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Soziale Strategien für morgen

Ein Plädoyer für die Menschenwürde

VerlagOtto Müller Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783701362363
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis20,99 EUR
Ein tiefgreifender Wandel kennzeichnet unsere Gesellschaft. Ökonomisierung und Technisierung praktisch aller Lebensbereiche verändern das Leben bis tief in den Privatbereich hinein. Dabei schreiten die Veränderungen so rasant voran, dass es kaum mehr möglich scheint, Folgen rechtzeitig abzuschätzen, die Entwicklungen zu steuern oder sie angemessen zu reflektieren. Die genannte Dynamik hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten auch die Arbeitsfelder der sozialen Begleitung und Betreuung erfasst: Krankenpflege, Altenbetreuung und die Begleitung beeinträchtigter Menschen unterliegen zunehmend behördlichen Vorgaben. Begründet werden diese Vorgaben damit, dass die 'Sozialkosten' ein inakzeptables Ausmaß erreicht hätten. Sparmaßnahmen sind die Folge. Für nicht wenige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bedeutet diese Entwicklung eine immer größere körperliche und psychische Belastung und zugleich immer weniger Zeit für die jeweiligen Klienten und Klientinnen. Mit dem Buch Soziale Strategien für morgen soll die beschriebene Entwicklung reflektieret werden. Ziel des Projektes ist es, vielen Menschen in unserer Gesellschaft ein kritisches Bewusstsein im Blick auf Lebens- und Arbeitswelten zu ermöglichen. Die Beiträge dieses Buches wollen inspirierende Impulse zu wirksamer und dringend notwendiger Veränderung geben.

Dr. Roland Steidl geboren 1956, Studium der Philosophie; Erwachsenenbildner, Autor, Geistlicher Begleiter, Trainer für Körpersprache und Kommunikation; jahrzehntelanges Engagement im ökosozialen Bereich; seit 25 Jahren im Diakoniewerk Gallneukirchen im Bereich Aus- und Fortbildung tätig; Dozent an der FH Linz; Radioreihe '30 Minuten Philosophie' seit 6 Jahren. Mag. Dr. Gerhard Gäbler geboren 1943; Studium der Evangelischen Theologie, 1970 Ordination zum Pfarrer, 1990 Promotion zum Dr.phil. in Sonderpädagogik; langjährige Tätigkeit in diakonischen Einrichtungen in Österreich und Deutschland, seit 1974 im Diakoniewerk Gallneukirchen; von 1981 bis 2008 als Rektor, Vorsitzender des Vorstandes des Diakoniewerkes; derzeit u.a. Lehrtätigkeit an der Schule für Sozialbetreuungsberufe des Diakoniewerkes.

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Leseprobe

DANIELA PALK

Hat das Alter Zukunft?

Demografische Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung Österreichs, aber auch weltweite entsprechende Voraussagen, sind mittlerweile Allgemeingut. Die Inhalte dieser Voraussagen sind grundsätzlich bekannt1:

•Die Lebenserwartung in Österreich steigt konstant an, sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Lag die Lebenserwartung bei Geburt 1970 für Männer noch bei 66,46 Jahren, ist sie bis 2013 auf 73,38 Jahre gestiegen. Für Frauen stieg dieser Wert im selben Zeitraum von 78,45 auf 83,56 Jahre.

•Aktuell beträgt die Lebenserwartung für beide Geschlechter zusammen 80,7 Jahre, jene der Männer liegt bei 78, jene der Frauen bei 83,3 Jahren. Die männliche Lebenserwartung ist im vergangenen Jahrzehnt um 2,4 Jahre, jene der Frauen um 1,8 Jahre gestiegen.

•Verbunden mit dieser Zunahme an Lebensjahren ist auch die Zunahme an Hochaltrigkeit. Die Wahrscheinlichkeit 100 Jahre alt zu werden, beträgt für Frauen aktuell 1,9 und für Männer 0,7%.

•Die Lebenserwartung wird noch weiter ansteigen. So wird sie für Männer nach aktuellen Berechnungen 2020 bei 81 und für Frauen bei 85,7 Jahren liegen. 2030 ist die Wahrscheinlichkeit für neugeborene Jungen 83,7 Jahre, für neugeborene Mädchen 87,8 Jahre alt zu werden sehr hoch. 2050 werden männliche Säuglinge bereits eine Lebenserwartung von 88 Jahren und weibliche Säuglinge eine Lebenserwartung von 91,7 Jahren haben. Zugleich wird aufgrund gesunkener Geburtenzahlen der Anteil jüngerer Menschen in der Gesellschaft sinken. Während der Anteil der Personen, die 65 Jahre und älter sind, 2013 bei 18,2% lag, wird dieser Wert 2030 bei 23,6% liegen und bis 2075 auf 28,6% steigen.

Wir werden also älter und leben damit länger. Vor allem die Baby-Boomer-Generation mit ihren geburtenstarken Jahrgängen von Mitte der 1950er bis zum Ende der 1960er Jahre tritt demografisch in doppeltem Sinn in Erscheinung: Viele Personen werden ein hohes Alter erreichen und zugleich hat diese Alterskohorte niedrigere Geburtenraten. Während eine große Zahl an Personen ab 2035 das hohe Alter erreichen wird, steht dem eine geringere Anzahl an jüngeren Personen gegenüber.

Dieser demografische Wandel verbunden mit dem Anstieg der Lebenserwartung und der Lebensdauer für breite Teile der Bevölkerung ist menschheitsgeschichtlich gesehen erstmalig und findet im Übrigen auch weltweit statt, wenn auch mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und auf unterschiedlichen Niveaus. Daraus ließe sich die Eingangsfrage nach der Zukunft des Alters aus prognostischer Sicht einfach beantworten – es ist sozusagen demografisch belegt, dass das Alter Zukunft hat. Und doch lohnt sich ein genauerer Blick auf das Alter(n), denn einiges deutet darauf hin, dass die Zukunft des Alter(n)s noch nicht so klar ausgestaltet sein dürfte – weniger im demografischen oder medizinisch-biologischen Sinn, sondern in seinen sozialen, qualitativen und ethischen Dimensionen. Zudem lohnt sich die Erörterung der Frage, wie denn eine offenbar offenkundige Zukunft des Alter(n)s aussehen könnte und sollte.

Cogito ergo sum – Ich denke, also bin ich

Unsere Zeit ist unter anderem geprägt von Globalisierung und damit verbundener scheinbarer oder suggerierter Grenzenlosigkeit. Sogar das erreichbare Lebensalter geht mittlerweile weit über bisher gekannte Grenzen. Unsere Zeit ist aber auch gekennzeichnet von Individualisierung und damit einhergehender Eigenverantwortlichkeit, Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung sowie ausdifferenzierten Lebensentwürfen. Wissens- und informationsgesellschaftliche Aspekte, das schnelle Vernetzen der Informationen und des Wissens sowie die Bildung neuer sozialer digitaler Netzwerke treten in der aktuellen Leistungsgesellschaft ebenfalls deutlich hervor. In einer Zeit, die unter anderem diese genannten Merkmale aufweist, ist das Alter(n) eine demografische Tatsache, die dennoch ganz offenbar nicht im Trend liegt, sich gar als Gegenentwicklung darzustellen scheint. Alter(n) ist heterogen und vielfältig und soll auch in diesem Beitrag keinesfalls auf bestimmte und die gesellschaftliche Debatte oftmals bestimmende Klischees zurückgeführt werden. Aber es scheint dennoch so zu sein, dass uns das Alter(n) mit den damit verbundenen Einschränkungen die absolute Endlichkeit und Begrenztheit des Lebens vor Augen führt und auf diese Weise im Widerspruch zu einer scheinbar grenzenlosen Welt steht. Die Begrenztheit des Lebens ist natürlich nicht neu. In einer Zeit des demografischen Wandels und des langen Lebens bei einem gleichzeitigen Postulat der Grenzenlosigkeit und Jugendlichkeit wird sie uns nur umfassender und deutlicher als vielleicht gewollt aufgezeigt. Mit dem Alter(n) werden uns unsere Grenzen deutlich gemacht. Alter(n) macht uns mit dem Angewiesen sein auf andere die Grenzen oder Kehrseiten der Individualisierung sicht- und spürbar. Was bedeuten altersbedingte Einschränkungen in einer Welt, in der jeder Schmied seines eigenen Glücks ist, in der Eigenverantwortlichkeit, Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung individuell und gesellschaftlich erstrebenswerte Ziele darstellen. Auch hier gilt: Abhängigkeit ist kein Exklusiv-Merkmal von Alter(n), wir alle sind als soziale Wesen aufeinander angewiesen. Auch im wirtschaftlichen Handeln ist das gegenseitige Angewiesen sein aufeinander, gerade bei unserem hohen Grad des arbeitsteiligen und hochspezialisierten Berufslebens, selbstverständlich und dennoch führt uns das Alter(n) deutlicher als andere gesellschaftliche Zusammenhänge dieses Angewiesen sein im individuellen Sinn und als scheinbarer Gegenentwurf zur Autonomie und Eigenverantwortung vor Augen – mit einem unangenehmen Beigeschmack. Alter(n) scheint oftmals auch im Widerspruch zur Weiterentwicklung der Wissens- und Informationsgesellschaft zu liegen. Altes Wissen, oder das, was die Alten wissen, ist offenbar allgemein gesehen nicht mehr gefragt, nicht mehr aktuell und wird nicht mehr gebraucht. Auf die Expertise alter Menschen wird weitgehend verzichtet, auch wenn erste Gegenbewegungen deutlich werden (Age Management, Senior Design Factory). Dazu kommt, dass uns die Demenz als eine der häufigsten altersbedingten Erkrankungen zudem mit unserem Umgang mit Wissen, Information und kognitiver Leistungsfähigkeit konfrontiert. Menschen mit Demenz gehen kognitive Fähigkeiten verloren, sie verlieren die Orientierung zu Ort, Zeit und sich selbst und sie vergessen neben Alltagshandeln vor allem auch ihre Lebenserinnerungen. Allein an diesen allgemein gültigen Zustandsbeschreibungen von Demenz wird deutlich, wie sehr diese Menschen auf den Verlust ihrer kognitiven Fähigkeiten beschränkt werden und ein defizit-orientiertes Bild von Demenz vermittelt wird. Die Angst, an Demenz zu erkranken, war und ist nicht nur für Intellektuelle, und damit mit dem Kopf arbeitende Menschen wie Walter Jens oder Hans Küng2, eine der größten Alter(n)sängste. Der Verlust der kognitiven Fähigkeiten wiegt für einen Großteil der Bevölkerung schwerer als körperliche Einschränkungen und Pflegebedürftigkeit3. Die Aussage des französischen Philosophen René Descartes „Cogito ergo sum” („Ich denke, also bin ich“) bringt klar zum Ausdruck, wie sehr wir unser Sein mit der Fähigkeit zu denken verbinden. Damit provoziert der demografische Wandel und die damit verbundenen Veränderungen und Herausforderungen eine Wissens- und Informationsgesellschaft und fordert sie in Bezug auf die Betonung und Bedeutung von Wissen, Information und kognitiven Leistungen heraus. Und naturgemäß fordert uns Alter(n) auch heraus, was unseren Blick auf körperliche Leistungsfähigkeit betrifft.

Verbunden mit dem demografischen Wandel und einer entsprechenden und pro-aktiven Gestaltung der Zukunft des Alter(n)s, gilt es daher im Besonderen den Würdebegriff immer wieder zu vergegenwärtigen. Würde und Menschsein sind weder an Rationalität noch an Selbstbewusstsein, Selbstständigkeit oder Leistung(sfähigkeit) gebunden. Der Anspruch auf Autonomie bleibt auch dann erhalten, wenn die Autonomie eingeschränkt oder verlorengegangen ist.4

Nun soll und darf der demografische Wandel in diesem Beitrag keinesfalls auf eine negative und einschränkende Sicht auf das Altern reduziert werden. Vor allem soll die weitere Erörterung des Themas nicht an den leider oftmals zu gängigen Bildern von Defiziten und Einschränkungen sowie Kosten hängen bleiben. Aber die zuvor kurz umrissene Darstellung der Polaritäten von (scheinbarer) Grenzenlosigkeit auf der einen und Endlichkeit und Begrenztheit auf der anderen Seite des Lebens, von Individualisierung und Abhängigkeit und von körperlicher und kognitiver Leistungsfähigkeit sowie entsprechenden altersbedingten Verlusten und Einschränkungen macht deutlich, wie sehr der demografische Wandel umfassend herausfordert und tiefgreifend mit einem würdevollen zukunftsfähigen Alter(n) in Zusammenhang zu bringen ist.

Du sollst Vater und Mutter ehren

Die Angst vor dem Alter(n) ist nicht neu, wie auch der für uns individuell und gesellschaftlich oftmals schwierige Umgang mit dem Alter(n). Es ist zuallererst eine menschliche Errungenschaft, dass breite Bevölkerungsgruppen ein hohes...

Blick ins Buch

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