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Soziale Verantwortung in der Bekleidungsindustrie. Chancen und Probleme von Sozialstandards

Chancen und Probleme von Sozialstandards

AutorJoshua Heid
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl113 Seiten
ISBN9783638487498
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis49,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich BWL - Allgemeines, Note: 1,7, Fachhochschule für Wirtschaft Berlin, 94 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Textil- und Bekleidungsindustrie steht unter einem starken Wettbewerbsdruck und gilt als Vorreiter der Globalisierung. Bereits in den 70er Jahren hat die Branche mit Produktionsverlagerungen begonnen und lässt seitdem ihre arbeitsintensiven Produkte weltweit, meist in freien Exportzonen (FEZ) und kleineren Werkstätten (Sweatshops), fertigen. Personalintensive Handarbeit und weltweite Produktion sind charakteristisch für diese Branche und zugleich jene Faktoren an denen sich viele Probleme gerade im sozialen Bereich zeigen. Die relative technologische Anspruchslosigkeit sowie die Lohnintensität der Arbeit gehen einher mit der Notwendigkeit vieler Entwicklungsländer, die komparativen Kostenvorteile in diesen Bereichen zu nutzen, um als Produktionsstandort wettbewerbsfähig zu werden oder zu bleiben. Dies führt zu einem erheblichen Druck auf die Arbeitsbedingungen und die sozialen Rechte der Beschäftigten in diesen Ländern. Hinzu kommt ein hoher Kosten- und Zeitdruck durch die Abnehmer der Produkte. Gleichzeitig weisen jedoch diese Abnehmer darauf hin, dass sie aus eigener Überzeugung oder durch Druck ihrer Abnehmer und Stakeholder bemüht sind, die Einhaltung von bestimmten Sozialstandards bei ihren Zulieferern durchzusetzen. Desgleichen befinden sich diese Händler und Hersteller jedoch ebenfalls im Wettbewerb und sind somit auf preisgünstige Produktion angewiesen. Bei der Bemühung der Hersteller und Händler, soziale Verantwortung zu übernehmen, orientieren sich ihre unternehmenseigenen Verhaltenskodizes meist an den Standards der Internationalen Arbeiterorganisation (englisch: International Labour Organization: ILO). Menschenrechtsorganisationen weisen jedoch immer wieder auf massive Arbeitsrechtsverletzungen und unakzeptable Arbeitsbedingungen in den sogenannten Weltmarktfabriken der Entwicklungsländer und anderen Ortes hin, die weder den Standards der ILO noch den Verhaltenskodizes von multinationalen Unternehmen entsprechen.

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Leseprobe

4. Internationale Institutionen und Regierungsorganisationen

 

4.1. Die Rolle der Nationalstaaten

 

Durch die Globalisierung verlieren die Staatsgrenzen zunehmend an Bedeutung. Die territorialen Grenzen werden durchlässiger für Kapital, Informationen, Arbeitskräfte, Güter und Dienstleistungen. Mit zunehmender Integration der Weltwirtschaft verlieren die einzelnen Staaten die politische Kontrolle über ihre nationalen Märkte. Diese Veränderungen untergraben die Steuerungseffizienz des nationalstaatlichen Systems und beschränken die Fähigkeit, die gesellschaftliche Integration innerhalb ihres Territoriums zu koordinieren (Funktionskrise). Die gestiegene Mobilität des Kapitals behindert außerdem den staatlichen Zugriff auf Gewinn und Geldvermögen. Hinzu kommt die verschärfte Standortkonkurrenz zwischen verschiedenen Regionen und Staaten. Häufig veranstalten diese einen Steuer- und Subventionswettbewerb mit der Folge, dass Aufkommen aus Steuern auf Kapital immer geringer wird, während die Ausgaben für Subventionen steigen. Die Handlungsspielräume bei der Setzung der Rahmenbedingungen für die nationale Wirtschaft werden somit zunehmend eingeschränkt, und zugleich verringert sich die Fähigkeit, den Verwaltungsapparat und öffentliche Güter aus Steuern zu finanzieren.[65]

 

Freie Exportzonen als Entwicklungs- und Industrialisierungsstrategie

 

Seit Mitte der 60er Jahre richteten insbesondere Regierungen von Entwicklungsländern auf ihren Territorien freie Exportzonen ein. Hiermit verband sich die Hoffnung, durch erhebliche finanzielle Anreize Auslandsinvestoren anzulocken, um dadurch eine nachholende Entwicklung in ihren Ländern auszulösen. Auslandsinvestitionen in FEZ fügten sich damit nahtlos in die globalen Umstrukturierungen von Produktion und Erwerbsarbeit ein, wie sie die wirtschaftliche Liberalisierung und der technologische Wandel seit den 70er Jahren mit sich brachten. Seit dieser Zeit haben Unternehmen Produktionsstätten zunehmend in Entwicklungsländer ausgelagert, vor allem arbeitsintensive,[66] technologisch anspruchlose und gering qualifizierte Tätigkeiten aus der Textil-, Bekleidungs- und Elektronikindustrie.[67] Entwicklungsländer lösten die bis dahin vorherrschende Binnenorientierung ihrer Wirtschaft ab durch eine Politik der Öffnung für den Weltmarkt.[68]

 

Begrifflichkeit

 

Je nach Ausrichtung oder Region wird für freie Exportzonen eine Vielzahl von Begriffen verwendet, die jedoch synonym verwendet werden können. Zu den häufigsten Bezeichnungen gehören: Free Trade Zone, Export Processing Free Zone, Free Export Zone, Industrial Free Zone, Special Economic Zone (China) und Maquiladora (Mexiko).[69]

 

Die ILO hat freie Exportzonen als Industrie- und/oder Gewerbegebiete definiert, die auf die Verarbeitung und/oder Weiterverarbeitung von Gütern für den Export spezialisiert sind. Den angesiedelten Firmen oder den sogenannten Weltmarktfabriken und Investoren werden spezielle Anreize und eine besondere Gesetzgebung in den FEZ eingeräumt.[70] Hierzu gehören Zoll- und Steuervergünstigungen, aber auch Infrastrukturmaßnahmen sowie eine weitgehende Außerkraftsetzung der im Lande sonst gültigen Arbeits- und Sozialgesetze.[71] Die FEZ sind daher meist als industrielle Enklaven physisch, sozial und ökonomisch abgegrenzt vom restlichen Teil des Landes.[72]

 


Zielsetzungen


 


Ziel der FEZ ist die Schaffung von Arbeitsplätzen und damit Einkommen. Darüber hinaus sollen ausländische Direktinvestitionen angelockt werden, wodurch ein Technologie- sowie ein Wissenstransfer erzeugt werden soll. Ebenso sollen Einkünfte aus Devisengeschäften über die Förderung von nichttraditionellen Industriezweigen erzielt werden.[73]

 

Geografische Lage

 

Der schnelle Zugang zu den Absatzmärkten ist ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung zur Ansiedlung von FEZ. Daher werden diese oft an Flughäfen, Häfen oder in unmittelbarer Nähe zu ihren Hauptzielmärkten angesiedelt. (Mittelamerika und Osteuropa liegen nah bei ihren Hauptzielmärkten USA und Westeuropa).[74]

 

Drei Viertel der weltweit Beschäftigten in den FEZ arbeiten in China.[75] Die Mehrheit der ca. 40 Millionen weltweit Beschäftigten[76] sind Frauen, die als gering qualifizierte und schlecht bezahlte Kräfte zur kostengünstigen Produktion beitragen.[77]

 

Seit den 70er Jahren hat sich die Anzahl der FEZ stetig vergrößert. 1975 existierten in 25 Ländern insgesamt 79 FEZ, im Jahre 2002 hat die ILO bereits 3000 FEZ in 116 Ländern gezählt (vgl. Tabelle 1).[78] Laut ILO hat die Anzahl der Zonen im Jahre 2004 sich noch mal auf 5174 FEZ weltweit vergrößert. Trotz der angestiegenen Zahl der FEZ hat sich die Zahl der Beschäftigten von ca. 43 Millionen im Jahre 2002 im Vergleich zu 2004 auf unter 42 Millionen Beschäftigte verringert.[79]

 

Tabelle 1: Entwicklung von FEZ

 

 

Quelle: ILO 2003 Governing Body Report: Employment and social policy in respect of EPZs,  S. 5.

 

4.2. Internationale Institutionen

 

Auf supranationaler Ebene gibt es eine Vielzahl von Institutionen, die in den letzten Jahrzehnten, zumeist auf Betreiben nationalstaatlicher Regierungen, gegründet wurden und die sich als Teil der bestehenden Weltordnung darstellen. Durch die Schöpfung solcher Institutionen und die Einbindung der Nationalstaaten in internationale Regelnetzwerke versuchen die nationalen Regierungen, die politische Handlungsfähigkeit gegenüber ihren Wirtschaften wieder zurückzugewinnen. Ziel dieser Institutionen ist es, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass alle Staaten an den wirtschaftlichen Entwicklungen teilhaben können, und zugleich soll eine Weltordnung etabliert werden, die für einen friedlichen Ausgleich sorgt. Dies soll erreicht werden durch Maßnahmen und Institutionen, die auf die Etablierung des freien Handels abzielen (z.B. GATT, WTO), und durch Regeln und Einrichtungen, die für einen sozialen Ausgleich sorgen (z.B. ILO, UN).[80]

 

4.2.1. Die Internationale Arbeiterorganisation (ILO)

 

Die ILO ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen.[81] Die Gründung der ILO im Jahre 1919 steht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Erlebnis des ersten Weltkrieges. Die grundlegende Zielsetzung der ILO ist daher die Sicherung des Weltfriedens auf der Grundlage sozialer Gerechtigkeit. Dementsprechend lautet der Eingangs- und Kernsatz der Präambel: „Der Weltfriede kann auf die Dauer nur auf sozialer Gerechtigkeit aufgebaut werden“. Der Grundgedanke der ILO ist eine fortschreitende internationale Vernetzung der Sozialpolitik durch die Erarbeitung von arbeits- und sozialrechtlichen Mindeststandards, die allseits anerkannt werden. Hintergrund ist die Erfahrung und Befürchtung, das durch die weltweite Konkurrenz zwischen den verschiedenen Standorten eine Spirale des Abbaus von Arbeitnehmerrechten sowie eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen stattfindet. Hierzu die Präambel: „Auch würde die Nichteinführung wirklich menschenwürdiger Arbeitsbedingungen durch eine Nation die Bemühungen anderer Nationen um Verbesserung des Loses der Arbeitnehmer in ihren Länder hemmen“.[82] Diese negativen Auswirkungen des weltweiten Standortwettbewerbs sollen durch kooperatives Verhalten auf politischer Ebene im Rahmen der ILO überwunden werden.[83]

 

Die ILO verfügt über eine dreigliedrige Struktur. Die 178 Mitgliedsstaaten sind durch Repräsentanten sowohl von Regierungen als auch von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in den Organen der ILO vertreten.[84] Das Prinzip der Dreigliedrigkeit hat nicht nur organisatorische Bedeutung. Es reflektiert vielmehr das ordnungspolitische Grundverständnis der ILO, wonach sozialpartnerschaftliches Miteinander und Interessenausgleich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern die besten Voraussetzungen für eine auf Gerechtigkeit abzielende Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialpolitik bilden.[85]

 

Schwerpunkt der ILO-Tätigkeit ist die Erarbeitung, Verabschiedung und Überwachung von Arbeitsnormen. Inzwischen gibt es rund 185 Konventionen bzw. Übereinkommen und 194 Empfehlungen,[86] die weite Teile des Arbeits- und Sozialrechts abdecken.[87] Übereinkommen sind Urkunden, deren Ratifizierung durch die hierfür verantwortlichen Stellen eines Mitgliedsstaates rechtliche Verpflichtungen darstellen. Empfehlungen liegen nicht zur Ratifizierung auf, sie sollen nur Orientierungshilfe für die Politik geben.[88]

 

Im Zusammenhang mit der Debatte um die Einhaltung internationaler Sozialstandards im Rahmen...

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