Wie bereits ausgeführt ist Smart Metering ein ganzheitlicher Ansatz, der über die technischen Spezifikationen Konsequenzen für die unterschiedlichsten Teilbereiche der Unternehmen nach sich zieht. Es gibt beispielsweise auch organisatorische Aspekte, die zu Bedenken sind. Unabhängig von der technischen Umsetzung, sind Vorbereitungen auf eine Neuorganisation von Fachbereichen zu treffen. Diese sind abhängig vom Grad der Automatisierung. Das System „Smart Metering" ersetzt Mitarbeiter in unterschiedlichen Funktionen, erfordert jedoch auch wieder neue Mitarbeiter mit neuen Aufgaben. Diese Aufgaben erfordern möglicherweise ganz andere Kenntnisse und Fähigkeiten von den Mitarbeitern als bisher. Es ist also davon auszugehen, dass es nachhaltige Änderungen in den Stellenplänen sowie auch in der Aufbauorganisation der betroffenen Unternehmen geben muss.
Abbildung 5: Betroffene Prozesse durch Smart Metering (rot markiert)[23]
Durch diese neuen Strukturen innerhalb der Unternehmen, wird die gesamte Prozesslandschaft beeinflusst. Die Abbildung stellt betroffene Prozesse in den beteiligten Unternehmen dar. Jedes der markierten Felder repräsentiert aber nicht nur einen Einzelprozess, sondern bezeichnet den allgemeinen Prozess, der wiederum eine eigene Prozesslandschaft beinhalten kann. Bezeichnend für die Wirkungen von Smart Metering ist, dass sie sich nicht nur auf einen Marktpartner bzw. Eine Unternehmensebene beschränken. Vielmehr lassen sich Einflüsse auf vielen Stufen der Wertschöpfungskette erkennen sowie auch innerhalb der Unternehmen selbst. Vom operativen Geschäftsbereich bis hin zur strategischen Planung des Unternehmens, sind die Einflüsse in den Prozessen zu spüren.
Allein diese Tatsache lässt die Notwendigkeit für die Analyse dieses ganzheitlichen Ansatzes erahnen. Wird dabei auch noch der Aspekt der Produktpolitik und Strategieentwicklung hinzugezogen, erscheint die Implementierung der technischen Lösung eher gering, denn die Technik ist nur das Werkzeug. Die Aufstellung auf den Märkten sowie die Generierung von Alleinstellungsmerkmalen geben am Ende den Ausschlag über Erfolg und Misserfolg.
Die technischen Anforderungen sind in einer Vielzahl von Veröffentlichungen beschrieben, doch die Frage nach der organisatorischen Struktur, die eine so komplexe Infrastruktur fordert, wird weitestgehend außer Betracht gelassen.[24] [25] Der Gesetzgeber sowie auch die Situation auf den Versorgungsmärkten fordern Maßnahmen zur Neuausrichtung der Unternehmen.
Hierbei muss zwischen zwei großen Themen unterschieden werden. Zum einen erfordert die beschlossene Liberalisierung des Messwesens und die damit verbundene Auslagerung von Aufgaben des Netzbetreibers an eine weitere Marktrolle eine Veränderung in der Unternehmensstruktur. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die entstehende Infrastruktur große Teile der Arbeit übernimmt, die bisher nur teilautomatisiert durch Sachbearbeiter erledigt wurde. Daher muss jedes der betroffenen Unternehmen nochmals die Kernaufgaben und die damit verbundene Unternehmensausrichtung überdenken.
Entscheidend für eine effiziente Unternehmensstruktur ist die optimale Unterstützung der wertschöpfenden Prozesse. Bei näherer Analyse des Marktes sowie der Technologie fällt auf, dass sich die Marktpartner überwiegend Prozesse gegenseitig in Rechnung stellen. Es geht demnach nicht um eine zu liefernde Menge einer beliebigen Ware, sondern vielmehr um Dienstleistungen wie Abschaltung einer Verbrauchsstelle oder deren Ablesung. Diese Prozessorientierung ist historisch zu begründen, da die beteiligten Unternehmen einmal selbst Teil einer großen Ursprungsgesellschaft waren und intern die Leistungen bereits verrechnet wurden.
Der Aufbau eines Unternehmens kann sehr verschieden ausgerichtet sein. Eine Betrachtung aller möglichen Organisationsarten soll nicht erfolgen. Die betroffenen Marktrollen sollen lediglich darauf hin untersucht werden, welche Unternehmensteile durch die Realisierung von Smart Metering bzw. die Trennung von Netzbetrieb und Messwesen betroffen sind. Im vorangegangenen Teil der Arbeit konnten drei direkt durch Smart Metering betroffene Marktrollen identifiziert werden. Dabei handelt es sich die am nächsten zum Kunden gelegenen Marktpartner, der Lieferant, der Verteilnetzbetreiber und der Messstellenbetreiber.
Damit die Änderungen spezifiziert werden können, sollte im ersten Schritt überlegt werden, welche Aufgaben verlagert werden. Dazu ist zum einen zu überprüfen welche Kernaufgaben die neue Marktrolle hat. Diese werden dann folglich in anderen Unternehmen überflüssig. Zum anderen gilt es die Aufgaben zu identifizieren, die durch eine Umsetzung von Smart Metering gar nicht oder nicht in aktuellen Maße benötigt werden bzw. welche Aufgaben hinzukommen. Diese Aufgabenanalyse bildet die Grundlage für eine Entscheidung zur organisatorischen Neuausrichtung des Unternehmens. Anhand der Kernaufgaben des Kapitels 2.4.5. wurde ein Aufbau des Messstellenbetreibers in Abbildung 6 dargestellt.
Abbildung 6: Empfohlenes Organigramm eines Messstellenbetreibers
Die Aufgaben, die der Messstellenbetreiber übernommen hat, sind oft direkt aus den ehemaligen Strukturen der Verteilnetzbetreibern herausgelöst und als eigene Firmierung ausgegründet worden. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass das Zählergeschäft revisions- und regulierungssicher aufgestellt ist. Zudem lassen sich gegenüber einer „inhouse"-Lösung neben dem klaren Preis-Leistungs-Profil Qualitätsstandards festlegen.[26]
Der dargestellte Aufbau des Messstellenbetreibers ist nur eine von vielen Möglichkeiten diese Marktrolle zu strukturieren. Es ist zudem denkbar, dass die sehr komplexen IT-Aufgaben, die in diesem Ausmaß nicht zu den Kernaufgaben des Messstellenbetreibers gehören, extern abgebildet werden. Dies allein ist eine strategische Entscheidung der Unternehmensführung. Nachdem der Messstellenbetreiber ausgegründet ist, sieht ein möglicher Aufbau eines Verteilnetzbetreibers aus, wie in Abbildung 7 veranschaulicht.
Abbildung 7: Organigramm Pfalzwerke Netzgesellschaft mbH[27]
Aufgrund der Einführung von Smart Metering und der damit verbundenen Liberalisierung des Messwesens, spart der Verteilnetzbetreiber organisatorisch Kosten ein, da die Mitarbeiter bzw. die gesamten Abteilung in Tochtergesellschaften ausgegründet werden. Demnach kann von einer Verschlankung der Netzbetreiber ausgegangen werden. Allerdings wird der Gesamtaufwand von Smart Metering größer, da aufgrund der Aufsplittung der Unternehmen Funktionen wie Einkauf, Verwaltung oder Buchhaltung doppelt besetzt werden müssen. Somit ist der Organisationsaufwand aus der Gesamtprojektsicht des Smart Meterings eher kritisch zu betrachten.
Die Analyse einer vollständigen Ablauforganisation von nur einer der benannten Marktrollen ist zu umfangreich, als dass diese in ausreichender Tiefe beschrieben werden kann. Es ist demnach erforderlich eine Selektion von Prozessen durchzuführen. Diese stellen dann die Grundlage für eine Evaluation der Potentiale dar. Da die Prozesse in ihrem Ursprung marktrollenunabhängig waren, ist es sinnvoll diese Prozesse nicht nach Marktrollen aufzugliedern, sondern vielmehr themenbezogen zu betrachten. Erst nach Bewertung dieser Potentiale ist eine Verteilung auf die Marktrollen sinnvoll.
Tabelle 2: Wirkungen auf die Prozesslandschaft der EVUs[28]
Die Segmentierung gibt einen Überblick über betroffene Unternehmensteile und lässt eine Einordnung in die Art des Potentials vor der eigentlichen Bewertung zu. So kann zwischen operativen Prozessen sowie auch Managementinstrumenten unterschieden werden. Die benannten Potentiale werden im ersten Schritt der Analyse auf ihren IST-Zustand hin untersucht. Dabei ist es das Ziel die Schwachpunkte des aktuellen Zustandes zu spezifizieren und Ansätze zu identifizieren, die durch die Einführung von Smart Metering zu einer Veränderung führen.
3.3.2.1. Verbrauchserfassung
Der Prozess, welcher in Verbindung mit Smart Metering am offensichtlichsten betroffen ist, ist der der Ablesung. Die intelligente Messtechnik wurde entwickelt, um die Verbrauchsdatenerfassung automatisch durch IT-Systeme zu ermöglichen.
Die derzeitige Ablesung erfolgt durch einen Mitarbeiter, der jährlich den Zähler abliest. Anhand des ermittelten Zählerstands erfolgt dann eine Abrechnung. Der ursprüngliche Prozess wird in Abbildung 8 dargestellt. Um auf vorgelagerte Prozesse wie die Personalplanung bzw. die Routenplanung der Mitarbeiter, die die Zähler ablesen, zu...