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Spielen und Konflikte ums Spielen in den Zürcher Richtbüchern zwischen 1446 und 1475

AutorPhilipp Caretta
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl153 Seiten
ISBN9783640199822
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis35,99 EUR
Lizentiatsarbeit aus dem Jahr 2001 im Fachbereich Kulturwissenschaften - Europa, Note: 5 (von 6), Universität Zürich (Philosophische Fakultät I ), 100 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: In dieser Lizentiatsarbeit sollen das Spielen und Konflikte ums Spielen in den Zürcher Richtbüchern von 1446 bis 1475 untersucht werden. Hier scheint mir zuerst einmal eine Definition von Spielkonflikt notwendig. Darunter verstehe ich einen Rechtsfall, zu dem sämtliche Klagen, Gegen- und Nebenklagen sowie Nachgänge gezählt werden, die alle auf die gleiche Streitursache innerhalb einer Spielsituation zurückzuführen sind. Das gilt auch, wenn sich Nichtspieler einschalteten, indem sie zum Beispiel in ein Spiel dreinredeten oder zwischen zwei Parteien schlichten wollten, wodurch erst der eigentliche Rechtsstreit entstand. Natürlich gibt es auch Konflikte, die sich lediglich aus einer Klage oder - wenn eine obrigkeitliche Spielverordnung missachtet wurde - aus einem Nachgang ergaben. Vereinzelt sind in den Zürcher Rechtsfällen auch nur fragmentarische Zeugenaussagen aufgezeichnet. Sofern diese ebenfalls auf einen Streit zwischen Personen oder auf einen Konflikt mit der Obrigkeit hinweisen, werden sie ebenfalls als Spielkonflikt eingestuft. Die zeitliche Eingrenzung ergibt sich daraus, dass zu dem Zeitpunkt, als ich mit dieser Arbeit begann, die Jahrgänge 1450 bis 1470 der Zürcher Steuer- und Richtbücher sowie Eingewinnerverzeichnisse im Rahmen des Nationalfondprojektes von Herrn Professor Gilomen Soziale Beziehungen im Alltag einer spätmittelalterlichen Stadt - Zürich im 15. Jahrhundert bereits transkribiert und in Form einer Projektdatenbank zur prosopographischen Recherche im Internet aufgeschaltet worden waren. Zwar waren die Jahre 1471-1475 noch nicht in die Datenbank integriert, aber schon transkribiert worden; speziell den Richtbüchern der Jahre 1446-1449 habe ich mich selber angenommen, was schliesslich den oben gewählten Zeitrahmen erklärt.

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Leseprobe

A.Einleitung

 

1. Einführung

 

In der Kulturgeschichte hat das Spiel – genauer gesagt: das Regelspiel – seit Jahrtausenden seinen Platz. Die frühesten Zeugnisse dafür begegnen uns als Würfelspiel bereits im alten Indien sowie im alten Ägypten.[1] Darüber hinaus kommt das Würfeln – welche Zahl gerade fällt – einem Losentscheid gleich, was vor Augen führt, dass sich Menschen keineswegs nur vom Verstand, sondern auch vom Zufall leiten lassen – eine Erscheinung, die sich heute noch, zum Beispiel beim Münzen-Werfen oder Strohhalm-Ziehen, beobachten lässt. Nicht umsonst hat der Historiker Johan Huizinga im Titel seines Buches über den spielenden Menschen den vom Verstand geleiteten Homo sapiens durch den Homo ludens ersetzt.[2]

 

Im Laufe der Zeit entwickelten sich jedoch auch solche Spiele, wo der Erfolg vom Intellekt bestimmt wird. Prominentestes Beispiel ist das Schachspiel, das im frühen Mittelalter seinen Weg aus Asien nach Europa gefunden hat.[3] Natürlich waren aber auch jene Spiele wie etwa Trictrac – heute als Backgammon geläufig – sehr beliebt, bei welchen beide Komponenten – Glück und Verstand – nötig waren. Besonders die Forschungen über das Mittelalter haben eine rege Spieltätigkeit unter den Menschen in allen Schichten und Ständen nachgewiesen.[4] Spiele, insbesondere Glücksspiele, wo es oft um Geld ging, unterlagen auch unter den Zeitgenossen häufig einer kritischen Bewertung. Viele Prediger bedienten sich ihrer als Beispiele für die Einflüsse des Bösen, da sie oft in Handgreiflichkeiten ausarteten, die Mord und Totschlag zur Folge haben konnten.[5] Deswegen war Glücksspiel auch Obrigkeiten ein Dorn im Auge, aber auch deshalb, weil sie zuweilen Familien vor dem Ruin bewahren mussten, deren Vater das gesamte Hab und Gut verspielt hatte.[6] Übrigens weist die grosse Anzahl an Verordnungen und Verboten zum Spiel[7], die überliefert sind, darauf hin, dass die Menschen damals einen beträchtlichen Teil ihrer freien Zeit mit Spielen zubrachten.

 

2. Themaeingrenzung und Fragestellung

 

In dieser Lizentiatsarbeit sollen das Spielen und Konflikte ums Spielen in den Zürcher Richtbüchern von 1446 bis 1475 untersucht werden. Hier scheint mir zuerst einmal eine Definition von Spielkonflikt notwendig. Darunter verstehe ich einen Rechtsfall, zu dem sämtliche Klagen, Gegen- und Nebenklagen sowie Nachgänge gezählt werden, die alle auf die gleiche Streitursache innerhalb einer Spielsituation zurückzuführen sind. Das gilt auch, wenn sich Nichtspieler einschalteten, indem sie zum Beispiel in ein Spiel dreinredeten oder zwischen zwei Parteien schlichten wollten, wodurch erst der eigentliche Rechtsstreit entstand. Natürlich gibt es auch Konflikte, die sich lediglich aus einer Klage oder – wenn eine obrigkeitliche Spielverordnung missachtet wurde – aus einem Nachgang ergaben. Vereinzelt sind in den Zürcher Rechtsfällen auch nur fragmentarische Zeugenaussagen aufgezeichnet. Sofern diese ebenfalls auf einen Streit zwischen Personen oder auf einen Konflikt mit der Obrigkeit hinweisen, werden sie ebenfalls als Spielkonflikt eingestuft.

 

Die zeitliche Eingrenzung ergibt sich daraus, dass zu dem Zeitpunkt, als ich mit dieser Arbeit begann, die Jahrgänge 1450 bis 1470 der Zürcher Steuer- und Richtbücher sowie Eingewinnerverzeichnisse im Rahmen des Nationalfondprojektes von Herrn Professor Gilomen Soziale Beziehungen im Alltag einer spätmittelalterlichen Stadt – Zürich im 15. Jahrhundert bereits transkribiert und in Form einer Projektdatenbank zur prosopographischen Recherche im Internet aufgeschaltet worden waren.[8] Zwar waren die Jahre 1471-1475 noch nicht in die Datenbank integriert, aber schon transkribiert worden; speziell den Richtbüchern der Jahre 1446-1449 habe ich mich selber angenommen, was schliesslich den oben gewählten Zeitrahmen erklärt.

 

Bereits oben sind einige Probleme, die im Spätmittelalter im Zusammenhang mit Spielen entstanden sind, angedeutet worden. Im ersten Teil dieser Arbeit werden die Verordnungen sowie Verbote erläutert und besprochen, welche die Zürcher Obrigkeit zum Spiel erlassen hat. Hier interessiert vor allem die Frage, welche Absichten diese Regelungen verfolgten, und: ob diese eher soziale oder moralische Zielsetzungen enthalten. Weiter soll aufgezeigt werden, welche Spiele erlaubt und welche verboten waren sowie wo man dieser Beschäftigung nachgehen durfte. Ein zentrales Anliegen dieser Arbeit ist, welche Spiele überhaupt damals in Zürich bekannt waren bzw. gespielt wurden, wobei ich – aufgrund der breiten Palette – nur auf jene eingehe, die in den Zürcher Richtbüchern zwischen 1446 und 1475 belegt sind – Spiele also, die im Zusammenhang mit einem Delikt erwähnt werden. Gerade zum Beispiel Kinderspiele, welche Glaser anhand eines Textes aus dem 16. Jahrhundert für Zürich belegt hat[9], werden hier nicht behandelt. Das Tanzen, was in Wörterbüchern zum Mittelhochdeutschen oft unter spil aufgeführt wird, findet hier ebenfalls keine Berücksichtigung.

 

Neben der Frage, wo das Spielen in Zürich erlaubt war, interessiert natürlich auch, wo sich die Menschen jeweils dazu tatsächlich eingefunden haben. Dass Spiel in Zürich im ausgehenden Mittelalter hier nicht als Ganzes dargestellt werden kann, hängt damit zusammen, dass auch Spielkonflikte, die in den Zürcher Richtbüchern vorkommen, untersucht werden. Diese doppelte Fragestellung – Spiele und daraus sich ergebende Konflikte – machte im Rahmen dieser Lizentiatsarbeit die Untersuchung eines grösseren Zeitraums unmöglich.

 

Mehrere Fragen müssen gestellt werden. Erstens einmal, wer gespielt hat – also welche Schichten und Stände unter den Spielern vertreten waren. Ausserdem frage ich nach der Zusammensetzung der Spielrunden – also wer mit wem gespielt hat. Blieben soziale Gruppen unter sich, oder findet man gemischte mit Personen aus verschiedenen Schichten oder Ständen vor? Hier sei ein Ergebnis vorweg-genommen. In den 30 Jahren der Untersuchungsperiode dieser Arbeit erscheint keine einzige Frau als Spielerin. Deshalb ist im Rahmen dieser Arbeit nur von männlichen Spielern die Rede.

 

Weiter will ich herausfinden, was zu den Streitigkeiten führte bzw. welche Ursachen sich als Konfliktstoffe festmachen lassen und wie die Konflikte verliefen bzw. unter den Parteien ausgetragen wurden. Dabei interessiert natürlich auch die Rolle des Zürcher Ratsgerichts. Neben der Handhabung der Klageverfahren soll auch gezeigt werden, wie die Obrigkeit reagierte, wenn ein Offizialdelikt vorlag, bei dem eine Spielregelung verletzt worden war. Aus sozialgeschichtlicher Sicht ist die Frage danach, warum gespielt wurde, wohl die wichtigste. Hatte das Spiel eine soziale Funktion, oder war es lediglich eine Freizeitbeschäftigung? Auch diese Frage versuche ich zu beantworten.

 

3. Quellen – methodische Erläuterungen – Aufbau

 

Die Zürcher Richtbücher, welche die Grundlage dieser Arbeit bilden, liegen im Staatsarchiv Zürich als serielle Quellen im Original vor, wobei sie für das 14. und 15. Jahrhundert fast vollständig erhalten sind.[10] Neben den für diese Arbeit hauptsächlich herangezogenen Klagen und Nachgängen finden sich in den Gerichtsbüchern mit den Ratslisten, in welchen zu Beginn der jeweils halbjährlichen Amtsperioden der Räte dieselben sowie weitere Amtsinhaber eingetragen wurden, und den Geständnissen noch weitere Quellentypen.

 

Die Klagen, Nachgänge und Geständnisse stellen also schriftliche Zeugnisse der Rechtsfälle dar, mit denen sich das Zürcher Ratsgericht auseinandersetzen musste. Dieses diente der Sicherung des Stadtfriedens, war für alle strafbaren Handlungen zuständig und hatte seit Anfang des 15. Jahrhunderts auch die Blutgerichtsbarkeit – die hohe Gerichtsbarkeit – inne, weshalb man seit 1400 in den Richtbüchern auch Todesurteile vorfindet.[11] In Zürich gab es noch weitere Gerichte. Die Deliktstrukturen der Rechtsfälle dieser Gerichte können jedoch nicht mehr ermittelt werden, was bedeutet, dass die Richtbücher nicht die Gesamtdelinquenz Zürichs wiedergeben.[12] Das Zürcher Ratsgericht setzte sich aus den 24 Mitgliedern des kleinen Rates zusammen, der zur einen Hälfte aus den patrizischen Consules, zur anderen aus den zünftischen Scabini bestand.[13]

 

Bei den Nachgängen handelt es sich um Strafuntersuchungen, die von der Obrigkeit eingeleitet wurden, wenn ein Offizialdelikt vorlag. Diese sind jeweils kurz gehalten, so dass man aus ihnen zwar meistens Auskunft über den Spielort erhält, nicht immer jedoch über die Spieler. Über sie erfährt man meist mehr aus den dazu gehörigen Zeugenaussagen. Als äusserst wertvolle Quellen erweisen sich die Klagen, im Rahmen welcher man oft sehr detaillierte Einblicke gewinnt – und zwar, weil die Kläger, wenn sie zu ihrem Recht kommen wollten, das Ratsgericht von der Schuld des Beklagten überzeugen mussten. So wird man im Idealfall darüber unterrichtet, wer gespielt hatte, wo und was gespielt worden war, was der Anlass des Streites gewesen war und wie sich dieser bis...

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