Fußball ist männlich. Männer spielen Fußball, Männer schauen Fußball, Männer sprechen über Fußball. Seit jeher scheint Männlichkeit der Inbegriff der weltweit beliebten Ballsportart zu sein (Körner, 2014, S. 138) Fußball ist ein Spektakel, das für Männer und durch Männer ausgerichtet wird (Kreisky, 2006, S. 21).
Jedoch ist es nicht nur die physische Dominanz der Männer innerhalb des sozialen Feldes der beliebten Sportart, die Fußball zu einer männlich konnotierten Aktivität macht. Vielmehr sind es die Bedeutungen, die dem Spiel mit dem Ball auf bewusste und unbewusste Weise in den modernen Gesellschaften zugeordnet werden. So wird aufgrund des Alltagswissens der involvierten Subjekte Fußball zu einer Sportart gemacht, welche die traditionellen männlichen Eigenschaften in sich vereint und daher die Männlichkeit ihrer Teilnehmer für alle Beobachter deutlich zu unterstreichen vermag. Im Angesicht der fortschreitenden Emanzipation der Frauen und der Verschiebung der traditionellen Geschlechterverhältnisse in der Moderne scheinen ausschließlich männlich konnotierte Strukturen in diesem Kontext eine Art Rückzugsort der Männer darzustellen, in dem sie sich ihrer Männlichkeit versichern können (Körner, 2014, S. 138).
Die Inszenierung des Fußballrituals erweist sich bislang als spezielle Wirkkraft zur Konservierung von Männlichkeit. Fußball erweist sich auch als höchst ausdrucksstarkes „Realitätsmodell“, als Abbild gesellschaftlicher Verhältnisse, sowie politischer Brüche und Transformationen (Kreisky, 2006, S. 24). Klaus Theweleit meint daher, dass, „wer mitbekommt, was sich im Fußball wann und wie verschiebt, … über andere Gesellschaftsbereiche osmotisch informiert [ist]“ (Theweleit, 2004, 116).
Der moderne Fußball hat eine ausschließlich männlich konnotierte Struktur, innerhalb welcher sich die traditionelle hegemoniale Männlichkeit vor Modernisierung der Geschlechterverhältnisse zu schützen versucht. Diese Struktur soll in den folgenden Kapiteln aufgezeigt werden.
Hinsichtlich der Betrachtung des Fußballs als Reproduktionsort von hegemonialer Männlichkeit ist festzuhalten, dass der Entwicklung des Fußballs als rein männlich konnotierte Aktivität keine natürlichen Begebenheiten, wie etwa die Beschaffenheit der Körper der Individuen zu Grunde liegen. Auch hier kann von einem konstruktivistischen Prinzip ausgegangen werden (Bromberger, 2006, S. 41).
Eine historische Betrachtung des Fußballs hilft, die enge Bindung zwischen Fußball und Männlichkeit aufzuzeigen. Spiele sind rituelle Darstellungen dominanter Werte und in ihrer ritualisierten Präsentationsformen werden soziale Strukturen und politische Weltdeutungen abgebildet und bekräftigt. Fußball entstand in China im dritten Jahrtausend als Militärsport, ehe es nach England kam und an Popularität erlangte. Dort hat es als stundenlanges, kaum geregeltes Volksspiel zwischen Dörfern, an denen hunderte Akteure, Männer und Frauen wie Kindern teilnahmen, stattgefunden. Es gab keine Trennung zwischen Zuschauer/-innen und Spieler/-innen, keine Teams und keine Regeln. Entscheidend war nur die Spieltauglichkeit, Ausdauer und Kraft. Das Spiel war fußballähnlich, auch wenn es nicht nur mit dem Fuß gespielt wurde, körperbetonter, wilder und gewalttätiger war. Fußballspiele waren aber keine beliebige Rauferei, vielmehr erwiesen sie sich als eine Form institutionalisierter Gewalt, die gesellschaftliche Spannungen milderte. Es stellte trotz seiner Informalisierung und Regellosigkeit eine kontrollierte Form der Konfliktbewältigung dar. Traditionen und Bräuche bekamen in mittelalterlichen Gesellschaften ähnliche Funktionen wie unsere Gesellschaft heute. Im Verlauf der industriellen Revolution wurde das Fußballspiel nur noch in den exklusiven privaten Public Schools betrieben, in denen es auch eine Regulierung und Formung erhalten hat. Die Geschichte des modernen Fußballs setzte sich 1863 mit der Gründung der Football Association in England fort (Kreisky, 2006, S. 24ff).
Die allgemeine alltagswissenschaftliche Überzeugung, Fußball sei seit jeher ein reiner Männersport und spiegelt daher die Eigenschaften traditioneller Männlichkeit wieder, ist demnach falsch. Durch das Aufzeigen der historischen Entstehung des Fußballs wird deutlich, dass diese Annahme nicht zutrifft und der Verinnerlichung der vergeschlechtlichten Strukturen in der sozialen Ordnung zugeschrieben werden kann (Müller, 2009, S. 25). Der Ausschluss der Frauen aus dem Fußball und die Ausschreibung des Ballspiels als männliche Sportart stellt eine Entwicklung dar, die sich erst im 20. Jahrhundert etablieren konnte (Müller, 2007, S. 115).
Mädchen und Frauen wurden mit der zunehmenden Bedeutung der Geschlechterordnung in den gesellschaftlichen Sphären der Moderne immer stärker auf ihre häuslichen und familiären Pflichten verwiesen und damit einhergehend aus den entstehenden Fußballklubs ausgeschlossen (Müller, 2009, S. 70ff). Nachdem Fußball während und nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Schwinden der fußballspielenden jungen Männer in Europa bei den Frauen erneut große Beliebtheit fand, wurde Frauenfußball von den Repräsentanten der Männerfußballklubs als lächerlich und unästhetisch dargestellt, um die Gleichsetzung von Männlichkeit und Fußball sicherstellen zu können. Dies geschah dadurch, dass die weibliche Gebärfunktion in den Vordergrund gestellt wurde, da diese „natürlich“ nicht mit den Risiken des Fußballspiels zu vereinbaren waren (Müller, 2007, S. 126). Zu diesem Zeitpunkt und in diesem Zusammenhang wurde Fußball zu einem grundlegenden Aspekt der traditionellen Männlichkeit, der die männlichen Werte und Eigenschaften widerspiegeln sollte.
Der Frauenfußball wurde durch zahlreiche Regelabänderungen, wie beispielsweise die Verkürzung der Spielzeit auf zweimal 30 Minuten und das Verbot der Nutzung von regulären Bällen – sie mussten mit Jugendbällen spielen – geprägt. Somit wurde erreicht, dass Frauenfußball sich nicht mehr mit dem Fußballspiel der Männer vergleichen ließ. Über den Lauf der Jahre wurden viele dieser Änderungen wieder zurückgenommen, jedoch bleibt die Ansicht bestehen, dass es sich um verschieden zu betrachtende Sportarten handelt. So wird dem Frauenfußball beispielsweise die für Männer „typische“ und bei ihnen anerkennungswürdige Aggressivität und Kampfsimulation genommen, indem die weibliche Brust symbolisch aufgeladen wird und durch besondere Regelungen geschützt wird. So dürfen Frauen in vielen Verbänden ihre Hände zum Schutz der Brust benutzen. Da die Verwendung der Hand im Fußball tabuisiert ist, wird ein sportlich attraktiver Spielverlauf im Frauenfußball teilweise durch solche Regelungen behindert (Müller, 2007, S. 132).
Der geschichtliche Verlauf zeigt, dass es gesellschaftliche Diskurse und nicht natürliche Begebenheiten waren, die Fußball zu einer männlichen Domäne und einem Ort der hegemonialen Männlichkeit gemacht haben.
Mit Connells Theorie der hegemonialen Männlichkeit und Bourdieus Metapher der „ernsten Spiele“ des Wettbewerbs lässt sich die Verbindung zwischen dem Phänomen Fußball und traditionellen Männlichkeitsvorstellungen aus geschlechtssoziologischer Perspektive erläutern.
Die Anerkennung der legitimen Teilhabe an hegemonialer Männlichkeit, kann nur in „Kämpfen um die männliche Ehre“ erlangt werden. Die Beteiligung weiblicher Subjekte ist dabei von vornherein ausgeschlossen (Meuser, 2001, S. 2). Allein die Teilnahme an einem Duell um Männlichkeit stellt so schon einen gewissen Grad an Anerkennung der Männlichkeit des Gegners dar (Meuser, 2007, S. 16).
Innerhalb der „ernsten Spiele“ werden die dominanten Werte von Männlichkeit reproduziert und deren normativer Charakter verstärkt. Die kompetitive Struktur in männlich konnotierten Feldern kann daher als Reproduktion hegemonialer Männlichkeit angesehen werden (Kreisky, 2006,24). In modernen Gesellschaften werden beispielsweise das Militär, die Ökonomie und Leistungssportarten als „ernste Spiele des Wettbewerbs“ um die Anerkennung der Männlichkeit und somit legitime Teilhabe an den Vorteilen der androzentrischen Geschlechterordnung gesehen (Claus, 2010, S. 197). Das Phänomen Fußball stellt dabei ein besonders imposantes Beispiel der ernsten Spiele dar, welches womöglich eines der letzten Felder ist, in dem traditionelle hegemoniale Männlichkeit hergestellt und reproduziert werden muss, wenn der Mann hier erfolgreich bestehen will.
„Begreifen wir endlich, daß der emotionale Kult der Tradition nur eine Form unserer geistigen Faulheit ist.“ (Brzozowski, 2016)
Die Exklusion aller weiblichen Elemente aus dem Männerfußball stellt einen Schutzmechanismus der hegemonialen Männlichkeit dar (Körner, 2014, S. 145).
Dass man Fußballwettkämpfe extra als Männerfußball ausweist kommt nicht vor. Männerfußball ist eben einfach...