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Soziale Phobie

Psychodynamische Therapie

AutorAntje Haselbacher, Falk Leichsenring, Jörg Wiltink, Manfred E. Beutel, Simone Salzer
VerlagHogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl109 Seiten
ISBN9783844423228
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Personen mit einer Sozialen Phobie haben eine exzessive und irrationale Furcht vor sozialen Situationen oder Leistungssituationen, in denen sie mit unbekannten Menschen konfrontiert werden oder von anderen beurteilt werden könnten. Der vorliegende Band stellt ein Behandlungsmanual zur psychodynamischen Kurzzeittherapie bei Sozialer Phobie vor. Zunächst wird das Störungsbild der Sozialen Phobie beschrieben und es werden relevante Störungsmodelle und -theorien erläutert. Die weiteren Kapitel stellen das auf der supportiv-expressiven Therapie Luborskys aufbauende Behandlungsvorgehen dar. Das Ziel der Behandlung ist es, das zentrale Beziehungskonflikt-Thema (ZBKT) des Patienten zu verstehen, ihm darin Einsicht zu vermitteln und ihm einen flexibleren Umgang mit den eigenen Wünschen und im Kontakt mit anderen Menschen zu ermöglichen. Anschaulich und praxisnah enthält das Buch zahlreiche Interventions- und Fallbeispiele. Das Vorgehen hat sich in einer randomisiert-kontrollierten Studie als wirksam erwiesen. Das Buch füllt somit eine Lücke in der manualisierten Beschreibung der psychodynamischen Behandlung bei Sozialer Phobie.

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Leseprobe

|3|1 Beschreibung des Störungsbildes


Die Soziale Phobie (oder soziale Angststörung) ist gekennzeichnet durch eine exzessive und irrationale Furcht vor sozialen oder Leistungssituationen, in denen eine Person mit unbekannten Menschen konfrontiert ist oder von anderen beurteilt werden könnte (American Psychiatric Association, 2013). Der oder die Betroffene befürchtet, Verhaltensweisen oder Angstsymptome zu zeigen, die demütigend oder peinlich sein könnten. Diese Furcht führt schließlich dazu, dass soziale Situationen vermieden oder nur unter intensiver Angst ertragen werden. Auch wenn die betroffene Person erkennt, dass die Angst übertrieben oder unbegründet ist, rufen soziale Situationen fast immer eine unmittelbare Angstreaktion hervor, die das Erscheinungsbild einer situationsgebundenen Panikattacke annehmen kann. Einzelne sozialphobische Symptome sind in der Allgemeinbevölkerung häufig – auch ohne dass Kriterien für die Diagnose einer Sozialen Phobie erfüllt sind. So liegt die Lebenszeitprävalenz für Ängste in Leistungssituationen bei 18,2 % und die von Ängsten vor öffentlichen Reden bei 13,2 % (Wittchen & Fehm, 2003).

Von der sozialen Angststörung (Soziale Phobie) wird die Leistungsangst („performance anxiety“) abgegrenzt, die Angst öffentlich zu sprechen oder Leistung zu erbringen. (American Psychiatric Association, 2013).

1.1 Diagnostische Kriterien


Die Soziale Phobie wurde erst 1980 in das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-III-R) der American Psychiatric Association (1980) und 1991 in die ICD-10 (WHO/Dilling et al., 1991) aufgenommen. Für die Diagnosestellung einer Sozialen Phobie müssen nach ICD-10 folgende Kriterien erfüllt sein (vgl. Kasten 1): (1) Die psychischen, Verhaltens- oder vegetativen Symptome müssen primäre Manifestationen der Angst sein und nicht auf anderen Symptomen wie Wahn und Zwangsgedanken beruhen; (2) Die Angst muss auf bestimmte soziale Situationen beschränkt sein oder darin überwiegen; (3) Wenn möglich, erfolgt eine Vermeidung der phobischen Situation.

In Kasten 2 werden die diagnostischen Kriterien nach DSM-5 (American Psychiatric Association, 2013) wiedergegeben.

|4|A. Entweder 1. oder 2.:

  1. deutliche Furcht im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen oder sich peinlich oder erniedrigend zu verhalten

  2. deutliche Vermeidung im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen oder von Situationen, in denen die Angst besteht, sich peinlich oder erniedrigend zu verhalten.

Diese Ängste treten in sozialen Situationen auf, wie Essen oder Sprechen in der Öffentlichkeit, Begegnung von Bekannten in der Öffentlichkeit, Hinzukommen oder Teilnahme an kleinen Gruppen, wie z. B. bei Partys, Konferenzen oder in Klassenräumen.

B. Mindestens zwei Angstsymptome in gefürchteten Situationen mindestens einmal seit Auftreten der Störung:

Vegetative Symptome: Palpitationen, Schweißausbrüche, Tremor, Mundtrockenheit

Symptome, die Thorax und Abdomen betreffen: Atembeschwerden, Beklemmungsgefühl, Thoraxschmerzen oder -missempfindungen, Nausea oder abdominelles Missempfinden

Psychische Symptome: Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit; Gefühl, die Objekte sind unwirklich (Derealisation) oder man selbst ist weit entfernt oder „nicht wirklich hier“ (Depersonalisation); Angst vor Kontrollverlust, verrückt zu werden oder „auszuflippen“; Angst zu sterben sowie zusätzlich eines der folgenden Symptome:

  1. Erröten oder Zittern

  2. Angst zu erbrechen

  3. Miktions- oder Defäkationsdrang bzw. Angst davor.

C. Deutliche emotionale Belastung durch die Angstsymptome oder das Vermeidungsverhalten, Einsicht, dass die Symptome oder das Vermeidungsverhalten übertrieben und unvernünftig sind.

D. Symptome beschränkt auf die gefürchteten Situationen oder Gedanken an diese.

E. Ausschlussvorbehalt: Die Symptome der Kriterien A. und B. sind nicht bedingt durch Wahn, Halluzinationen oder andere Symptome der Störungsgruppen organische psychische Störungen (F0), Schizophrenie und verwandte Störungen (F2), affektive Störungen (F3) oder eine Zwangsstörung (F42) und sind nicht Folge von kulturell akzeptierten Anschauungen.

Kasten 1:Diagnostische Kriterien der Sozialen Phobie nach ICD-10 (F40.1; WHO/Dilling et al., 1991)

|5|A. Ausgeprägte Furcht oder Angst vor einer oder mehreren sozialen Situationen, in denen die Person von anderen Personen beurteilt werden könnte. Beispiele hierfür sind soziale Interaktionen (z. B. Gespräche mit anderen, Treffen mit unbekannten Personen), beobachtet zu werden (z. B. beim Essen oder Trinken) und vor anderen Leistungen zu erbringen (z. B. eine Rede halten).

Beachte: Bei Kindern muss die Angst gegenüber Gleichaltrigen und nicht nur in der Interaktion mit Erwachsenen auftreten.

B. Betroffene befürchten, dass sie sich in einer Weise verhalten könnten oder Symptome der Angst offenbaren, die von anderen negativ bewertet werden (d. h. die beschämend oder peinlich sind, zu Zurückweisung führen oder andere Personen kränken).

C. Die sozialen Situationen rufen fast immer eine Furcht- oder Angstreaktion hervor.

Beachte: Bei Kindern kann sich die Furcht oder Angst durch Weinen, Wutanfälle, Erstarren, Anklammern, Zurückweichen oder die Unfähigkeit in sozialen Situationen zu sprechen ausdrücken.

D. Die sozialen Situationen werden vermieden oder unter intensiver Furcht oder Angst ertragen.

E. Die Furcht oder Angst geht über das Ausmaß der tatsächlichen Bedrohung durch die soziale Situation hinaus und ist im soziokulturellen Kontext unverhältnismäßig.

F. Die Furcht, Angst oder Vermeidung ist andauernd; typischerweise über 6 Monate oder länger.

G. Die Furcht, Angst oder Vermeidung verursacht in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.

H. Die Furcht, Angst oder Vermeidung ist nicht Folge der physiologischen Wirkung einer Substanz (z. B. Substanz mit Missbrauchspotenzial, medikamentöse Wirkstoffe) oder eines medizinischen Krankheitsfaktors.

I. Die Furcht, Angst oder Vermeidung kann nicht besser durch die Symptome einer anderen psychischen Störung erklärt werden, wie z. B. Panikstörung, Körperdysmorphe Störung oder Autismus-Spektrum-Störung.

J. Falls ein medizinischer Krankheitsfaktor (z. B. Morbus Parkinson, Adipositas, eine Entstellung durch Verbrennung oder Verletzung) vorliegt, so steht die Furcht, Angst oder Vermeidung nicht damit im Zusammenhang oder geht deutlich darüber hinaus.

|6|Bestimme, ob:

„Nur in Leistungssituationen“: Zu verwenden, wenn die Soziale Angststörung ausschließlich auf das Sprechen vor anderen bzw.das Erbringen von Leistungen vor anderen (oder in der Öffentlichkeit) beschränkt ist.

Kasten 2:Diagnostischen Kriterien der Sozialen Angststörung nach DSM-5 (American Psychiatric Association, 2013, 2015; Abdruck erfolgt mit Genehmigung aus der deutschen Ausgabe des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Fifth Edition © 2013, Dt. Ausgabe: © 2015, American Psychiatric Association. Alle Rechte vorbehalten)

1.2 Epidemiologische Daten


Angaben zur 12-Monats-Pävalenz (vgl. Tab. 1) variieren zwischen 2,3 % der Bevölkerung in Europa (Wittchen et al., 2011) und 6,8 % in den USA (Kessler et al., 2005). In der Gutenberg Gesundheitsstudie in Mainz und im Landkreis Mainz-Bingen betrug die Häufigkeit bei 5 000 repräsentativ ausgewählten Teilnehmern 7 % (Wiltink et al., 2011).

Tabelle 1: 12-Monats-Prävalenz von Angststörungen und Depression

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