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E-Book

Soziale Arbeit mit Menschen mit Demenz

Grundwissen und Handlungsorientierung für die Praxis

AutorH. Elisabeth Philipp-Metzen
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl184 Seiten
ISBN9783170252004
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels gewinnt die Soziale Altenarbeit an Bedeutung. Eine besondere Herausforderung bildet in der Praxis die wachsende Zahl von Menschen mit Demenz. Neben den klassischen Aufgaben wie Beratung und Entlastung pflegender Angehöriger entstehen für dieses Praxisfeld ganz neue Tätigkeitsbereiche wie Förderung von Freiwilligenengagement, Netzwerkarbeit im familiären System oder die Ermöglichung sozialer Teilhabe. Das Buch bereitet das Grundwissen sowohl für die Bachelor- und Master-Studierenden der Sozialen Arbeit, aber auch für die Weiter- und Fortbildung von Praktikern kompakt auf. Über die Vermittlung von Theorie, Konzepten und Methoden hinaus ist die Darstellung mit vielen Praxisbeispielen und engem Praxisbezug vor allem handlungsorientiert.

Dr. H. Elisabeth Philipp-Metzen lehrt an der Fachhochschule Münster im Fachbereich Sozialwesen mit dem Schwerpunkt 'Soziale Arbeit für Menschen mit Demenz und ihre Angehörige'.

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Leseprobe

2         Basiswissen zu Demenz


 

 

 

Bezogen auf das Krankheitsbild Demenz gibt es verschiedene Systematiken der Erfassung bzw. Diagnostik zum Erhalt von Leistungen. Hierzu gehören einerseits Klassifikationssysteme, die einen direkten Bezug zu medizinisch-therapeutischen Leistungen der Krankenversicherung – SGB V – haben, eine weitere Klassifikation in Deutschland begründet nach § 45 SGB XI Leistungen aus der Pflegeversicherung ( Kap. 3).

2.1        Klassifikation und Definition


Demenz ist ein Oberbegriff für Einbußen der geistigen Leistungsfähigkeit. Eine demenzielle Erkrankung ist eine Schädigung des Gehirns mit einem breiten Spektrum an Beeinträchtigungen. Neben den kognitiven Fähigkeiten betrifft dies auch Bereiche wie Wahrnehmung, Affektivität, Persönlichkeitsmerkmale und Willen. Dies hat gravierende Einschränkungen der Alltagskompetenz zur Folge (vgl. Gutzmann & Zank, 2005, S. 25).

Zur Klassifikation und Systematik


Die beiden wichtigsten international gebräuchlichen Klassifikationssysteme sind die ICD (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems – Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme 10. Revision) und das DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders – Diagnostisches und Statistisches Manual psychischer Störungen) der American Psychiatric Association. Vom ICD gibt es unterschiedliche Fassungen: In Deutschland werden Diagnosen nach ICD-10 kodiert (vgl. Gunzelmann & Oswald, 2005, S. 27). »Die mit wenigen Ausnahmen deskriptiven (beschreibenden) Diagnosesysteme umfassen Ein- und Ausschlusskriterien sowie neben Symptomen und Schweregradabstufungen auch zeitbezogene und/oder Verlaufskriterien (zum Beispiel Mindestdauer, für die bestimmte Symptome bestehen müssen; Zunahme des Schweregrads von Symptomen im zeitlichen Verlauf). Darüber hinaus werden Entscheidungs- und Verknüpfungsregeln formuliert« (ebd., S. 28). Im ICD werden soziale Kriterien für eine Diagnosestellung in der Regel vermieden, um eine globale Anwendbarkeit zu gewährleisten. Damit unterscheidet es sich vom DSM, welches primär als nationale Klassifikation für die Vereinigten Staaten entwickelt wurde (vgl. ebd., S. 29).

Beispielhaft wird nachfolgend die Systematik des ICD kurz erläutert. Vertreter Sozialer Arbeit, die sich ein Bild vom Aufbau des Klassifikationssystems machen möchten, können dies u. a. über den Internetauftritt des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) erlangen. Das DIMDI ist laut Beschreibung auf seiner Website eine nachgeordnete Behörde des Bundesministeriums für Gesundheit und hat als Aufgaben die Informationsvermittlung aus dem gesamten Gebiet der Medizin an eine fachlich interessierte Öffentlichkeit (vgl. DIMDI, o. J.; sowie unter: http://www.dimdi.de/static/de/klassi/icd-10-gm/).

Demenz in der Systematik der ICD-10


In Kapitel V werden Demenzen unter »Psychische und Verhaltensstörungen«, in Kapitel VI unter »Krankheiten des Nervensystems« aufgeführt. Kapitel V beispielsweise beinhaltet eine Reihe psychischer Krankheiten mit einer Hirnfunktionsstörung als Ursache, welche primär, als Ersterkrankung, oder sekundär, d. h. infolge einer vorausgehenden Erkrankung, auftreten können. Demenzen sind in diesem Kapitel in folgender Systematik aufgeführt (Auszug):

»Kapitel V Psychische und Verhaltensstörungen (F00-F99)

•  Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen (F00-F09)

–  F00 Demenz bei Alzheimer-Krankheit

–  F01 Vaskuläre Demenz

–  F02 Demenz bei anderenorts klassifizierten Krankheiten

–  F03 Nicht näher bezeichnete Demenz« (ebd.)

In der ICD-10 heiß es zu Demenz: »Demenz (F00-F03) ist ein Syndrom als Folge einer meist chronischen oder fortschreitenden Krankheit des Gehirns mit Störung vieler höherer kortikaler Funktionen, einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache und Urteilsvermögen. Das Bewusstsein ist nicht getrübt. Die kognitiven Beeinträchtigungen werden gewöhnlich von Veränderungen der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens oder der Motivation begleitet, gelegentlich treten diese auch eher auf. Dieses Syndrom kommt bei Alzheimer-Krankheit, bei zerebrovaskulären Störungen und bei anderen Zustandsbildern vor, die primär oder sekundär das Gehirn betreffen« (ebd.). Ein Demenzsyndrom kann somit nach folgenden, in Tabelle 2.1 genannten Kriterien erfasst werden:

Tab. 2.1: Kriterien einer Demenz

Bei der Diagnosestellung wird in einem ersten Schritt das Demenzsyndrom bzw. das Symptommuster der Demenz erfasst. Dann wird zweitens die Ursache der Demenz und in einem dritten Schritt werden individuelle Problematiken und Ressourcen ermittelt (vgl. Haupt, 2012, S. 1 f). Nachfolgend sind die zentralen Formen der Demenz kurz aufgeführt.

2.2        Formen und Diagnose der Demenz


Der Oberbegriff Demenz umfasst verschiedene Krankheitsbilder mit unterschiedlicher Ursache (Ätiologie). Schätzwerte zur Häufigkeit von Demenz variieren je nach der zugrundeliegenden Forschungsstudie. Zusammenfassen kann man folgende grobe Richtwerte:

•  Die häufigste Form ist die Demenz vom Alzheimer Typ, sie betrifft ungefähr 2/3 aller Demenzerkrankungen. Die Angaben in einzelnen Studien schwanken zwischen 45 und 80 % (vgl. Hofmann, 2012, S. 763).

•  Vaskuläre Demenzen aufgrund von Durchblutungsstörungen machen ca. 20 % der Fälle aus. Hier werden in den verschiedenen Erhebungen 10–35 % genannt (vgl. ebd., S. 765).

•  Es wird nach Hofmann davon ausgegangen, dass es sich bei der frontotemporalen Demenz (auch Morbus Pick genannt) um die dritthäufigste Form mit gut 10 % aller Demenzen handelt (vgl. ebd., S. 766).

•  Quantitativ an vierter Stelle aller Demenzerkrankungen scheint mit geschätzten knapp 10 % die Demenz bei Morbus Parkinson, der Parkinsonerkrankung, zu stehen (vgl. ebd., S. 767).

•  Das Vorkommen der Lewy-Körperchen Demenz wird uneinheitlich angegeben, die Schätzungen schwanken zwischen 0,5 und 30 %. Es dürfte sich um die fünfthäufigste Form aller Demenzen handeln. Erschwert werden die Schätzungen, da es sich oftmals um gemischte Pathologien, also Erkrankungen, handelt (vgl. ebd.).

•  Sonstige Formen der Demenz belaufen sich auf ca. 5–10 % (vgl. ebd., S. 763 ff; Schneider-Schelte & Deutsche Alzheimer Gesellschaft e. V., 2011).

Alzheimer Demenz


Charakteristisch für eine Demenz vom Typ Alzheimer sind der langsam fortschreitende Untergang von Neuronen und Synapsen sowie typische Eiweißablagerungen (Amyloid-Plaques). Gedächtnis- und Orientierungsstörungen, Sprachstörungen, Störungen des Denk- und Urteilsvermögens sowie Veränderungen der Persönlichkeit werden bei den Erkrankten intrapersonell und interpersonell in unterschiedlichem Maße und mit zunehmender Ausprägung im Verlauf der Erkrankung verzeichnet (vgl. Gutzmann & Zank, 2005, S. 37 ff).

Vaskuläre Demenz


Aufgrund von Durchblutungsstörungen des Gehirns kommt es bei der vaskulären Demenz zu einem Absterben von Neuronen. Die Schwere des Krankheitsbildes steht im Zusammenhang mit diesen Durchblutungsstörungen (vgl. ebd., S. 94 ff). »Die vaskuläre Demenz entwickelt sich meist sehr schnell nach einer Reihe von Schlaganfällen« (Hofmann, 2012, S. 765). Zu den Fähigkeiten, die eingeschränkt sind, gehören Orientierung, Aufmerksamkeit, Sprache, Abstraktionsvermögen und motorische Kontrolle.

Demenz bei Morbus Parkinson


Nach der ICD-10 handelt es sich hierbei um eine Demenz, die sich im Laufe einer Parkinsonkrankheit entwickelt. Die Demenz bei Morbus Parkinson ist gekennzeichnet von Beeinträchtigungen u. a. der Aufmerksamkeit, der exekutiven Funktionen (wie Planen), der räumlichen Orientierung, des Gedächtnisses und der Sprache (vgl. ebd., S. 767).

Lewy-Körperchen Demenz


Die Lewy-Körperchen Demenz beinhaltet u. a Parkinson- Syndrome und häufige Halluzinationen, wobei das Gedächtnis zu Beginn der Erkrankung oftmals noch relativ gut erhalten ist. Hier sind insbesondere Aufmerksamkeit, exekutive Funktionen und Alltagskompetenzen betroffen (vgl. ebd., S. 767 f).

Frontotemporale...


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