sturschädel«. Auch der bedenkliche, aber aus heutiger Sicht nicht übertrieben zu bewertende »Konversations-Antisemitismus« klingt in Strauss’ Erinnerungen an:

Er war ein sogenannter Charakter. Er hätte es für ehrlos gehalten, ein einmal als richtig erkanntes künstlerisches Urteil jemals zu revidieren und war einer Belehrung meinerseits bis ins höchste Alter unzugänglich. [...]

1 Waldhornist Franz Joseph Strauss in jungen Jahren (Aquarell)

Mein Vater war sehr jähzornig: mit ihm zu musizieren war ein aufregendes Vergnügen. [...] Er hielt streng auf Rhythmus, wie oft schrie er mich an: »Du eilst ja wie ein Jude!« [...] Durch eine schwere Jugend war mein Vater im Charakter verbittert worden. Früh Waise geworden, kam er zu einem Onkel Walter in Nabburg, der dort Türmerdienste versah und ein harter, strenger Mann gewesen sein muß. Mein Vater mußte viele Nachtwachen für ihn versehen, während welcher er für sich ein wenig Latein betrieb. Zu Hause war er sehr heftig, jähzornig, tyrannisch, und es bedurfte der ganzen Milde und Güte meiner zarten Mutter, um das Verhältnis meiner Eltern, trotzdem es stets von aufrichtiger Liebe und Wertschätzung getragen war, in ungetrübter Harmonie verlaufen zu lassen. Wie weit allerdings die sehr empfindlichen Nerven meiner Mutter darunter wirklich gelitten haben, kann ich heute nicht mehr entscheiden. Meine Mutter mußte von jeher ihre Nerven derart schonen, daß sie, obwohl sehr poetisch veranlagt, wenig lesen konnte und Theater- und Konzertbesuche oft mit schlaflosen Nächten büßen mußte. Aus ihrem Munde kam nie ein böses Wort, und am glücklichsten war sie, wenn sie mit ihrer Handarbeit (Stickerei) beschäftigt, die Sommernachmittage still und einsam in dem hübschen Garten der Villa meines Onkels Pschorr verbringen konnte, wo auch wir Kinder nach Schulschluß uns einfanden und gewöhnlich die Sommerabende im Freien oder bei einer Kegelpartie zubrachten.

2 Der fünfjährige Richard

Die Mutter Josepha Strauss (1838–1910), geborene Pschorr, war eine sehr labile Persönlichkeit, ihre Angstzustände und Nervenzusammenbrüche erzwangen regelmäßig ärztliche Behandlung und wiederholte Einweisung in Nervenheilanstalten. Bemerkenswert, dass die Temperamentverteilung im Hause Richard Strauss später umgekehrt erscheinen wird; wiewohl gefestigt und robust, war Richard doch eher der stille und in sich gekehrte Teil, während die Ehefrau Pauline mit hysterischen Anfällen nicht geizte.

Jedenfalls war Vater Franz die treibende Kraft in der Ausbildung des Sohnes, er wachte auch über dessen oft unbeherrschte Art: »Sei mit Deinem raschen Mundwerk nicht zu vorlaut«, schreibt er an den Sohn. Und auch folgender briefliche Rat vom Oktober 1885 ist beachtenswert:

Gebe auf Deine Gesundheit acht und vergesse Deine Nase nicht und denke daran, daß Du viel mit Damen verkehren mußt.

3 Die Eltern mit Richard Strauss’ Sohn Franz (ca. 1904)

4 Der Abiturient

Die Schule erledigte Richard mit überdurchschnittlicher Intelligenz gleichsam nebenbei. Karl Welzhofer, Klassenlehrer im königlichen Ludwigsgymnasium München, beurteilte den Schüler 1875:

Wohl wenige Schüler gibt es, die in gleichem Grade Pflichtgefühl, Talent und Lebhaftigkeit in sich vereinigen. Sein Eifer ist sehr groß, er lernt ebenso gern als leicht. Was er leistet, macht ihm Freude und spornt ihn zu größerem Fleiße an. Seine Aufmerksamkeit beim Unterricht ist sehr groß, nichts entgeht ihm. Und doch kann er kaum eine Minute lang ruhig sitzen, seine Bank ist ihm ein sehr leidiges Ding. Ungetrübte Heiterkeit und Fröhlichkeit lacht ihm aus den blauen Augen Tag für Tag. Offenheit und Herzlichkeit liegen deutlich ausgeprägt in seinen Zügen. Seine Leistungen sind gut, sehr gut. Einen solchen Knaben muss jeder Lehrer lieb gewinnen, ja es ist fast schwer, keine Vorliebe zu verraten. Strauss ist ein angehendes musikalisches Talent.

Richard Strauss hat den aufbrausenden, aber im Grunde gütigen Charakter seines Förderers Hans von Bülow (1830–1894) in späteren Jahren mit dem seiner Frau Pauline verglichen. An und über seinen Schützling schrieb Bülow:

Zu Strauss’ Charakter habe ich ebensoviel Vertrauen als zu seinem Talent. [...]

Sie gehören zu den Ausnahmemusikern, die nicht von der Pike auf zu dienen nötig haben, die das Zeug haben, sofort einen höheren commandierenden Posten zu bekleiden. [...]

Der Anblick Ihrer Handschrift allein macht mich schon guter Laune. Sie haben immer etwas zu sagen, wenn Sie schreiben, sei es in Ihren Noten oder Buchstaben.

1885 wurde Richard Strauss, von Hans von Bülow gefördert, Musikdirektor der Herzoglichen Kapelle in Meiningen. Eine Glosse (über die sich Strauss sehr amüsierte) in der Sonntagsbeilage »Isaria« schilderte den jungen Kapellmeister und seinen Mentor:

Dr. Bülow spazierte auf der Bühne umher und musterte den Saal. Ein blasser, langhaariger Jüngling soll die Ouvertüre dirigieren. Er sieht aus, als ob er die jüngsten 14 Tage von neugeborenen Lämmern gelebt und dazu Karlsbader Wasser getrunken hätte. Der Herzog mit Gemahlin tritt in die kleine Loge und das Orchester beginnt. Herr von Bülow arbeitet in schwedischer Heilgymnastik, i. e. Oberkörperschwingungen, und der langhaarige Jüngling macht seekranke Bewegungen.

Die Augenzeugin Lilly Reiff berichtete von einer »Wildschütz«-Vorstellung in München 1887, dass Richard Strauss während des Dirigierens plötzlich gestockt habe und zusammengesunken sei. »War Ihnen nicht gut?«, fragte sie nach der Vorstellung besorgt. »Nein«, antwortete Strauss, »komponiert hab’ ich. Mir ist grad eine hübsche Melodie eingefallen, und die da oben können’s doch auch eine Weile ohne mich.«

Doch wenig später wurde es ernst mit der gesundheitlichen Krise. Das vom Vater ererbte Asthma kulminierte dank einer verschleppten Erkältung 1891 in einer schweren...

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