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E-Book

Spielen schafft Nähe - Nähe löst Konflikte

Spielideen für eine gute Bindung

AutorAletha J. Solter
VerlagKösel
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783641154356
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
In jeder Familie tauchen Konflikte auf, bei denen sich die Eltern in der Sackgasse fühlen. Doch Nähe, Lachen und ein gemeinsames Spiel eröffnen neue Lösungen. Wie das geht, zeigt die renommierte Erziehungsexpertin Aletha Solter sehr konkret. Dauerbrennerthemen wie Töpfchentraining, der Gebrauch von Schimpfworten oder Schulangst können so mit Leichtigkeit gemeistert werden.

Dr. Aletha Solter, Mutter von zwei erwachsenen Kindern, ist schweizerisch-amerikanische Entwicklungspsychologin. Nach langjähriger Zusammenarbeit mit Jean Piaget leitet sie heute das von ihr gegründete Aware Parenting Institute in Goleta, Kalifornien, und bietet in mehreren Ländern Workshops für Eltern und ErzieherInnen an.

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Leseprobe

2. Kapitel

Die neun Formen des Bindungsspiels

Es gibt neun grundlegende Bindungsspielformen mit den im ersten Kapitel erwähnten charakteristischen Merkmalen. Die nachfolgenden Aktivitäten werden in den jeweiligen Abschnitten dieses Kapitels im Einzelnen erläutert. In Anhang A finden Sie eine Übersicht über jede Spielform und in Anhang B die entsprechenden Forschungsergebnisse.

Die neun Formen des Bindungsspiels

  • Nicht-direktive, kindzentrierte Spiele
  • Symbolspiele mit problembezogenen Requisiten oder Themen
  • Kontingenzspiele
  • Nonsensspiele
  • Trennungsspiele
  • Machtumkehrspiele
  • Regressionsspiele
  • Aktivitäten mit Körperkontakt
  • Kooperative Spiele und Aktivitäten

Nicht-direktive, kindzentrierte Spiele

Ich saß auf dem Fußboden des Familienspielzimmers und richtete meine ungeteilte Aufmerksamkeit auf den dreijährigen Paul, während seine Eltern uns beobachteten. Er beschloss, mit Bauklötzen zu spielen, und errichtete ein kleines Haus – ohne Toilette, wie er mit Nachdruck erklärte. Dann griff er zu einer männlichen Spielfigur, die das Haus betrat, und erklärte: »Der Mann musste mal, aber es gibt kein Klo, deshalb hat er Pipi in die Hose gemacht!« Er fand das ungeheuer lustig und lachte.

Manche Eltern möchten, dass ich mir ein unmittelbares Bild von ihrem Kind mache, bevor sie mich zu einem Beratungsgespräch ohne ihren Sprössling aufsuchen. In dieser Phase greife ich stets auf nicht-direktive, kindzentrierte Spiele zurück, weil sie die beste Möglichkeit bieten, ein Kind kennenzulernen. Viele Kinder bringen schon innerhalb der ersten zehn Spielminuten Themen zur Sprache, die ihnen Kopfzerbrechen bereiten. Im oben erwähnten Beispiel gelangte ich zu der Schlussfolgerung, dass Paul und seine Eltern Probleme mit dem Sauberkeitstraining hatten. Als ich mich später allein mit den Eltern zusammensetzte, fragte ich nach, und sie bestätigten, dass sich das Sauberkeitstraining in der Tat schwierig gestaltete.

Für nicht-direktive, kindzentrierte Spiele brauchen Sie Requisiten, die Fantasie, Kreativität und die Freude am Gestalten anregen, wie Bauklötze, Puppen, Puppenhaus, Hand- oder Fingerpuppen, Ton (oder Knetmasse), Anziehsachen zum Verkleiden, Material zum Malen und Basteln, kleine Spielfiguren, Stofftiere und Spielautos. Dann lassen Sie Ihr Kind entscheiden, was es damit anfangen möchte.

Empfehlenswert wäre, für jedes Kind einmal in der Woche mindestens eine halbe Stunde für Spiele einzuplanen, die unter seiner Führung ablaufen und auf seine individuellen Wünsche und Bedürfnisse ausgerichtet sind. Das bedeutet, dass Sie eine Betreuung für den Rest Ihrer Kinder organisieren müssen, falls Sie mehrere haben. Täglich fest eingeplante Spielsitzungen wären natürlich besser, sofern Sie die Zeit erübrigen können. Um das Gefühl der Liebe und Wertschätzung zu unterstreichen, das Sie Ihrem Kind entgegenbringen, sollten Sie während der Spielzeit weder telefonieren noch sich anderweitig ablenken lassen. Ihr Kind profitiert in noch stärkerem Maße von Ihrer ungeteilten Aufmerksamkeit, wenn Sie eine Zeitschaltuhr einstellen und darauf hinweisen, dass Sie mit ihm spielen werden, bis sie abgelaufen ist. Das könnte auch für Sie einfacher sein. Viele Eltern stellen fest, dass sie sich besser auf ihr Kind konzentrieren können, wenn sie wissen, dass die Zeitdauer begrenzt ist.

Wenn Sie Ihr Kind zu nicht-direktiven Spielsitzungen ermutigen, sollten Sie nicht überrascht sein, wenn es Familienkonflikte, Erziehungsprobleme oder posttraumatische Erfahrungen in das Spiel einfließen lässt. Ein solches Verhalten ist normal, gesundheitszuträglich und deutet darauf hin, dass es sich in Ihrer Gegenwart sicher genug fühlt, um Sie an seinen Konflikten und Herausforderungen teilhaben zu lassen.

Nicht-direktive, kindzentrierte Spiele helfen Kindern, sich wahrgenommen, sicher und geliebt zu fühlen. Sie sind besonders nutzbringend zur Wiederherstellung der Bindung in Stress- oder Trennungssituationen, bei der Aufarbeitung traumatischer Ereignisse oder generell zur Stärkung der Bindung. Wenn Ihr Kind Erfahrungen mit harschen Erziehungsmaßnahmen oder häuslicher Gewalt machen musste, können die kindzentrierten Spielsitzungen dazu beitragen, dass es wieder ein Gefühl des Vertrauens und der Sicherheit aufbaut.

Symbolspiele mit problembezogenen Requisiten oder Themen

Mit achtzehn Monaten entwickelte mein Sohn Angst vor Hunden, nachdem ein freundlicher, tapsiger Welpe ihn angesprungen hatte. Eines Tages kroch ich aus Spaß auf allen vieren umher und bellte wie ein Hund. Er lachte übermütig, und ich musste die Darbietung mehrmals wiederholen. Wir spielten dieses Spiel einige Tage lang, bis seine Angst vor Hunden nachließ.

Symbolspiele mit problembezogenen Requisiten sind besonders wirksam, um Traumata aufzuarbeiten. Bei diesen Interaktionen übernehmen Sie in stärkerem Maß die Führung, indem Sie bestimmte Spielsachen oder Spielthemen wählen, die in Zusammenhang mit der traumatischen Erfahrung Ihres Kindes stehen. Wenn es beispielsweise von einem Hund gebissen wurde, können Sie einen Stoffhund einbringen oder einen Hund spielen wie oben beschrieben. Sollte in Ihrer Umgebung irgendwann einmal ein Feuer ausgebrochen sein und Ihr Kind seine Angst nicht überwunden haben, könnte ein Spiel mit einem kleinen Feuerwehrauto, einem Spielhaus und kleinen menschlichen Figuren helfen. Im dritten Teil des Buches finden Sie viele Beispiele für therapeutische Symbolspiele mit Kindern.

Symbolspiele haben sich auch bei Verhaltensproblemen bewährt, etwa beim Toilettentraining, bei Geschwisterrivalität, Lügen und mangelnder Kooperation. Durch Rollenspiele, in denen bestimmte Konflikte mit Kuscheltieren und anderen Requisiten dargestellt werden, lässt sich das Verhalten Ihres Kindes positiv beeinflussen. Im zweiten Teil des Buches wird erklärt, wie Sie Symbolspiele einsetzen, um solche spezifischen Erziehungsprobleme in den Griff zu bekommen.

Kontingenzspiele

Ich besuchte meine Enkelin, als sie zwei Jahre alt war. Zuerst gab sie sich mir gegenüber zurückhaltend, da wir uns seit Monaten nicht mehr gesehen hatten. Ich nahm auf dem Fußboden Platz und sah ihr zu, wie sie nicht weit von mir entfernt mit ihren Spielsachen spielte. Als ihr versehentlich eine Puppe herunterfiel, tat ich so, als wäre ich die Puppe, und sagte: »Autsch!« Sie kicherte, hob die Puppe auf und ließ sie absichtlich wieder fallen. Wieder rief ich: »Autsch!«, was ihr offensichtlich Spaß machte. Sie warf die Puppe mindestens zwanzigmal auf den Boden, und jedes Mal, wenn ich »Autsch!« sagte, lachte sie lauthals. Nach diesem Spiel verlor sie ihre Scheu, kam bereitwillig zu mir und setzte sich auf meinen Schoß.

Zu den Kontingenzspielen gehören alle Aktivitäten, bei denen sich das Verhalten des Erwachsenen in Übereinstimmung mit dem Verhalten des Kindes zuverlässig wiederholt. Wie das Beispiel zeigt, bieten sie eine hervorragende Möglichkeit, eine liebevolle Beziehung zu einem Kind aufzubauen.

Ein weitverbreitetes Kontingenzspiel mit jüngeren Kindern ist der Huckepackritt, bei dem Sie sich, den nonverbalen Vorgaben des Kindes folgend, nach rechts beziehungsweise links wenden oder anhalten. Die Richtung zeigt das Kind beispielsweise durch Antippen der entsprechenden Schulter an. Ein weiteres beliebtes Kontingenzspiel ist das Stupsspiel. Wenn das Kind Ihnen einen Stups gegen die rechte Wange versetzt, zeigen Sie eine fröhliche Miene, stupst es gegen die linke Wange, machen Sie ein trauriges oder wütendes Gesicht. Bei einem Stups gegen die Hand flattern Sie wie ein Vogel auf und ab, beim nächsten Stups kommen Ihre imaginären Flügel zum Stillstand. Denken Sie sich weitere Bewegungsmuster aus, die andere Körperteile einbeziehen.

Die meisten Kinder lieben Kontingenzspiele, die unzählige Variationen erlauben. Das Schlüsselelement ist hier die deckungsgleiche Übereinstimmung zwischen dem Verhalten des Kindes und der Reaktion des Erwachsenen. Kontingenzspiele festigen die Bindung, fördern das Vertrauen und ein starkes Machtgefühl, vermitteln Akzeptanz und flößen dem Kind durch ihre Vorhersehbarkeit ein Gefühl der Sicherheit ein. Das Lachen, das sie hervorrufen, trägt zum Abbau der inneren Spannungen bei, die durch Angst, Machtlosigkeit und Kontrollverlust im Zuge früherer traumatischer Erfahrungen entstanden sind.

Diese Aktivitäten wirken dem chronischen Gefühl der Machtlosigkeit entgegen, das alle Kinder bisweilen überkommt, weil sie Erwachsenen körperlich und geistig unterlegen sind. Kindern überlässt man normalerweise keine wichtigen Entscheidungen, beispielsweise über den Wohnort der Familie, die Schule, die sie besuchen, oder darüber, wer die Betreuung übernimmt. Eltern obliegt die Aufgabe, das Leben ihrer Kinder weitgehend zu steuern. Wenn die Erwachsenen machtbasierte Erziehungsmaßnahmen anwenden (wovon ich dringend abrate), fühlen sich Kinder in noch stärkerem Maß ausgeliefert, manipuliert und kontrolliert. Während des Kontingenzspiels können sie zeitweilig das Gefühl genießen, dass sie bestimmen, wo’s langgeht. Danach stellen die Eltern oft fest, dass ihre Kinder bereitwilliger unerlässliche Grenzen akzeptieren und ihren Anforderungen entsprechen.

Zu den Kontingenzspielen zählen auch die Imitationsspiele. Sie können damit beginnen, sobald das Kind die ersten Laute von sich gibt (vom Weinen abgesehen). Es wird vermutlich begeistert sein, wenn Sie sein Quietschen oder Gurren nachahmen. Imitationsspiele fördern die Entwicklung der Empathie. Wenn Sie die Lautäußerungen und Bewegungen Ihres...

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