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E-Book

Soziale Sicherheit von Schweizer Expats in der Volksrepublik China. Herausforderungen und Risiken für Expatriates

AutorMichael Lauener
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl84 Seiten
ISBN9783656721055
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Wissenschaftliche Studie aus dem Jahr 2014 im Fachbereich VWL - Internationale Wirtschaftsbeziehungen, , Sprache: Deutsch, Abstract: Die Volksrepublik China als Wirtschafts- und Handelspartner ist in der internationalen Wirtschaftsgemeinschaft heute wichtiger denn je. Schweizer Unternehmen entsenden jährlich zahlreiche Mitarbeiter als Expatriates, die ein halbes Jahr oder länger in China für ihre Schweizer Firma tätig sind. Diese Expats bleiben bei ihrem Schweizer Arbeitgeber angestellt, arbeiten aber im Ausland und unterstehen seit 2011 daher sowohl der schweizerischen als auch der chinesischen Sozialversicherungspflicht. Grundlage dafür bilden die vom Ministerium für Humanressourcen und soziale Sicherheit erlassene 'Vorläufige Methode zur Sozialversicherung der im chinesischen Gebiet beschäftigten Ausländer' ('Interim Measures for Participation in the Social Insurance System by Foreigners Working within the Territory of China') sowie das Sozialversicherungsgesetz der VR China. Schweizer Expats werden demnach der staatlichen chinesischen Sozialversicherung unterstellt. Dazu gehören die Grundaltersrentenversicherung, Unfallversicherung, Grundkrankenversicherung, Mutterschaftsversicherung und Arbeitslosenversicherung. Dies gilt auch für sogenannte Entsandte, das heisst bloss befristet tätige ausländische Arbeitnehmer, die in einem Foreign Invested Enterprise (FIE), in einer Repräsentanz oder in einer Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens arbeiten. Da zwischen der Schweiz und der VR China kein Sozialversicherungsabkommen besteht, muss der entsandte Arbeitnehmer gleichzeitig in beiden Staaten Sozialversicherungsbeiträge entrichten. Doch welche Auswirkungen hat diese Doppelversicherung (Doppelunterstellung) in beiden Sozialversicherungssystemen auf den Arbeitnehmer? Dieses Buch bietet umfassend recherchierte Antworten auf alle wichtigen Fragen wie: Was müssen Firmen und Expats über die Rechtslage und Steuern wissen? Wie sieht es mit der Lokalisation in China aus? Gibt es Unterschiede in den verschiedenen chinesischen Provinzen? Was passiert bei Krankheit, Unfall, Mutterschaft, Arbeitslosigkeit oder im Todesfall? Und was sollte beachtet werden, wenn Expats in die Schweiz zurückkehren?

Geboren am 20. Juli 1965. 1984 bis 1996 Studium der Rechts- und Geschichtswissenschaften an der Universität Bern (Abschluss: lic. phil.). 1996/97 Studium der Geschichts- und Archivwissenschaften an der Philipps-Universität Marburg/Lahn. 2006 bis 2011 Doktorat an der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich (Dr. phil.) mit Dissertation in Rechtsgeschichte. 2011/2012 Nachdiplomstudium Executive Master of European and International Business Law M.B.L.-HSG an der Universität St.Gallen.

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Leseprobe

I. Das Sozialversicherungsgesetz der VR China


 

Das am 28.10.2010 auf der 17. Sitzung des 11. NVK[36] verabschiedete Sozialversicherungsgesetz der VR China ist seit dem 01.07.2011 – dem Tag des 90. Parteijubiläums (Gründung der KP der VR China 1921)[37] – in Kraft.

 

A. Ziele des Sozialversicherungsgesetzes der VR China


 

Chinas Sozialversicherungssystem befindet sich im Umbruch und wurde in den letzten zwei Jahrzehnten beachtlich ausgebaut.[38] Im 12. Fünfjahresprogramm (Fünfjahresplan) (2011-2015), das im März 2011 vom NVK verabschiedet wurde, bildet die Abfederung des sozialen Gefälles durch den Aufbau des sozialen Sicherungsnetzes eines der wesentlichen Elemente.[39] Der nach den Vorschlägen der KPCh[40] vom Staatsrat ausgearbeitete und vom NVK gebilligte 12. Fünfjahresplan für die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen ist – wie alle vorgehenden Fünfjahrespläne – Teil der „Supraplanung“[41] der chinesischen Führung mit dem Einhundertjahresziel (bis 2049, dem 100. Jahr seit der Gründung der VR China) einer Gesellschaft mit bescheidenem Wohlstand auf einem noch höheren Niveau, die mehr als einer Milliarde Menschen Vorteile bringen wird.[42] Bis zum Ende der Periode des 12. Fünfjahresprogramms (2015) sollen u.a. 1. die vollständige Deckung der dörflichen Altersrenten-Sozialversicherung neuer Form erreicht, 2. die Bündelung der Grundrentenversicherung für städtische Beschäftigte und städtische Nicht-Beschäftigte erfolgt sowie 3. die Übertragbarkeit der Rentenversicherung geleistet sein. Auch die schrittweise Vernetzung städtischer und ländlicher Versicherungssysteme soll vorangetrieben werden. Ein weiteres Ziel ist die Verbesserung des Gesundheitssystems – u.a. der Grundkrankenversicherung in den Städten und auf dem Land.[43] Hintergrund bilden die höhere Lebenserwartung und die Folgen der seit Ende der 1970er Jahre propagierten Ein-Kind-Politik,[44] d.h. eine besonders schnelle Alterung der Bevölkerung.[45] Eine durch die zunehmend überalterte Gesellschaft und enorme Bildungs-, Einkommens- und Vermögensunterschiede verursachte soziale Desintegration[46] setzt den nationalen Zusammenhalt und insbesondere den Alleinherrschaftsanspruch der KPCh[47] unter wachsenden Druck.[48] So ist die Reform des sozialen Sicherungssystems gegenwärtig von absolut zentraler Bedeutung für die Legitimität der Herrschaft der KPCh.[49] Verschärft wird die Situation durch das niedrige Renteneintrittsalter von 50 bis 55 Jahren für Frauen und 60 Jahren für Männer.[50]

 

Entscheidend beeinflusst werden die amtlichen Normen, d.h. die von der KPCh erlassenen „Parteinormen“ und das staatliche Gesetzesrecht, durch den Sinomarxismus[51]. Das Gesetzesrecht der VR China dient überwiegend der Lösung des jeweils politisch geltenden „Hauptwiderspruchs“ in der chinesischen Gesellschaft[52], d.h. des „Widerspruchs zwischen den wachsenden materiellen und kulturellen Bedürfnissen des Volkes und der rückständigen gesellschaftlichen Produktion“[53], und ist daher je nach „Hauptwiderspruch“ ganz unterschiedlich gewichtet und ausgestaltet.[54] Dies gilt nun auch für die chinesische Sozialversicherungsgesetzgebung als Teil des betont hauptwiderspruchsrelevanten Wirtschaftsrechts.[55]

 

Ziele des neuen chinesischen Sozialversicherungsgesetzes sind demnach die Vereinheitlichung unterschiedlicher Beitragssätze und Leistungen[56] und die Erweiterung des Versichertenkreises. Durch die Festigung der finanziellen Basis der Sozialversicherungen soll eine soziale Absicherung für alle Bürger etabliert werden,[57] um die harmonische Stabilität der Gesellschaft[58] zu fördern (vgl. § 1 des SVG).[59] Bis heute gehört nämlich für die grosse Mehrheit der Chinesen die Sorge um die Altersversorgung zu den wichtigsten Sparmotiven, da eine geregelte und ausreichende Altersversicherung immer noch das Vorrecht einer kleinen Minderheit ist. Daraus erklärt sich unter anderem auch die auffallend hohe Sparquote in der VR China. Im 12. Fünfjahresprogramm (2011-2015) möchte die chinesische Regierung nun vermehrt den Binnenkonsum fördern. Durch verstärkten Binnenkonsum und Reduktion der Abhängigkeit des Wirtschaftswachstums (Aussenhandelsüberschuss: Euro 125,3 Mia.) von der Exportindustrie und den Kapitalgüterinvestitionen sollen wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand der Bevölkerung erreicht und die Kluft zwischen den hochentwickelten Regionen und den ärmeren Landesteilen verringert werden.[60] Dies setzt voraus, dass die privaten Haushalte durch den Ausbau des sozialen Sicherungsnetzes (Einführung einer flächendeckenden Sozial-, Pensions- und Gesundheitsversicherung) von der Risikoabsicherung über eigenes Sparen entlastet werden.[61] Dabei strebt die chinesische Regierung ein System an, das sich, ähnlich wie das Schweizer Drei-Säulen-Modell, auf staatliche Beiträge und persönliche Einlagen stützt. Im noch unterentwickelten chinesischen Versicherungsmarkt[62] spielen private Rentenversicherungen allerdings bloss eine geringe Rolle.[63]

 

B. Mangelnde Rechtssicherheit infolge Rechtszersplitterung


 

Das neue Sozialversicherungsgesetz geht vom bestehenden System aus, Detailregeln enthält es keine.[64] Zudem finden sich darin etliche Ermächtigungen an den Staatsrat[65],[66] der als das höchste vollziehende Organ des NVK die Funktion der Regierung wahrnimmt und die Arbeit der lokalen Regierungen leitet.[67] Die entsprechenden Ausführungsbestimmungen zum SVG sind als Verordnungen vom Staatsrat bzw. vom Arbeitsministerium erlassen worden. Diese betreffen verschiedene Regelungsgegenstände des Versicherungsrechts. Folge der Widersprüchlichkeit mancher Regelungen ist, dass die von den Kommunen eingeführten Erlasse und deren Auslegung sowie die beschlossenen Beiträge und Versicherungsleistungen je nach Region erheblich voneinander abweichen. Die Interpretation und Umsetzung der auf zentraler Ebene erlassenen Richtlinien zur chinesischen Sozialversicherung erfolgen nämlich auf lokaler Ebene.[68] Ebenso bestehen hinsichtlich der anspruchsberechtigten Personen, des Finanzierungsverfahrens sowie der Organisation erhebliche regionale Unterschiede.[69] Arbeitgeber, die in mehreren Regionen ausländische Mitarbeiter eingesetzt haben, müssen im Übrigen für jede Region separat prüfen, inwiefern die „Einstweiligen Massnahmen zur Sozialversicherungspflicht“ bereits umgesetzt werden.[70]

 

Zudem muss in einzelnen Punkten auf häufig überholte und sich widersprechende Bestimmungen oft noch aus den 1990er Jahren zurückgegriffen werden.[71] Häufig gibt es gar keine zentralen, sondern lediglich lokale Vorschriften.[72] Dies führt zur Unübersichtlichkeit von sozialrechtlichen Regelungen und damit zu einer intransparenten Rechtslage, da in jeder Provinz und jedem Bezirk andere sozialrechtliche Regelungen gelten.[73] Die unklare rechtliche Lage ermöglicht eine „Flexibilität, wie sie in westlichen Rechtssystemen nicht vorhanden ist“.[74]

 

Um für die in der VR China tätigen Ausländer mehr Klarheit hinsichtlich der Bestimmungen über den Beitritt und die Bedingungen für die staatliche Sozialversicherung zu schaffen, erliess das Ministerium für Humanressourcen die „Vorläufige Methode für die Teilnahme an der Sozialversicherung von Ausländern, die in China arbeiten“.[75] Angesichts der Tatsache, dass viele Rechtserlasse und anderweitige amtliche Normen der VR China als unklar erscheinen und viel Spielraum für Auslegungen offen lassen, welche in die Kompetenz von Chinesen und nicht von Ausländern fallen, und dabei chinesische Behörden das letzte Wort haben, stellt sich die Frage, ob die Interessen der in der VR China tätigen Ausländer tatsächlich geschützt werden, wie § 1 der Vorläufigen Methode festhält, oder ob nicht gerade die Unbestimmtheit der sozialversicherungsrechtlichen Formulierungen chinesische Interessen schützt.[76]

 

Angesichts der Unbestimmtheit der sozialversicherungsrechtlichen Formulierungen lässt sich durchaus die Frage stellen, ob hier etwa das Strategem[77] Nr. 20 „Das Wasser trüben, um die [ihrer klaren Sicht beraubten] Fische zu fangen; im getrübten Wasser fischen“ (Strategem des Ausnutzens einer unübersichtlichen Lage; Chaosnutzungsstrategem)[78] von den gesetzgebenden Institutionen angewandt wurde.[79] „Grundlage und Ausgangspunkt dieses Strategems ist nämlich die Unübersichtlichkeit, Uneindeutigkeit, Vielschichtigkeit der Welt im Allgemeinen und des Marktes im Besonderen.“ Es zielt darauf ab, mit unklaren Formulierungen Kunden hereinzulegen,[80] so dass „through the vagueness of the terminology of the Law, anybody who would intend to outwit the Chinese state is deprived of the legal remedies to realize his intention.“[81]

 

Wird mit der Einführung einer Sozialversicherungspflicht für ausländische Arbeitnehmer in der VR China, d.h. der Einführung der „Einstweiligen Massnahmen zur Sozialversicherungspflicht“, lediglich eine weitestgehende Gleichstellung ausländischer Arbeitskräfte mit den chinesischen Arbeitnehmern bezüglich der Sozialversicherungen angestrebt, wie sie in westlichen Ländern längst üblich ist, und liegt das Hauptaugenmerk dabei nicht auf der Erhöhung...

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