In der Literatur wird der Begriff Spanglish für gewöhnlich mit dem puerto-ricanischen Journalisten und Schriftsteller Salvador Tío assoziiert, der im Jahr 1948[11] den Artikel „Teoría del Espanglish“ in der Zeitschrift El Diario del Puerto Rico publiziert hat.[12] Mit dieser und weiteren Veröffentlichungen über Spanglish wollte er nicht nur auf die möglichen negativen Auswirkungen des Englischen auf die spanische Sprache in Puerto Rico[13] aufmerksam machen,[14] sondern auch auf einen bevorstehenden Sprachverfall des Spanischen verweisen[15]: „Si en ese estado de postración cayó el español de Curazao y Aruba, también podría ocurrir algo similar en Puerto Rico si no se extrema el rigor para evitarlo. Puede tardar más tiempo […] pero si le ha ocurrido a otras lenguas en todos los continentes no hay razón para creer que no somos indemnes al daño.“[16]
Savador Tíos negative Beurteilung des spanisch-englischen Sprachkontakts in Puerto Rico stimmt mit der ablehnenden Haltung vieler US-amerikanischen Autoren dieser Zeit bezüglich Themen wie Sprachkontakt und Bilingualismus überrein, die in zahlreichen Publikationen bis in die 1970er Jahren nachgewiesen werden konnte. Die weitverbreitete Ansicht, die den Zeitgeist dieser Periode reflektierte, war, dass der Multikulturalismus und der Gebrauch einer Fremdsprache in den englischsprechenden USA als „un-American“ empfunden werden sollte, während der Bilingualismus selbst als „language handicap“[17] denunziert wurde.[18] Viele dieser Veröffentlichungen betrafen auch die Spanisch sprechenden im Südwesten der USA. In diesen Arbeiten, die meistens von Pädagogen und Psychologen geschrieben waren, wurde auf angebliche Lern- und Leistungsdefizite bilingualer Kinder hingewiesen und die Kenntnis des Spanischen im Allgemeinen als eine quasi kognitive Belastung dargestellt. Erst in den 1970er Jahren konnten die negativen Ansichten über Bilingualismus und spanisch-englischen Sprachkontakt[19] mit der ersten soziolinguistischen Forschungsstudie “Bilingualism in the barrio: measurement and description of language dominance in bilinguals”[20] von Joshua Fishman widerlegt werden. Zum ersten Mal wurden die puerto-ricanischen Sprecher in den USA und ihre Zweisprachigkeit positiv in dem Kontext ihrer bilingualen Gemeinschaft dargestellt. In den nächsten Jahren folgten weitere Studien, die zum einen objektiv Themen wie das Spanische in den USA behandelten, aber auch den Anfang der wissenschaftlichen Untersuchung des spanisch-englischen Codeswitching[21] setzten. In Übereinstimmung dessen wurde der Gebrauch von zwei verschiedenen Sprachen in den bilingualen Gemeinschaften als kohärentes System analysiert und nicht mehr als „degenerate practice symptomatic of the undesirability of bilingualism and the confounding effects of language contact“[22] betrachtet.[23]
Die Einführung des Begriffes Spanglish, der offensichtlich als negative Bezeichnung für das Endergebnis eines unerwünschten Sprachkontakts erfunden worden war, geschah somit nicht nur zu einem Zeitpunkt, zu dem eine ablehnende Haltung gegenüber dem Bilingualismus der Immigranten in den USA verbreitet worden war, sondern auch in einem Zeitraum, in dem die Publikation der ersten umfassenden wissenschaftlichen Arbeiten über Sprachkontakt[24] noch bevorstand. Damit sind die 1953 erschienenen Werke Languages in Contact von Uriel Weinreich und die Einar Haugens Studie The Norwegian Languages in America gemeint, die als die Grundlage für die Disziplin der Soziolinguistik angesehen werden.[25]
Des Weiteren ist zu beachten, dass die Wende, die sich in der US-amerikanischen Forschung über spanisch-englischen Sprachkontakt und Bilingualismus in den 1970er Jahren vollzog, nichts an der negativen Konnotation des Begriffes Spanglish geändert hat. Seine Verbreitung in der Literatur blieb zunächts unbemerkt, da er in den wissenschaftlichen Publikationen aus den 1970er und 1980er Jahren kaum Erwähnung findet. In den seltenen Fällen, in denen Spanglish in einer Arbeit aus dieser Periode angeführt worden ist, wurde der Begriff fast ausschließlich im negativen Sinne verwendet. So wird dieser von Genishi als „frequent mixture of both languages that indicates a lack of knowledge of either code“[26] definiert, während Peñalosa mit Empörung auf die im Los Angeles Times publizierte Bezeichnung des Chicano Spanisch als „‘Spanglish’, a contemporary barrio mix of English and Spanish“[27] hinweist. Des Weiteren wurde ebenfalls in einigen Studien aus dieser Zeit dokumentiert, dass Spanglish zusammen mit anderen abwertenden Bezeichnungen wie Tex-Mex, Pocho und Mocho in Bezug auf die gesprochene spanische Varietät des amerikanischen Südwesten von den bilingualen Probanden gebraucht wurde.[28]
Eine Wende von der negativen bis zur positiven Auffassung dieses Begriffes wird vor allem in den letzten fünfzehn Jahren beobachtet. Dies bedeutet allerdings nicht, dass Spanglish seine pejorative Konnotation völlig verloren hat. Ganz im Gegenteil. Mit dem Aufkommen und der Verbreitung vieler positiven Interpretationen darüber fühlen sich heute immer mehr Linguisten, die früher Schweigen über dieses Thema bewahrten, gerade dazu verpflichtet eine ausführliche Stellung zu dem sogenannten Phänomen Spanglish zu nehmen. Während in den akademischen Publikationen von den 1970er bis in den 1990er Jahren dieser Begriff kaum Erwähnung findet, wird in den neueren Werken, die einen umfassenden Überblick über das Spanische in den USA anbieten, mindestens ein Kapitel der Erscheinung Spanglish gewidmet.[29] Der Zweck dieser ausführlichen Darstellungen ist allerdings nicht die offizielle Anerkennung des umstrittenen Phänomens. Vielmehr soll damit den Lesern erklärt werden, warum Bezeichnungen wie Spanglish keinen Platz in der seriösen linguistischen Forschung haben.[30]
Darüber, dass es sich dabei tatsächlich um ein Phänomen handelt, besteht kein Zweifel. Der Ausdruck Spanglish hat es in der Zwischenzeit geschafft überall an Popularität zu gewinnen. Er ist nämlich nicht nur als eine kontroverse Bezeichnung für Sprachkontakterscheinungen innerhalb der Sprachwissenschaft bekannt. Er ist auch in der amerikanischen Presse, im Fernsehen und im Internet verbreitet. Umso erstaunlicher scheint dies zu sein, wenn man bedenkt, dass keiner der oben erwähnten Ausdrücke Tex-Mex, Pocho oder Mocho jemals solche Popularität erreicht hat. Mittlerweile gibt es jedenfalls einige Fernesehprogramme in den USA wie Mun2, (ausgesprochen wie mundos), Tr3s (tres) und Telemundo, die auf junge, bilingualen Hispanoamerikaner gerichtet sind und den Gebrauch von Spanglish ermutigen, indem sie in ihren Unterhaltungssendungen[31] „constantly switch from Spanish to English without blinking an eye“.[32] Des Weiteren existieren Blogs, elektronische Zeitschriften und unzählige Internetpublikationen, in denen man entweder in „Spanglish“ schreiben oder sich über Spanglish äußern kann. Der Begriff hat in der Zwischenzeit auch das soziale Netzwerk Facebook erobert, in dem sich jeder über bilinguale und bikulturelle Kindererziehung in den USA austauschen (SpanglishBaby),[33] oder sich über Kochen, Rezepte und Ernährung beraten kann (Spanglish Cooking).[34] Sogar die unvermuteten Webseiten wie Discovery Channel bieten mittlerweile Informationen über den Urprung von Spanglish an. Man liest mit Erstaunen wie das Letztere in einem autor- und datenlosen Artikel als „fluid language in many ways“[35] beschrieben wird, wobei offensichtlich nur die Ansichten der Befürworter[36] des Phänomen Spanglish berücksichtigt worden sind.
Angesichts der beispiellosen Verbreitung dieses sehr umstrittenen Phänomens Spanglish können die Bemühungen vieler Linguisten um seine Aufklärung in den letzten Jahren nachvollzogen werden. Infolge dessen ist es sinvoll nach einer kurzen Darstellung der Begriffe Sprachkontakt und Bilingualismus einige Definitionsversuche, die die unterschiedlichen Perspektiven der Interpretation des Phänomens reflektieren, zu thematisieren.
In dem bereits erwähnten Werk von Uriel Weinreich Languages in Contact gibt der Autor die ursprüngliche und bis heute gern zitierte psycholinguistische Begriffsbestimmung von Sprachkontakt an, die folgendermaßen definiert wird: „Zwei oder mehrere Sprachen stehen miteinander in Kontakt, wenn sie von ein und demselben Individuum abwechselnd gebraucht werden“.[37] Aus dem Zitat wird jedoch zugleich ersichtlich, dass dieser alternierende Gebrauch zweier Sprachen auf den Bilingualismus dieses Individuums hindeutet.
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