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E-Book

So viel wie eine Liebe

Ungeordnetes Verhältnis mit Bert Brecht. Erinnerungen und Gespräche

AutorPaula Banholzer
VerlagLangenMüller
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl194 Seiten
ISBN9783784482484
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
'Brecht hat viele Frauen gehabt, geliebt hat er aber nur die Bi.' (Helene Weigel) Er gab ihr den Kosenamen 'Bi' für Bitterspüß, sich selbst nannte er 'Bidi' - warum, hat er nie verraten. 15 Jahre war Paula Banholzer, wohlbehütete Tochter aus gutbürgerlichem Hause, als der 18-jährige Gymnasiast Eugen Berthold sich im Frühjahr 1916 an ihre Fersen heftete: nicht besonders gutaussehend, dafür aber von ungeheurer Hartnäckigkeit und beeindruckender Beredsamkeit, mit der er Konkurrenten einfach 'wegdiskutierte'. Dieser Faszination konnte sich Paula nicht entziehen, und so wurde aus den beiden ein Paar. Dies blieb drei Jahre später nicht ohne Folgen, und damit war der Skandal perfekt. Immerhin schrieb man das Jahr 1919. Erst als alte Dame hat Paula Banholzer die Erinnerungen an die gemeinsamen Jahre niedergeschrieben - eine turbulente Zeit, nicht nur wegen des ungeplanten Nachwuchses. Denn der große Dramatiker war zwar extrem eifersüchtig, doch selbst alles andere als monogam, wobei er ungeniert 'Parallel-Gastspiele' auf mehreren 'Bühnen' gab. Die Beziehung zu der Opernsängerin Marianne Zoff endete gar in einem festen Engagement als Ehemann und Vater - vorläufig jedenfalls.

Paula Banholzer, 1901 in Augsburg geboren, war die Tochter eines Arztes. Ihre Verbindung mit Bert Brecht dauerte etwa sieben Jahre. Der gemeinsame Sohn Frank wuchs bei Pflegeeltern auf. Er fiel 1943 als Soldat. 1924 heiratete Paula Banholzer den Kaufmann Hermann Groß. 1989 starb sie in ihrer Geburtsstadt.

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Leseprobe

Gespräch mit Paula Groß, geb. Banholzer

Das Gespräch mit Paula Banholzer wurde im Zusammenhang mit der Veröffentlichung ihrer Erinnerungen geführt. Ebenso wie das nachfolgende Gespräch mit Marianne Zoff-Brecht-Lingen, der ersten Ehefrau von Bert Brecht.

Willibald Eser und Axel Poldner: Auf der Straße drehen sich die Leute nach Ihnen um. Der Taxichauffeur, ein griechischer Gastarbeiter, erkennt Sie sofort. Er nennt Sie beim Namen.

»Das ist die Bi, die Geliebte des Dichters Brecht« – sagt er.

Paula Gross: Daran ist das Fernsehen schuld, da gab es einen Beitrag über Brecht und mich …

Sie waren seine Geliebte als junges Mädchen. Das wußten nicht viele, jetzt wissen es mehr, auch die unmittelbaren Nachbarn.

Stört Sie das?

Eigentlich nicht …

Ihre bürgerliche Herkunft verbot ein solches Verhältnis. Ihre Eltern waren dagegen, sie mochten Brecht nicht, er fügte sich nicht in das Klischee, in dem schon ein Platz für das Töchterchen reserviert war. Ein Kaufmann, ein Bankangestellter, ein Beamter in höherer Position, vielleicht sogar ein Arzt – solche Herren wären der Familie sicherlich als Schwiegersöhne willkommen gewesen.

Brecht wollte meinem Vater zuliebe Medizin studieren, er hatte das Studium tatsächlich angefangen. Er wollte, wenn es meinem Vater recht gewesen wäre, seine Praxis übernehmen.

Wäre es Ihnen recht gewesen?

Ich glaube nein.

Ihre Beziehung zu Brecht war eine »Jungmädchenliebe – mit Folgen«. Bereuen Sie, wozu Sie damals bereit waren?

Nein.

Hat Brecht Sie enttäuscht?

Ja – aber ich hab ihm noch zu seinen Lebzeiten vergeben. Geblieben sind Erinnerungen, die von der Zeit geschliffen und in Ordnung gebracht wurden.

Brecht besaß viel Phantasie, er war schwer in Verlegenheit zu bringen. Sein Verhältnis zur Wahrheit soll recht locker gewesen sein. Erinnern Sie sich eines Beispiels, das dies beweist?

In seinem Tagebuch schreibt er, er habe mir das Schwimmen beigebracht. Das ist gelogen. Ich konnte lange vor meiner Bekanntschaft mit Brecht schwimmen, und er hatte große Mühe, mir im Lech zu folgen. Genauso war es mit den Sommersprossen, die ich angeblich hatte. Auch das hat er behauptet, obwohl ich nicht ein solches Ding im Gesicht hatte.

Er hätte sie wohl gern an Ihnen gesehen, diese Sommersprossen. Da Wahrheit und Unwahrheit für ihn so leicht zusammenlagen, hat er sie Ihnen ganz einfach ins Gesicht geflunkert. In seiner Verliebtheit

… hat er gelogen. Darin war er hemmungslos.

Er soll auf seinem Schreibtisch einen Totenkopf gehabt haben?

Ja, das stimmt.

So etwas stellt man sich ja nicht ohne weiteres ins Zimmer. Was hatte es denn mit diesem Totenschädel für eine Bewandtnis?

Sicherlich hatte Brecht sich etwas dabei gedacht. So überzeugt, wie er von sich war, wollte er damit ohne Zweifel seinen Besuchern imponieren, wollte zum Ausdruck bringen: »Ich habe keine Angst vor dem Tod«.

Hatte der junge Brecht eine Beziehung zum Tod? Hat er über den Tod gesprochen? War der Tod ein Thema?

Der Tod war für ihn kein Thema. Den Schriftsteller Brecht interessierte der Tod nicht. Den jungen herzkranken Mann hingegen beschäftigte er zuweilen schon. Brecht mußte langsam gehen und langsam schwimmen. Ich war ihm immer voraus, weil ich in meiner jugendlichen Unbekümmertheit sein Herzproblem vergaß. Später, als wir erstmals an eine gemeinsame Zukunft, an eine Heirat dachten, sprach er ganz offen über seinen Herzfehler. Mein Gott, dachte ich damals, der stirbt wahrscheinlich früh, und du wirst eine junge Witwe.

Wie alt waren Sie beide damals?

Brecht war einundzwanzig Jahre alt, ich war siebzehn.

Herzkranke brauchen oft Hilfe. Haben Sie ihm einmal eine Hilfestellung gegeben?

Einmal, sehr viel später, als unser gemeinsamer Sohn Frank schon geboren war und ich auf Wunsch meiner Eltern in Kimratshofen leben mußte, wo Brecht mich hin und wieder besuchte, da hörte ich ihn während der Nacht im Zimmer nebenan stöhnen. Ich bin in sein Zimmer rübergegangen und fand ihn schweißgebadet und verängstigt im Bett.

Ihr Vater war Arzt. Haben Sie ihn einmal gebeten, sich um Brecht zu kümmern, ihn zu behandeln?

Nein. Brecht war kein Patient meines Vaters. Ich weiß auch gar nicht, ob Brecht sich damals überhaupt in ärztlicher Behandlung befand.

Wann sind Sie Brecht zum ersten Mal bewußt begegnet? Erzählen Sie uns, wie Sie sich damals kennengelernt haben?

Ich weiß es noch wie heute. Ich bin mit dem Müller-Eisert auf der Augsburger Frölichstraße gestanden. Auf der anderen Seite dieser Straße kam Brecht. Müller-Eisert, ein stiller Verehrer von mir, erkannte Brecht sofort, und der winkte ihn auf seine Straßenseite herüber. Mir schien, als beeilte sich Müller-Eisert außerordentlich, um auf die andere Straßenseite zu kommen.

Die Unterhaltung war relativ kurz. Am nächsten Tage sagte mir Müller-Eisert, er habe Brecht am Abend des gleichen Tages noch einmal getroffen. Bei dieser Gelegenheit machte Brecht dem Müller-Eisert klar, daß er mich unbedingt haben wolle. Müller-Eisert und Brecht waren damals schon bekannt miteinander, und obwohl Müller-Eisert in mich verliebt war, verzichtete er auf mich. Brecht argumentierte so geschickt, daß Müller-Eisert nichts anderes übrigblieb, als mich – in aller Freundschaft, versteht sich – an Brecht abzutreten. Diese »Abtretung« fand ohne mein Wissen und ohne jeden Anspruch Müller-Eiserts auf meine Person statt. Ich wechselte also die Besitzer, ohne je deren Besitz gewesen zu sein.

Hat Brecht dann versucht, mit Ihnen ein Rendezvous auszumachen?

Mehrmals! Aber ich muß sagen, daß ich damals von Brecht überhaupt nichts wissen wollte und mich bewußt von ihm nicht ansprechen ließ. Dann war ich eines Tages wieder im Turnverein, und eine Mitturnerin, die Maria Amann, sagte zu mir: »Du, da wartet einer draußen.« Als ich rauskam, war es der Brecht. Auch jetzt versuchte er wieder, mich anzusprechen, aber ich ließ mich auf nichts ein. Ich bin ihm danach noch monatelang davongelaufen, aber Brecht zeigte schon damals jene Hartnäckigkeit, die ihm sein Leben lang eigen war.

Für ein junges Mädchen, wie Sie es damals waren, war Brecht sicherlich kein erfreulicher Anblick?

Bestimmt nicht. Er hat mich auch später nur mit seinem Intellekt und seiner Diskussionfähigkeit beeindrucken können. Als ich Brecht kennenlernte, hatte ich andere Verehrer, hübschere, schönere Männer, die auch äußerlich dem entsprachen, was man sich als junges Mädchen wünscht.

Damals war ich eine begeisterte Schlittschuhläuferin, und Brecht brachte es fertig, Schlittschuhlaufen zu lernen, nur um in meiner Nähe zu sein. Immer wieder wurde ich von Freundinnen darauf aufmerksam gemacht, zum Teil auch verspottet, mit der Bemerkung: »Da – der Brecht läuft schon wieder um dich herum.« Und dann bin ich ihm auch auf dem Eis auf und davon geflitzt, bin in die Eisplatzbude reingegangen, habe meine Schlittschuhe abgeschnallt, während Brecht weiter auf dem Eis nach mir suchte. Inzwischen waren auch die Freundinnen in die Eisbude gekommen, und Brecht kombinierte. »Der Brecht kommt, der Brecht kommt«, riefen sie. Und ich machte mich wieder davon. Ich muß sagen, das hat sehr viel Spaß gemacht, mir genauso wie allen jungen Mädchen, dieses »Immer-wieder-Davonlaufen«.

Wie lange liefen Sie Brecht davon?

Insgesamt fünf Monate. Dann hab ich das erste Mal mit ihm allein gesprochen. Seine Hartnäckigkeit führte ihn schließlich zum Ziel.

Wie kam es nun zu dieser ersten Begegnung unter vier Augen?

Nachdem Brecht in den vorangegangenen Monaten kein Rendezvous mit mir vereinbaren konnte, suchte er sich einen Vorwand. Er weihte seinen Freund Heini Hagg in seinen Plan ein, besprach mit ihm die Textvorlagen und übte dessen Einsatz für ihn bei mir. Heini fragte mich also, ob ich nicht einmal mit ihm spazierengehen würde. Natürlich sagte ich nein. Jetzt folgte der zweite Teil. Ob ich denn mit ihm und Brecht zusammen spazierengehen würde. Dem stimmte ich zu. Zur Verabredung erschien freilich nur Brecht, und während des Spazierganges schuf er sich alle Möglichkeiten, sich ins rechte Licht zu setzen. Ich sagte kaum ein Wort.

Brecht war nicht gerade sportlich?

Er war absolut unsportlich. Zwar konnte er etwas schwimmen, tat es aber ohne jeden sportlichen Ehrgeiz. Schlittschuhlaufen lernte er nur, um in meiner Nähe zu sein.

Marianne Zoff sprach von Brechts Musikbegeisterung. War Brecht musikalisch?

Ja, sehr. Ich hab ihn einmal gefragt: »Wen hältst du eigentlich für den größten Komponisten?« Und er antwortete: »Bach – Johann Sebastian Bach.«

Brecht dirigierte übrigens auch zu Hause, allein oder in meiner Gegenwart. Er hatte ein kleines Stehpult und einen relativ langen Taktstock. Damit dirigierte er Musik aus dem Gedächtnis. Da er ein besonderes Verhältnis zur Musik habe, erklärte er mir, genüge es ihm, sie im Geiste zu hören. Das Dirigieren sei die notwendige Folge und bereite ihm Vergnügen. Ich muß sagen, das hat mich damals sehr beeindruckt, denn er...

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