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E-Book

Sport und Politik - Die Geschichte des FC Schalke 04 im 'Dritten Reich'

AutorMarie Kuster
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl133 Seiten
ISBN9783656090403
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Geschichte Europa - Deutschland - Nationalsozialismus, II. Weltkrieg, Note: 1,5, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (Politikwissenschaftliches Institut), Veranstaltung: Examensarbeit, Sprache: Deutsch, Abstract: Ende des 19. Jahrhunderts kam der Fußball aus England nach Deutschland. Die Fußballbewegung war nicht explizit politisch und stand in Konkurrenz zu den politischen Turnern. Durch die 'Aufgeschlossenheit' der Fußballer gegenüber neuen Medien - wie z. B. Radio und Zeitungen - wurde Fußball in den 20er Jahren zu einer modernen Massenbewegung. In den 30er Jahren florierte der Fußballsport vor allem in den faschistischen Regimen, die viel Geld in die neue Massenkultur investierten, denn mit Hilfe von Masseninszenierungen der Sportereignisse konnten die Gegensätze von 'Sieg' und 'Niederlage', 'Triumph' und 'Katastrophe' und von 'Freund' und 'Feind' für die Zuschauer emotional und kollektiv erfahrbar gemacht werden. Das NS-Regime instrumentalisierte den Fußball für seine Zwecke und band die Akteure (Vereine, Verbände und Sportler) in die eigene menschenverachtende Politik ein. Das ist in der Forschung unstrittig, aber zum Instrumentalisieren gehört eben auch, 'das Instrumentalisieren lassen' und zum Einbinden 'das Einbinden lassen'. Das führte zu der Frage, warum sich Sportverbände, -vereine und Sportler vom NS-Regime instrumentalisieren und einbinden ließen. Haben Akteure des Sports vom Natinalsozialismus profitiert? In der Forschung ist man mittlerweile noch einen Schritt weiter: Sporthistoriker diskutieren darüber, ob und vor allem warum Akteure des Sports die NS-Politik für die eigenen Zwecke instrumentalisierten. Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag zur Beantwortung dieser Fragen leisten.

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Leseprobe

1 Einleitung


 

Sportveranstaltungen wie Olympische Spiele und Fußballweltmeisterschaften beeinflussen das Nationalgefühl. Regierungen nutzen sportliche Großereignisse, um den Standort oder den eigenen Standpunkt zu präsentieren[1]. Sport und Politik sind eng miteinander verbunden.[2]

 

So lassen sich die Aussagen zusammenfassen, die sich heute in fast allen wissenschaftlichen Publikationen zum Zusammenhang zwischen den Gesellschaftsfeldern Sport und Politik finden lassen. Viele Sportverbände, Sportvereine und Sportler haben hingegen lange Zeit das genaue Gegenteil behauptet: Sport galt als unpolitisch, als etwas sehr Individuelles, das jeder Einzelne nur um seiner selbst willen betreibe. Anlässlich der olympischen Spiele in Peking wurde erneut über mögliche Wirkungszusammenhänge zwischen Politik und Sport diskutiert: Die chinesische Regierung hatte Anfang 2008 Proteste in Tibet brutal niedergeschlagen, daraufhin wurde in der bundesdeutschen Öffentlichkeit über einen Boykott der Spiele nachgedacht. Viele Sportler sprachen sich gegen einen Boykott aus, so z. B. die Judokämpferin Annett Böhm: „Nein, ich trenne Sport und Politik. Was in Tibet geschieht, finde ich sehr traurig, aber meinen Startplatz gebe ich nicht her“[3].

 

Dass Sport eine staatliche und gesellschaftliche Angelegenheit ist, wird hingegen bei der einfachen Betrachtung folgender Zahlen klar: Am 1. Januar 2009 betrug die Zahl der registrierten Mitglieder des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) 6.684.462 Menschen, die in 25.726 Vereinen aktiv waren. Jede Woche nehmen 178.396 Mannschaften am DFB-Spielbetrieb teil. Die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland erzielte einen Ertrag von rund 135 Millionen Euro, davon erhielt der Bund 57,3 Millionen Steuereinnahmen und der DFB 28,25 Millionen Euro. Ein Wachstumseffekt von 0,3 % des Bruttoinlandsprodukts und 50.000 temporäre Arbeitsplätze wurden dem Mega-Event angerechnet. 1,5 Milliarden Menschen sahen allein das Finale am 9. Juli 2006:[4] „Fußballspiele sind nicht von Politik und nationaler Identität zu trennen.“[5]

 

In den Sportbereich wirken also Ökonomie, Politik und die Gesellschaft hinein, und das nicht erst seit der Gegenwart. Schon im 19. Jahrhundert wollte z. B. der Erfinder der neuzeitlichen olympischen Spiele von 1896, Baron Pierre de Coubertin, u. a. junge Franzosen mit Hilfe des Sports wehrertüchtigen. Er machte den fehlenden Wettkampfgeist der Franzosen für die Niederlage gegen die Deutschen im Jahr 1870/71 verantwortlich.[6] Zuvor war in Deutschland die nationale und politische Turnbewegung Friedrich Ludwig Jahns aktiv am Deutsch-Französischen Krieg und am Prozess der Nationenbildung Deutschlands beteiligt gewesen.

 

Ende des 19. Jahrhunderts kam der Fußball aus England nach Deutschland. Die Fußballbewegung war nicht explizit politisch und stand in Konkurrenz zu den politischen Turnern. Durch die „Aufgeschlossenheit“ der Fußballer gegenüber neuen Medien – wie z. B. Radio und Zeitungen – wurde Fußball in den 20-er Jahren zu einer modernen Massenbewegung. In den 30-er Jahren florierte der Fußballsport vor allem in den faschistischen Regimen, die viel Geld in die neue Massenkultur investierten,[7] denn mit Hilfe von Masseninszenierungen der Sportereignisse konnten die Gegensätze von „Sieg“ und „Niederlage“, „Triumph“ und „Katastrophe“ und von „Freund“ und „Feind“ für die Zuschauer emotional und kollektiv erfahrbar gemacht werden. Das NS-Regime instrumentalisierte den Fußball für seine Zwecke und band die Akteure (Vereine, Verbände und Sportler) in die eigene menschenverachtende Politik ein.[8] Das ist in der Forschung unstrittig, aber zum Instrumentalisieren gehört eben auch, „das Instrumentalisieren lassen“ und zum Einbinden „das Einbinden lassen“.[9]

 

Das führte zu der Frage, warum sich Sportverbände, -vereine und Sportler vom NS-Regime instrumentalisieren und einbinden ließen. Haben Akteure des Sports vom Nationalsozialismus profitiert? In der Forschung ist man mittlerweile noch einen Schritt weiter: Sporthistoriker diskutieren darüber, ob und vor allem warum Akteure des Sports die NS-Politik für die eigenen Zwecke instrumentalisierten. Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag zur Beantwortung dieser Fragen leisten.

 

Anhand der Geschichte des Fußball-Clubs Schalke 04 im „Dritten Reich“ sollen die Wirkungszusammenhänge und die Verflechtungen von Sport und Politik untersucht werden. Der Verein versäumte sehr lange – wie übrigens fast alle anderen Fußballvereine und

-verbände auch –, die Aufarbeitung der eigenen Geschichte, z. T. auch, weil der Fußball lange Zeit nicht als lokale, regionale und nationale Sozialgeschichte wahrgenommen wurde. Im Gegenteil, Publikationen, die die Vereinsgeschichten behandelten, wiederholten nur Mythen und Legenden, ohne sie einer wissenschaftlichen Verifizierung zu unterziehen. Nun erfreut sich gerade der FC Schalke 04 auch wegen diverser Legenden und Mythen einer großen Beliebtheit: Den Verein umgibt die Aura eines Revierfußball-Arbeitervereins, die er auf vielfältige Weise vermarktet.[10] „Auf Schalke“ ist man stolz auf die Herkunft aus dem Bergarbeitermilieu des Ruhrgebiets. Bereits in den frühen Zwanziger Jahren begann der Verein deshalb, seine Spieler ‘Knappen’ zu nennen.[11]

 

Diese Aura sorgt für die ungebrochene Popularität des FC Schalke 04, denn die beachtlichen sportlichen Erfolge liegen lange zurück. In den Jahren zwischen 1933 und 1945 wurde der FC Schalke 04 sechsmal Deutscher Fußballmeister. Bisher gelang ihm das zum letzten Mal 1958. Durch diese sportlichen Erfolge während der Zeit des Nationalsozialismus ist dem FC Schalke 04 oft eine besondere Nähe zum Nationalsozialismus unterstellt worden.

 

Dies führt zu den forschungsleitenden Fragen dieser Arbeit: Hat der FC Schalke 04 von den Nationalsozialisten profitiert? Hat das NS-Regime den Verein gefördert? Wurden Spiele manipuliert? Wie hängt die Geschichte des FC Schalke 04 mit der Geschichte des Ruhrgebiets zusammen? Stammt der FC Schalke 04 überhaupt aus dem Arbeitermilieu des Ruhrgebiets? Wenn der FC Schalke 04 ein Arbeiterverein war, wieso war er Mitglied im DFB und nicht Teil der Arbeiterkulturbewegung? Sind Ruhrgebietsvereine populärer als andere Vereine gewesen? Warum wurde der „Arbeiterverein“ FC Schalke 04 zu einem Hauptbestandteil der nationalsozialistischen Sportpropaganda? Wie konnten es sich Arbeiter leisten, Fußball zu spielen, wenn es doch in Deutschland ein Berufsspielerverbot gab?

 

1.1 Literaturlage


 

Die Suche nach Quellen, die diese Fragen beantworten könnten, gestaltete sich im Fall des FC Schalke 04 sehr schwierig, denn erstens wurde im Herbst 1944 das Vereinsarchiv bei einem Bombenangriff komplett zerstört, und zweitens können die diversen Vereins-Publikationen (z. B. Chroniken, Jubiläumsschriften und Bücher von Fans) nur bedingt für eine wissenschaftliche Arbeit herangezogen werden, denn diese Publikationen sind teilweise essayistischer Natur oder vermitteln, zumindest bis in die 1990-er Jahre, den Eindruck, dass Fußball ein unpolitischer Bereich des Lebens sei, indem z. B. die Darstellung der Geschichte des Vereins zwischen 1933–1945 auf sportliche Ereignisse beschränkt wird. Teilweise wurde der Nationalsozialismus überhaupt nicht erwähnt[12] oder kaum berücksichtigt. So heißt es z. B. in einer Vereinsschrift des FC Schalke 04 aus dem Jahre 1987 über den Zweiten Weltkrieg: „Dann kam der Krieg und alles wurde anders. Allerdings kaum im Sport, kaum in seinen Vereinen, kaum in der Fußballmeisterschaft.“[13]

 

Viele Vereine und Verbände veröffentlichten anlässlich ihrer 100-jährigen Jubiläen ausführliche Studien über die eigene Geschichte während des „Dritten Reichs“. Auch die Chroniken und Jubiläumsschriften widmen sich heutzutage den Rahmenbedingungen des Sports – auch der Jahre zwischen 1933–1945. Leider ist das vielfach nur dem Druck der Öffentlichkeit zu verdanken gewesen: So wollte die Geschäftsführung des Vereins FC Schalke 04 2001 anlässlich der Errichtung des neuen Stadions „Arena auf Schalke“ (heute Veltins-Arena), einen Weg nach einem sehr berühmten Spieler des Vereins, Fritz Szepan, benennen. Von diesem Vorschlag musste man schließlich Abstand nehmen, als Vorwürfe gegen Szepan erhoben wurden, dass er und seine Familie von der Politik der Enteignung jüdischen Eigentums der Nationalsozialisten profitiert hatten. Eine bundesweite öffentliche Diskussion folgte, die der FC Schalke 04 hätte vermeiden können, wenn es keine 59 Jahre gebraucht hätte, die eigene Vergangenheit aufzuarbeiten. In Folge weiterer Enthüllungen über die Verstrickung Szepans– aber auch anderer Schalker Spieler – in den Nationalsozialismus beauftragte Schalke 2003 als erster Verein der Bundesliga unabhängige Wissenschaftler – des Gelsenkirchener Instituts für Stadtgeschichte – mit der Erstellung einer Studie, die die Geschichte des Vereins während des Nationalsozialismus aufarbeiten sollte. Die Studie „Zwischen Blau und Weiß liegt Grau. Der FC Schalke 04 im Nationalsozialismus“ von Stefan Goch und Norbert Silberbach bildet auch das Gerüst meiner Arbeit. Natürlich werden auch viele andere Quellen...

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