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E-Book

Sozialpädagogische Interventionsmöglichkeiten im Jugendarrest

AutorFranziska Tiemann
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl93 Seiten
ISBN9783656925408
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,0, Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg (Fakultät Sozialwissenschaften), Veranstaltung: Bachelorarbeit, Sprache: Deutsch, Abstract: Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den sozialpädagogischen Interventionsmöglichkeiten des Jugendarrestes. Es wird der Frage nachgegangen, ob es Möglichkeiten gibt, den jugendlichen Arrestanten zu fördern und zu unterstützen und um welche es sich dabei handelt, so dass einer weiteren Straffälligkeit vorgebeugt werden kann. Ziel ist es hierbei zu klären, ob der Jugendarrest in seiner aktuellen Form wirksam ist. Außerdem wird aufgezeigt in welchem Rahmen und unter der Berücksichtigung welcher Faktoren eine sozialpädagogische Intervention möglich ist. Hierfür wird ein Überblick über die Institution Jugendarrest sowie die relevanten gesetzlichen Grundlagen gegeben. Desweiteren werden spezifische sozialpädagogische Maßnahmen aufgezeigt bzw. ausgearbeitet. Das Thema wird auf der Grundlage von gesetzlichen Bestimmungen, Fachliteratur und Beiträgen in Fachzeitschriften dargestellt. Analysen bzw. Darstellungen von Experten sowie themenrelevante Dissertationen dienen ebenfalls als Informationsquelle. Im Ergebnis wird deutlich, dass der Jugendarrest aufgrund seiner aktuellen ungenügenden Wirksamkeit dringend neu aus- und umgestaltet werden muss. Hierfür sind spezifische Standards notwendig, welche eine effektive Soziale Arbeit in den Jugendarrestanstalten gewährleisten. Anhand dieser Standards wird der Rahmen für eine sozialpädagogische Intervention ermöglicht, welcher sich an den Lebensphasen der Jugendlichen orientiert. Für eine effektive und wirksame Arbeit im Jugendarrest ist eine Umgestaltung des Tagesablaufes notwendig, so dass eine adäquate sozialpädagogische Arbeit möglich ist. Auch die Notwendigkeit einer Nachsorgemaßnahme scheint hierbei unabdingbar.

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Leseprobe

2. Der Jugendarrest in Geschichte und Gesetz


 

Zunächst ist es für die Erarbeitung des Themas notwendig, die rechtlichen Grundlagen des Jugendarrestes darzustellen, da sich hieraus unter anderem Zielvorstellungen, Zielgruppe und Rahmenbedingungen ableiten lassen. Auch die Auseinandersetzung mit und Darstellung der Entwicklung gesetzlicher Grundlagen zum Thema Jugendarrest ist in diesem Zusammenhang wichtig, da der Jugendarrest immer wieder im kritischen Blickfeld steht und ein umstrittenes Thema in der Öffentlichkeit darstellt.[11]

 

Die gesetzlichen Grundlagen des Jugendarrestes sind im Jugendgerichtsgesetz (JGG) und in der Jugendarrestvollzugsordnung (JAVollzO) geregelt.

 

Zunächst stelle ich die Entstehung des Jugendarrestes dar, da diese für den weiteren Verlauf und vor allem für die Frage nach der Effizienz bzw. Effektivität des Jugendarrestes eine beachtliche Rolle spielen.

 

2.1. Geschichtliche Entwicklung des Jugendarrestes


 

Grundsätzlich kann man die Historie des Jugendarrestes in drei Zeitspannen einteilen.

 

Dabei handelt es sich zunächst um die Zeit der ‚Ideen pädagogischer Neugestaltungen bis zum Dritten Reich‘, darauf folgend die ‚Festlegung des Jugendarrestes im Nationalsozialismus‘ und zuletzt die ‚Veränderungen und Entwicklungen bis heute‘.[12]

 

2.1.1. Ideen pädagogischer Neugestaltung


 

Auch wenn in der Fachwelt der Jugendarrest immer noch als nationalsozialistisches Produkt bzw. als dessen Neuschaffung angesehen wird, liegt dessen Ursprung weiter zurück.[13]

 

Erste Ideen zu einer sogenannten „Besinnungsstrafe“ wurden bereits 1911 durch den Pädagogen Förster entwickelt.[14] Als Erziehungswissenschaftler und Politiker schlug er das erste Mal eine Trennung von Strafe und Erziehung 1911 in seinem Buch „Schuld und Sühne“ vor,[15] um die „Selbstachtung“ der Jugendlichen zu fördern.[16] Auf dem dritten deutschen Jugendgerichtstag 1912 forderte er „Gefängnisse für Jugendliche (zu) reservieren, einen sog. ‚Jugendarrest‘ mit Arbeitstherapie, der in den Personalakten nicht als ‚Vorstrafe‘ gerechnet wird, der aber in seinem Wesen weder bloße Verwahrung noch bloße Zwangserziehung, sondern durchaus ernste Strafe ist.“ [17]

 

Dieser Arrest sollte den Jugendlichen bei „besonderer Zügellosigkeit“ zur Besinnung bringen. 1923 wurde in verschiedenen Vorschlägen zum JGG die Einführung einer sogenannten „Besinnungshaft“ jedoch abgelehnt.[18]

 

2.1.2. Festlegung des Jugendarrestes im Nationalsozialismus


 

Die ursprünglichen Vorschläge von Förster wurden im Anschluss von den Nationalsozialisten angepasst, um den eigenen Vorstellungen und Interessen Rechnung zu tragen.[19]

 

„Der Jugendarrest im Sinne des heutigen Urteilarrests wurde erst durch die Verordnung des Reichsverteidigungsrates zur Ergänzung des Jugendstrafrechts vom 04.10.1940 (…) eingeführt.“ [20] Die Weichen für den dreiteiligen Freizeit-, Kurz- und Dauerarrest wurden im Jahr 1943[21] durch die Aufnahme in das Reichsjugendgerichtsgesetz[22] gestellt.

 

Zu diesem Zeitpunkt wurde der Jugendarrest als Zuchtmittel vor allem durch den damaligen Staatssekretär des Reichsjustizministeriums Roland Freisler angetrieben.[23] Freisler begründete den Arrest mit der aktuellen Kriegssituation und den ideologischen Vorstellungen des Nationalsozialismus, um eine „Schockwirkung“ [24] bei den Jugendlichen zu erreichen.[25] Der Jugendarrest sollte unter anderem der Sozialisation der Jugendlichen dienen und an deren „Ehrgefühl appellieren“. [26] Zu Beginn des Jahres 1944 wurde ein sogenannter Ungehorsamsarrest in das Jugendgerichtsgesetz aufgenommen. [27]

 

In den Richtlinien von 1944 wurde festgehalten, dass der Jugendarrest bei Jugendlichen ein geeignetes Zuchtmittel ist, wenn diese grundsätzlich „gutgeartet“ sind.[28] Als nicht geeignet für den Arrestvollzug wurden gefährdete Jugendliche, Intensivtäter oder „verwahrloste“ Jugendliche bezeichnet.[29]

 

2.1.3. Veränderungen und Entwicklungen bis heute


 

Im Anschluss an den Nationalsozialismus im Mai 1945 stieß vor allem die Sanktions- und Vollzugspraxis des Jugendarrests immer wieder auf Kritik.[30] Der Jugendarrest wurde teilweise mehrfach und ohne Rücksicht auf die Persönlichkeit des Jugendlichen verhängt. Immer wieder wurde in Reformdiskussionen die Streichung vereinzelter „zu harter“ Strafen gefordert.[31]

 

In einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 01.01.1963 wurde dem Jugendarrest neben der repressiven Wirkung auch ein erzieherischer Charakter zugesprochen.[32] Ziel war weiterhin die Erziehung durch Strafe, welche dem Jugendlichen einen Denkzettel geben sollte.[33] Nachdem in den 1970er Jahren empirische Untersuchungen belegten, dass viele Jugendliche nach Arrestaufenthalt wieder rückfällig wurden, kam es zu der Überprüfung der Wirkung. Durch die 1977 in Kraft getretene Jugendarrestvollzugsordnung wurden in Folge dieser Überprüfung die Bedingungen des Arrestes etwas abgemildert.[34]

 

Die Änderung des Jugendgerichtsgesetzes legte 1990 mit § 90 Abs.1 JGG fest, dass der Jugendarrest erzieherisch zu gestalten ist und dass dem Jugendlichen dabei geholfen werden soll, seine Schwierigkeiten zu überwinden.[35] Durch das Inkrafttreten des 1. Gesetzes zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes (JGGÄndG) änderte sich der Umgang mit den freiheitsentziehenden Maßnahmen erheblich. Aufgrund der Ergebnisse einiger kriminologischer Untersuchungen, wurden in das JGG sogenannte neue ambulante Maßnahmen eingeführt. Zu diesen Maßnahmen gehörten unter anderem die Betreuungsweisungen, soziale Trainingskurse und der Täter-Opfer-Ausgleich.[36] Die neuen ambulanten Maßnahmen hatten unter anderem zum Ziel, den Jugendarrest nach Intention des 1. JGGÄndG als freiheitsentziehende Maßnahme weitestgehend zu ersetzen.[37] Der Erziehungsgedanke rückte durch die Zielsetzung der erzieherischen Wirkung des Jugendarrestes weiter in den Vordergrund.[38]

 

Trotz der soeben beschriebenen Anpassungen und Änderung der Leitidee des Jugendarrestes und dessen gesetzlicher Grundlagen, scheint die Idee der Notwendigkeit von ‚Härte‘ weiter in den Köpfen der Gesellschaft zu bestehen. Der Grundgedanke von repressiver Wirkung besteht vor allem aufgrund der baulichen Situation der Arrestanstalten weiter.[39]

 

Vielen Bundesländern gelingt es bis heute nicht, die Andersartigkeit der Arrestanstalten zu verdeutlichen, da diese teilweise an Erwachsenenstrafanstalten angehängt sind. Aus diesem Grund wird der Jugendarrest in der Öffentlichkeit häufig als Gefängnis wahrgenommen.[40]

 

Jedoch wird der Jugendarrest im Jugendstrafrecht als eine Einrichtung ‚eigener Art‘ beschrieben. Aufgrund der erwähnten baulichen Gestaltung der Jugendarrestanstalten, ist die Umsetzung und Verwirklichung einer erzieherischen Wirkung sehr schwierig.[41]

 

2.2. Jugendarrest im Jugendgerichtsgesetz


 

Nach der Darstellung der historischen Entwicklung des Jugendarrestes, werde ich im weiteren Verlauf die aktuelle Rechtsgrundlage des Jugendarrestes beschreiben.

 

Der Überblick über und die Auseinandersetzung mit den gesetzlichen Grundlagen stellt eine wichtige Anforderung an die sozialarbeiterische Praxis im Jugendarrest dar. Anhand dieses Fundaments können verschiedene Interventionsmöglichkeiten eruiert werden. Andererseits kann eine notwendige Überarbeitung und Anpassung der gesetzlichen Grundlagen überprüft werden.

 

2.2.1. Definition des Jugendarrestes


 

Der Jugendarrest stellt einen kurzzeitigen Freiheitsentzug ohne die Rechtswirkung einer Strafe dar. Der verurteilte Jugendliche gilt somit nicht als vorbestraft und erhält keinen Eintrag im Führungszeugnis (§ 13 Abs3 JGG).[42] Außerdem kann der Jugendarrest nicht zur Bewährung ausgesetzt werden.[43]

 

„Jugendarrest kann gegen Jugendliche und – wenn die Voraussetzungen des §105 Abs.1 JGG gegeben sind – Heranwachsende verhängt werden, und zwar sowohl von Jugendgerichten als auch von den für allgemeine Strafsachen zuständigen Gerichten (§§ 104 Abs.1 Nr.1 und 112 JGG). [44][45]

 

2.2.2. Ziel und Zielgruppe des Jugendarrestes


 

Das Ziel des Jugendstrafrechts ist es, den jugendlichen Straffälligen zu einer Auseinandersetzung mit seinem gezeigten Fehlverhalten zu bewegen....

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