Das Ziel dieser Arbeit ist die Entwicklung einer Methodik zur Spezifikation von CRM-Systemen. Um sich diesem Thema systematisch zu nähern wird zunächst dargestellt, wie Spezifikationen von Informationssystemen im Allgemeinen erstellt werden können. Danach werden die einzelnen Bestandteile einer Methodik vorgestellt und in Zusammenhang gebracht. Zum Abschluss wird dann auf das Konzept der domänenspezifischen Modellierungstechniken eingegangen, welches eine der Grundlagen des weiteren Vorgehens im Rahmen dieser Arbeit darstellt.
Bei einem CRM-System handelt es sich um eine spezielle Form eines IS, also eines Systems, dass dem Zweck der Information und Kommunikation in einem betrieblichen Kontext dient. Ein IS besteht aus den Komponenten betriebliche Aufgabenstellung, Informationstechnik und Mensch.[64] Wie der Name schon ausdrückt, ist die betriebliche Aufgabenstellung eines CRM-Systems die Unterstützung des CRM in einem Unternehmen durch geeignete Technologien. Unter Mensch fallen alle im Rahmen des Beziehungsmarketings beteiligten menschlichen Akteure, also nicht nur Kunde und Mitarbeiter, sondern auch alle weiteren Beteiligten, wie z.B. Partnerunternehmen. Daher handelt es sich um ein überbetriebliches Informationssystem, das branchenunabhängig[65] ist.[66]
Bei der Entwicklung eines solchen komplexen Systems spielen neben den technischen somit auch organisatorische und wirtschaftliche Aspekte eine wichtige Rolle. Da man erkannt hat, dass in der Vergangenheit oft verschiedene dieser Aspekte bei der Entwicklung vernachlässigt wurden, hat sich das Information Systems Engineering herausgebildet, welches den Entwicklungsprozess mit geeigneten Methoden und Konzepten unterstützt. Hierzu gehören eine detaillierte Analyse der betrieblichen Ziele, der fachlichen Anforderungen und der organisatorischen Bedingungen.[67] Modelle spielen dabei eine wesentliche Rolle, vor allem im Rahmen von IS-Architekturen. Mit deren Hilfe wird versucht einen ganzheitlichen, strukturierten Überblick über das System zu erhalten und diesen durch ein Modell darzustellen. Ein Beispiel hierfür ist das Modell der ganzheitlichen IS-Architektur, welches Unternehmensstrategie, Infrastruktur und die Architekturen der Prozesse, Aufbauorganisation, Anwendungen, Daten und Kommunikation
umfasst. Das Gesamtmodell wird dabei als Kreisel dargestellt, um anzudeuten das nur eine Berücksichtigung aller Komponenten ein Gleichgewicht herstellen kann. Allerdings fehlt in diesem Modell eine konkrete Beschreibung der Integration der verschiedenen Komponenten.[68]
Eine Architektur, die gerade diese Integration in den Fokus der Betrachtung stellt ist die „Architektur integrierter IS (ARIS)“. Sie stellt darüber hinaus ein Vorgehensmodell bei der Umsetzung zur Verfügung, da es sich um eine Kombination aus Sichten und Entwicklungsstufen handelt. Zu den vier Sichten Daten, Funktion, Steuerung und Organisation werden jeweils die drei Phasen Fachkonzept, DV-Konzept und Implementierung durchlaufen. Während in der ersten Phase noch komplett von den technischen Restriktionen abstrahiert wird und der Augenmerk ausschließlich auf die fachlichen Anforderungen gelegt wird, geht es in den darauffolgenden Phasen um die technische Realisierung der geforderten Funktionalität.[69] Da diese Architektur anwendungsunabhängig ist, eignet sie sich auch zur Modellierung von CRM-Systemen. Von Bedeutung ist dabei die Geschäftsprozessperspektive, die bei der Entwicklung eines CRM-Systems von großem Nutzen ist, da sich die Prozesse aus der Definition von CRM in Kapitel 2.2 heraus als von besonderer Wichtigkeit darstellen.[70] Daher wird in dieser Arbeit die ARIS-Architektur als methodischer Ordnungsrahmen, also zur Gliederung der Beschreibungssichten, verwendet[71]. Eine Übersicht über diese Architektur mit ihre wechselseitigen Beziehung zu strategischer Geschäftsprozessanalyse und Sollkonzeption bzw. der Informations- und Kommunikationstechnik gibt das folgende Schaubild:
Quelle: Scheer (2002), S. 41.[72]
Abb. 3.1: Die ARIS-Architektur
Bei einem CRM-System handelt es sich, wie im vergangenen Kapitel ersichtlich wurde, um ein betriebswirtschaftlich hochkomplexes System, welches stark in die Organisation und in die Prozessstruktur des Unternehmens eingreift. Die maßgebliche Herausforderung liegt daher in der korrekten Abbildung der fachlichen Anforderungen und somit in der Erstellung eines umfassenden und vollständigen Fachkonzeptes. Die Phase der Entwicklung wird demzufolge den Schwerpunkt der Arbeit darstellen. Aspekte der technischen Umsetzung werden nur dann aufgegriffen, wenn sie sich auf die fachlichen Anforderungen auswirken und deshalb berücksichtigt werden müssen. Zur Spezifikation des Fachkonzeptes wird eine Modellierungsmethode benötigt, die für jede Sicht eine Abbildung der entsprechenden Objekte der reellen Welt in ein Modell ermöglicht. Das nächste Kapitel geht daher darauf ein, wie eine solche Methode aufgebaut ist und welche Komponenten sie enthält.
Im Rahmen dieser Arbeit wird dem konstruktionsorientierten Modellierungsverständnis gefolgt, das von jedem entstehenden Modell verlangt, dass es einem vorher festgelegten Zweck dient. Ein Modellierer versucht also aus subjektiv als relevant empfundenen Teilen der Wirklichkeit ein Modell zu konstruieren. Diese Modellierung geschieht mittels einer Sprache, die ebenfalls wieder durch ein Modell dargestellt werden kann. Ein solches Modell einer Modellierungssprache wird als sprachbasiertes Metamodell des eigentlichen Sachverhalts bezeichnet.[73] Modell und Metamodell verbindet dabei, dass sowohl zur Spezifikation des IS, als auch zur Spezifikation der Sprache „semantisch und syntaktisch korrekte Modelle erstellt werden müssen, die für den verfolgten Zweck eine pragmatische Bedeutung haben“[74] Die Begriffe Syntax, Semantik und Pragmatik sind aus der Wissenschaft Semiotik, die sich mit Zeichen beschäftigt. Die Syntax legt dabei die Zeichen und ihre Beziehung untereinander fest. Dagegen beschäftigt sich die Semantik mit der Beziehung der Zeichen zu den Objekten, die sie beschreiben, also der Bedeutung der einzelnen Zeichen. Die Pragmatik schließlich widmet sich den Beziehungen zwischen den Zeichen und ihren Benutzern; sie ist damit unabhängig von der Darstellung.[75]
Wegen der Parallelen zwischen der Entwicklung eines Modells und eines Metamodells können Ideen des sprachkritischen Ansatzes, einer philosophischen Wissenschaftstheorie, auf die Entwicklung von IS übertragen werden. Vor allem wird der Gedanke der Entwicklung einer methodisch aufgebauten Orthosprache aufgegriffen, die es ermöglicht Sachverhalte vollständig und zirkelfrei darstellen zu können. Dieser Konstruktionsprozess einer Orthosprache entspricht somit vom Grundgedanken der Spezifikation eines IS. Die Orthosprache selbst kommt der Pragmatik und damit dem konzeptionellen Aspekt einer Sprache gleich, indem es die einzelnen Komponenten und deren Beziehungen zueinander beschreibt. Die Darstellung geschieht dagegen über den repräsentationellen Aspekt der Sprache, wobei jede Orthosprache über mehrere Repräsentationsformen, also z.B. grafische oder textuelle Symbole, verfügen kann.[76] Die Repräsentation einer Sprache ist dabei gleichbedeutend mit deren Syntax, während die Verbindung zwischen Repräsentation und konzeptionellem Aspekt über die Semantik erfolgt.[77]
Zur Modellierung sind neben der Sprache auch Handlungsanleitungen nötig, die bestimmen, wie man mittels dieser Sprache Modelle erstellt. Sprache und
Handlungsanleitungen ergeben zusammen eine Technik. Eine Methode zur Modellierung von komplexen Sachverhalten, wie z.B. einem CRM-System, besteht aus mehreren Techniken, z.B. für jede Sicht auf das System. Das folgende Schaubild gibt eine Übersicht über eine solche Methode.
Quelle: Vgl. Holten (2001), S. 7.
Abb. 3.2: Bestandteile einer Methode
Aus der Grafik geht hervor, dass anstatt des Begriffes Orthosprache auch Ontologie verwendet werden kann. Unter einer Ontologie versteht man eine „explizite, formale Spezifizierung einer allgemeinen Konzeptionalisierung einer relevanten Domäne“.[78] Die Ontologie drückt die logische Theorie der beabsichtigen Bedeutung eines formellen Vokabulars aus und ist dabei unabhängig von dessen konkreten Darstellung.[79] „In the simplest case , an ontology describes a hierarchy of concepts related by subsumption relationships.”[80] Wie im nächsten Kapitel deutlich wird, entspricht dies exakt dem konzeptionellen Sprachaspekt.
In der Praxis existieren bereits vielerlei semiformale Sprachen, die zur Modellierung eingesetzt werden können. Exemplarisch seien hier die Unified Modelling Language...