„Das Leben im Netz […] gestaltet sich als Massenphänomen radikal neu, weil sich die realen Beziehungen der Menschen zueinander umgruppieren.“[84]
Im nachfolgenden wird das Marketingpotential von Facebook anhand der vier P’s des Marketing Mix‘ untersucht.
Da alle populären sozialen Netzwerke auf dem gleichen Grundsatz beruhen und sich vor allem in technischen Aspekten und Funktionen unterscheiden, lassen sich die gewonnen Erkenntnisse im Allgemeinen auch auf andere Communities wie z.B. die VZ-Netzwerke (schülerVZ, studiVZ, meinVZ), MySpace, Wer-kennt-wen oder XING anwenden.
Auf Facebook erschließen sich neue Möglichkeiten, virtuelle Produkte anzubieten. Auf Apple’s sog. „Super Wall“ können sich Nutzer einen virtuellen iPod oder ein virtuelles iPhone schenken. Jedoch teilweise gegen den Aufwand von realem Geld. Manche Produkte kosten US $ 1, manche sind gratis.[85] Das Besondere an den virtuellen Produkten ist, dass sie beim Verschenken auf den Pinnwänden der jeweiligen Nutzer auftauchen und somit für Gesprächsstoff, viralem Potential und Mitläufereffekten sorgen.
Facebook hat offensichtlich positive Erfahrungen mit den virtuellen Geschenken gemacht und hat im Oktober 2009 seine Dienste auf diesem Gebiet ausgeweitet.[86] Der online Blog und Facebook Beobachter Inside Facebook geht davon aus, dass der Markt für virtuelle Geschenke auf Facebook einen Wert von US $ 1 Milliarde im Jahr 2009 erreichen wird. [87] Um bei der Preisbildung flexibel zu sein, hat Facebook eine eigene virtuelle Währung eingeführt, die sog. Credits bzw. Gutschriften. 100 Credits kosten US $ 1, wobei die meisten Geschenke zwischen 10 und 40 Credits kosten. Heute werden bereits „branded virtual gifts“ also virtuelle Markenprodukte im Geschenkladen angeboten (s. Abb. 10). Das Angebot richtet sich dabei bisher ausschließlich nach dem amerikanischen Markt. So gibt es Fanartikel von Vereinen der amerikanischen Sportligen NBA[88] und MLS[89] sowie von amerikanischen Universitäten. Nach Meinung des Autors ergeben sich in diesem Bereich auch interessante Möglichkeiten für die Sportartikelhersteller wie Adidas und Nike. Sie könnten z.B. Trikots oder Vereinsbuttons an Fans der Bundesligavereine oder besonders beliebte Sneaker mit Kultstatus anbieten.
Abbildung 10: Facebook Geschenkladen Kategorie Sport[90]
Auf Facebook gibt es die Möglichkeit flexibler Preisstrategien, wie sie in Abschnitt 2.4. geschildert wurden, noch nicht. Sie wären aber grundsätzlich denkbar und durch eine neue Anwendung zu integrieren. Apple bietet Facebook Nutzern jetzt die Möglichkeit, iTunes Guthaben im Wert von US $ 5 zu erwerben und mit virtuellen Grußkarten zu verschenken. Das Besondere daran ist, Apple bietet im Online-Store und im Handel sonst nur Guthaben in den Preiskategorien US $ 15, 25 und 50 an.[91] Beispiele aus der Sportartikelindustrie sind dem Autor noch nicht bekannt.
Facebook bietet auch bei der Distribution von Produkten einige Möglichkeiten. Die bereits in Abschnitt 4.1 erwähnten virtuellen Markenprodukte könnten durch reale Produkte und Preise ersetzt werden und somit eine weitere Vertriebsoption darstellen.
Bisherige Versuche in dieser Richtung wurden bereits mit der Funktion Facebook Beacon im Jahr 2007 unternommen. Wenn ein Nutzer auf einer der 44 Partnerseiten (u.a. eBay, STA Travel) ein Produkt einkaufte, wurde in seinem Profil automatisch ein Beitrag dazu veröffentlicht. Es hieß also z.B. „Georg Dreher hat gerade bei eBay ein Burton Snowboard gekauft“.[92] Diese Funktion wurde aber wegen mangelndem Datenschutz und massiver Proteste der Nutzer eingestellt.
Im Folgenden wird auf die Werbe- und Dialogmöglichkeiten, die Facebook bietet, eingegangen.
Die Stärke der Communities liegt in der großen, verlässlichen Anzahl an Daten über die Nutzer, denn je mehr über den Nutzer bekannt ist, umso besser kann man ihm Werbung liefern, die für ihn interessant ist und etwas bewirkt.[93]
Um diesen Effekt ausnutzen zu können, wird das sog. Profiling eingesetzt. Beim Profiling werden Nutzer basierend auf demographischen, sozio-ökonomischen und geographischen Faktoren in Gruppen eingeteilt. Diese Faktoren könnten z.B. Alter, Geschlecht, Haarfarbe, Lebensabschnitt, soziale Klasse, Bildungsgrad, Einkommen, Wohnort oder Region sein.[94]
Des Weiteren wird durch die Analyse des Nutzungsverhaltens des Benutzers innerhalb der Community das sog. Behavioral Targeting[95] möglich. Durch verfolgen welche Seiten besucht werden, nach welchen Personen gesucht werden, von welchen Marken der Nutzer „Fan“ ist, welche Videos gerne angesehen werden, welche Bands gerne gehört werden, an welchen Events und Quiz‘ teilgenommen wird, welche Kommentare bewertet werden, kann ein detailiertes Verhaltensprofil erstellt werden. Dies ermöglicht Rückschlüsse auf Interessen, Wünsche und Bedürfnisse.
Beim psychographischen Targeting werden Nutzer aufgrund ihrer Persönlichkeit und ihres Lebensstils angesprochen. Beispielsvariablen hierfür sind Extrovertiertheit, Introvertiertheit, Aggressivität, Unterwürfigkeit, Trendsetter, Vorsichtigkeit oder Risikobereitschaft.[96]
Dieses Profiling, Behavioral- und Psychographic Targeting ist an sich nichts Neues, aber kann in den sozialen Netzwerken aufgrund der Masse an Daten und langfristigen Verfolgung in ungeahnten Dimensionen statt finden. Es ermöglicht, den Nutzer mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit und Präzision mit zielgruppengerechter, interessenbasierter Werbung zu versorgen (Beispiele Abb. 11 ff.). Dadurch können Streuverluste enorm eingedämmt werden. Laut CPC-Consulting erhöht Werbung, die nach dem Behavioral Targeting geschaltet wird, die Markenpräferenz um 73 Prozent und die Kaufabsicht um 29 Prozent im Vergleich zu Werbung, die nur nach dem inhaltlichen Umfeld geschaltet wird.
Das folgende Beispiel erläutert diesen Sachverhalt: es macht keinen Sinn, einem alleinstehenden, begeisterten Computerfreak, der sich in der Community den ganzen Tag über PC Spiele, neue Programme und Programmiersprachen unterhält, ständig Bannerwerbung für ein neues Luis Vuitton Modetäschchen einzublenden. Aber gleichzeitig ist es vielversprechend, ihn in eine Gruppe über Informatik einzuladen, ihn dann in eine Diskussion zu verwickeln und ihm nebenbei das neueste Notebook anzupreisen.
Aktuell können die Nutzer auf Facebook über Bannerwerbung nach Ort, Alter, Geburtstag, Geschlecht, Sprache, Bildungsstand, Arbeitgeber, Beziehungsstatus, Beziehungsinteresse, Verbindungen, Freunde von Verbindungen und Schlüsselwörtern gezielt angesprochen werden. [97] Die Schlüsselwörter basieren auf den Informationen, die der Nutzer selbst angegeben hat, also auf Interessen, Aktivitäten, Lieblingsbüchern, TV-Shows, Filme oder Beruf. Die Schlüsselwörter entstehen aber auch durch Fan-Angaben oder Gruppenmitgliedschaften.[98] Mit Verbindungen sind direkte Kontaktpunkte von Unternehmen und Nutzer gemeint, die vom bereits durch eine Einladung zu einem Event, in eine Gruppe, durch das Verwenden einer Applikation o.ä. hergestellt wurde. Das Gleiche gilt für „Freunde von Verbindungen“. [99] Facebook bietet also bereits ein eindrucksvolles „Arsenal“, Konsumenten gezielt an zu sprechen.
Abbildung 11: Staubsauber Bannerwerbung
Abbildung 12: Bannerwerbung für einen Social Media Blog
Abbildung 13: Hugo Boss Bannerwerbung
Abb. 11, 12 und 13 sind Beispiele für gezielte Werbung, die dem Autor auf Facebook eingeblendet wurde. Die Erklärung für die Staubsauger Bannerwerbung ist in den Angaben zu finden, die der Autor in seinem Profil gemacht hat. Dort steht im Feld Interessen „Lesen und Stricken“. Diese Werbung beruht also auf Schlüsselwörtern, die Rückschlüsse auf häusliche Aktivitäten ermöglichen. Abb. 12 ist ein Beispiel, das den tatsächlichen Interessen des Autors entspricht und Abb. 13 ist ein Beispiel für...