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E-Book

Single Mom

Was es wirklich heißt, alleinerziehend zu sein

AutorCaroline Rosales
VerlagRowohlt Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783644403383
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Mit 34 Jahren trennt sich Caroline Rosales vom Vater ihrer zwei Kinder und ist fortan alleinerziehend. Aus dem ruhigen Familienbezirk im Grünen zieht sie ins «Problemviertel», die Vollzeit-Mama wird wieder berufstätig. In ihrem Buch schreibt Rosales über das Leben als Single Mom und berichtet von den Schwierigkeiten, dem gesellschaftlichen Tadel. Sie erzählt von der Missgunst unter Müttern, finanziellen und beruflichen Problemen, Dates und Patchwork-Experimenten, aber auch von neu gewonnenen Freiheiten und ungeahnten Kräften und dem völlig überraschenden, gefühlsextremen Leben mit zwei kleinen Kindern. Sie will kein Mitleid und keine Datingtipps und trotzdem eine Antwort auf die Frage: Werde ich je wieder mit jemandem kuscheln, der größer als 120 Zentimeter ist? Humorvoll und ehrlich schreibt Rosales über ihr Leben als Alleinerziehende. «Ich wollte kein Mitleid und schon gar keinen neuen Papi für meine Kinder.»

Caroline Rosales, geboren 1982 in Bonn, ist Autorin mehrerer Sachbücher, arbeitet als Redakteurin der FUNKE Zentralredaktion in Berlin und ist Kolumnistin der Berliner Morgenpost. Sie schreibt hauptsächlich über Kultur- und Gesellschaftsthemen. Mit ihren Beiträgen bei ZEIT Online über Prostitution, Mode, Mutterrollen oder Weiblichkeit sorgt sie gerne für Debatten. Mit ihren beiden Kindern lebt die Autorin in Berlin.

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Leseprobe

Mein Leben in Kisten


Ich war nicht am Ende – aber ich war auch nie wirklich am Start. Es war Juli, der heißeste Sommertag des Jahres, und ich spielte Tetris. Stapelte in der freien Wohnzimmerecke meines bald ehemaligen Heims mit den bodentiefen Fenstern in Berlin-Pankow Umzugskartons in die Höhe. Ich packte eine Kiste nach der anderen. Zehn Bücher nach unten. Ein Kerzenleuchter in die Mitte. In Zeitungspapier eingewickelte Gläser und Teller nach oben.

Ich konnte das bis um 7.30 Uhr am nächsten Morgen, wenn das Umzugsunternehmen eintreffen sollte, alles gar nicht schaffen, aber Logik war für mich gerade keine gültige Währung. Ich wälzte keinen Felsbrocken vor mir her wie Sisyphus, ich hob mit meinen 1,70 Metern Kartons in zwei Meter Höhe. Die Wand aus Kartons wurde größer und größer. Ich war Superfrau im ausgeleierten T-Shirt und mit Flip-Flops – potenter als Hugh Hefner in den Sechzigern. Die optimierteste Frau ever. Ever, ever.

 

Vor vier Monaten hatte ich mich von Marius, dem Vater meiner zwei Kinder getrennt. Vielleicht eine Bilanz-Geschichte, vielleicht eine Ansammlung aus vielen Kleinigkeiten, unsinnig, darüber zu sprechen – wir hatten es einfach nicht geschafft, zusammenzuhalten. Dabei sind wir aus demselben Holz gemacht. Zähe, ehrgeizige, unerschrockene Menschen. Das mag ich bis heute an ihm.

Ich habe Marius noch nie jammern hören. Selbst nach den schwersten Krisen und Ärgernissen in den vergangenen fünf Jahren als Eltern war er gut gelaunt. Marius ist groß, hat sehr blondes volles Haar. Als ich ihn kennenlernte, trug er eine rot karierte Jacke und eine dieser Nerd-Brillen, die damals im Jahr 2009 hip waren. Er machte mir den Hof, ging mit mir auf weite Reisen und öffnete mir sofort sein Heim. Vier Monate nach unserem Kennenlernen zog ich bei ihm ein. Da hatte er schon sein ganzes Badezimmer und seine Küche mit meinen Lieblingssachen bestückt. Kosmetik und Orangen. Himmel, ich liebe Orangen. Er hatte gleich zehn Kilo auf Vorrat gekauft. Er war immer sehr großzügig mit mir, warmherzig und lustig. Dann wurde ich schwanger, und der Ton zwischen uns änderte sich sehr schnell. Nachdem Max geboren war, schien mir Marius nicht mehr derselbe Mensch zu sein. Er war im Gegenzug traurig, dass ich mich die ganze Zeit beschwerte. So schnell hatten wir zueinandergefunden, so schnell erkannten wir allerdings auch, dass wir keine gemeinsame Idee vom Leben hatten. Wir gaben nicht auf, wollten eine Familie sein – im Jahr 2014 kam dann Lila auf die Welt. Mehr Glück, aber auch mehr zerbrochenes Porzellan.

Zwei Jahre später suchte sich Marius eine eigene Wohnung, und ich hielt das für eine gute Idee. Weil ich unglücklich war und mir selbst nicht mehr gefiel, mir lästig geworden war – auch als Abbild der vermeintlich perfekten Mutter. Denn nicht nur hatte mein Kinderwagen in den vergangenen vier Jahren immer das richtige Label gehabt, auch in meinem Kopf hatte immer die gerade angesagte Einstellung zu Mutterschaft, Erziehung und Lebensführung vorgeherrscht. Dafür war eine Gehirnwäsche gar nicht nötig gewesen, eine leichte Spülung hatte völlig ausgereicht. Ich hatte mir einiges abgeschaut und angelesen und war der Überzeugung, immer das Richtige und das Beste zu tun. Als Mutter, als Frau, als Angetraute und als Freundin. Ich spielte meinen Part als jedermanns Liebling wie im Schlaf. Ich entwarf und optimierte Einkaufslisten, putzte Kindernasen, noch bevor sie liefen, erinnerte mich an Schwiegermutters Geburtstag, kannte den Allergieplan der Kinder auswendig, kaufte säurearm und bio ein, applaudierte bei jeder Beförderung des Mannes, erinnerte Verwandte daran, zum Arzt zu gehen, und wusste immer, wann die Q-tips-Box leer war und wo der verlorene Schlüssel steckte. Ach ja, und nebenbei schrieb ich noch das ein oder andere Sachbuch zum Thema Karriere- und Familienplanung. Darüber, wie großartig alles so lief.

Was soll ich sagen: Innerhalb kürzester Zeit war ich von einer Redakteurin bei einer großen Zeitung zu einem hübschen Abziehbild einer Großstadt-Mama geworden, die ihre Festanstellung gekündigt hatte, um sich neuen Aufgaben zu widmen: der Vollzeit-Mutterschaft.

Und weil das alles so schnell ging, scheint es mir im Rückblick so, als wäre ich eines Tages aufgewacht und hätte mit einem Mal einen Mann, zwei Kinder und eine große Wohnung im Herzen Berlins gehabt. Plötzlich war ich Anfang 30, Mutter von Max und Lila und Marius’ lovely wife. Darf ich mich vorstellen: Caroline Rosales, Hausfrau mit Studienabschluss.

Genau die packte also hier und heute, sechs Jahre nachdem sie den Vater ihrer Kinder kennengelernt hatte, alleine Kartons, weil ihr irgendwann auf dem gemeinsamen Weg der Kragen geplatzt war. Ebenjene, die trotzdem immer noch alles besser wusste und der Hilfe anzunehmen unangenehm war.

Ich war bei Umzugskiste Nummer 24 angekommen. Das Raclette-Gerät mit den Pfännchen und den Holzschabern. Umhüllt von Küchentüchern. Darauf stapelte ich noch drei Bücher, darunter Albert Camus’ «L’exil et le royaume». Und ein paar angestaubte Martini-Gläser. Mein ganzes Leben in Kisten. Ein Umzug weckt den ganzen Gemischtwarenladen der Erinnerungen. Von Schulzeit über Studium, große Erwartungen, berufliche Erfolge bis hin zu Kindern und nun: gescheiterter Familienführung.

Ich schloss den Karton und ließ mich auf die Couch fallen, die da noch einsam wie ein Monolith mitten im Wohnzimmer stand. Nur ein Moment Ruhe. Ich schloss die Augen. Ich war unendlich isoliert und hatte das Gefühl, selbst schuld daran zu sein.

Ich griff zum nächsten Karton, als ich aus dem Kinderzimmer einen lauten Knall und den dazugehörigen Schrei meiner zweijährigen Tochter hörte.

«Mann», rief ich durch die halbleere Wohnung und hastete ins Kinderzimmer. Lila stand mitten im Raum und hielt ihren Zeigefinger in die Höhe.

«Sssranktür auf meinen Finga.» Zwei dicke Tränen rollten meinem Mädchen die roten Bäckchen hinunter.

Ich schimpfte gleich los: «Dann pass besser auf. Außerdem hast du keine Schuhe an. Gleich stößt du dich!» Während ich mich ein weiteres Mal in ihre kleinen dicken Füße verliebte, die jetzt in ein Paar rosa Ballerinas schlüpften, blickte ich mich um. Das Kinderzimmer war schon halb leer, irgendwie ein Lichtblick.

Wieder hörte ich einen lauten Knall gleich neben mir. Mein Großer war dabei, Kinderbücher in einen leeren Karton zu hauen. Der Knall hallte durch das Zimmer.

«Könntest du die Bücher bitte nicht werfen, Max?! Die kosten Geld. Danke!», sagte ich gereizt.

Max rollte mit den Augen. «Aber Mama, unsere Arme sind zu kurz. Wir können die Bücher nicht leise in den Karton legen. Wir kommen nicht bis zum Boden.»

Touché! Ein Lachen entfuhr mir durch meinen geschlossenen Mund.

Ich schnappte mir Max, drückte ihn, wiegte ihn hin und her. Weil ich mich ganz plötzlich daran erinnerte, wie sehr ich auch ihn liebte, das Baby, das er einmal war, und den kleinen Jungen, der er heute ist.

«Mama», beschwerte er sich. Ich ließ ihn runter und sah ihm zu, wie er zu seinen Playmobil-Piraten zurücklief, wie er sie liebevoll in einen der Kartons legte.

Wie konnte ich ihm das bloß antun? Mich von seinem Papa zu trennen.

Für Außenstehende sah mein Leben sicher perfekt aus, für mich stellte sich das allerdings anders dar. Meine Tage waren – auch ohne Bürojob oder berufliche Tätigkeit – durchgetaktet. Sich selbst Stress zu machen, schafft man ja am besten allein. Und weil ich alles autonom organisierte, besorgte und machte, war ich auch mein einziger Boss. Marius in den Alltag einzubeziehen, hätte – da war ich mir sicher – nur zu Terminproblemen und Organisationschaos geführt, und noch mehr Stress wollte ich schließlich nicht haben. Anfangs hatte es immerhin noch zarte Ansätze der Kooperation gegeben. Mal hatte ER den Großen vom Kindergarten abgeholt und auch mal einen Samstagnachmittag aufgepasst, als ich ein Seminar gebucht hatte. Doch mit meinem angeborenen Perfektionismus stand ich uns beiden im Weg. So gab es Streit beim abendlichen Zusammentreffen, weil Biogemüse XY nicht vorschriftsgemäß verkocht worden war, Gezanke, weil er an meinem Geburtstag abends noch eine Dienstbesprechung hatte. Irgendwann machte ich zu Hause alles nur noch alleine, es schien mir mit weniger Auseinandersetzung verbunden.

Dass ich tagsüber mit den Kindern alleine war, nahm ich als gegeben hin, irgendwie war es in Personalunion ja auch am einfachsten. Meine Tochter stillte ich weit über ihr erstes Jahr hinaus – sie war völlig auf mich fixiert. Wer, außer mir, hätte sich also tagsüber um die beiden kümmern können? Ich war schließlich ihre stolze Mama.

Die vergangenen Jahre stand ich täglich spätestens um sieben Uhr auf, zog die zwei Kinder an, wechselte Windeln, kochte Haferbrei mit Banane und Rosinen und abends dann Broccoli mit Fisch. Ich setzte mich auf wechselnde Spielplätze, weil mein Sohn Max mit zweieinhalb Jahren noch keinen Kindergarten besuchte. Man soll sie ja möglichst lang zu Hause behalten, hatte der Pädagoge des von mir konsultierten Ratgebers geschrieben. Lila war noch ein Baby, und frische Luft tat beiden so gut. Es machte mir nichts aus, die Mittagsschlafzeiten von Baby und Kleinkind zu koordinieren, alles war ja irgendwie im Flow. Das Wort «Flow» benutzte ich übrigens auch, wenn sich Freunde und Verwandte erkundigten, wie es mir ging.

Ich war so patent, so bemüht, dass in meinen Augen mindestens das Bundesverdienstkreuz fällig gewesen wäre, stattdessen wurde ich immer unzufriedener. Genervt,...

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