"Professionelle Hilfe (S. 95-96)

Ist der Knock-out-Fall eingetreten, dann ist klar: Sie benötigen professionelle Hilfe. Aber auch bei einer der beschriebenen Vorstufen könnte ein Betroffener Umwege vermeiden wollen oder schlichtweg keine Zeit für Experimente haben. Im Hinblick auf zeitnahe Ergebnisse kann dann zum Beispiel ein professionelles Coaching anvisiert werden. In dem Fall sollte möglichst ein Coach gefunden werden, der sich gut auskennt und in der Lage ist, der jeweiligen Person ein individuelles Trainingsprogramm »auf den Leib zu schneidern«, ohne sie entmündigen zu wollen, sondern ihre volle Eigenverantwortung zu fördern.

Wer einen gewissen kritischen Zustand überschritten hat, kommt wie gesagt nicht um externe Hilfe herum. Je schneller der Betroffene wieder in seinen neurobiologischen Normalzustand zurückfindet, desto geringer sind die Folgeschäden an sich selber, in seiner Umwelt, am Arbeitsplatz - und insbesondere: desto geringer ist das Leiden, welches er aushalten und verkraften muss. Da grundsätzlich der neurobiologische Ausnahmezustand - wenn erkannt und ernst genommen - innerhalb kurzer Zeit wiederhergestellt werden kann, gibt es keinen wirklichen Grund, eine Leidenszeit länger als fünf Tage auf hohem Niveau zu ertragen. Ich spreche auch hier aus eigener Erfahrung: Mit den Symptomen ist nicht zu spaßen.

Es geht im wahrsten Sinne des Wortes ums eigene Leben. Der Satz meiner Ärztin: »Wenn du so weitermachst, dann rechne mit noch höchstens fünf Jahren Lebenszeit«, ist mir eingefahren - und wenn ich ehrlich bin, hat sie das ausgedrückt, was ich selbst spürte und nicht wahrhaben wollte. Ich, Horst Kraemer, Meister im Verleugnen - eine bittere Erkenntnis! Hilfe verspricht ein »normales« gutes Coaching, wenn der Burn-out-Zustand noch nicht eingetreten ist. Ist dies aber der Fall, dann ist andere Hilfe notwendig.

Psychotherapien unterschiedlicher Ausrichtung halten ein sehr reiches Angebot bereit. Psychiater haben den Vorteil, dass sie die Behandlung auch pharmakologisch unterstützen können (was in einigen Fällen berechtigt und notwendig ist). In schweren Fällen bietet ein Klinikaufenthalt in einer psychiatrischen oder psychosomatischen Klinik den notwendigen Abstand zum Alltag wie auch die nötige Behandlungsdichte, die erforderlich ist, um aus der Stressfalle herauszukommen. Wichtig bei den guten und ausgereiften Angeboten ist es, dass ein gutes Vertrauensverhältnis zu den entsprechenden Personen aufgebaut werden kann.

Vertrauen Sie Ihrem Gefühl, welche Hilfe für Sie gut ist oder aber auch nicht, und beginnen Sie, auf sich zu hören und für sich zu sorgen. Wie professionelle Hilfe nach meinem Konzept aussehen kann, soll im Folgenden dargestellt werden. Ich hoffe, sowohl für die betroffenen Personen als auch für die in diesem Bereich professionell Tätigen Neues beisteuern zu können. Sie tragen es mir hoffentlich nicht nach, dass ich die Vorgehensweise wieder am eigenen Beispiel festmache: Ich nahm die Reaktion meiner Niere als ein Signal wahr, das ich nicht länger ignorieren konnte. Ich nahm eine Umverteilung der Prioritäten vor."