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E-Book

Sportlehrerprofessionalität. Merkmale und Kompetenzentwicklung

AutorErika Wießner
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl69 Seiten
ISBN9783668112766
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2015 im Fachbereich Didaktik - Sport, Sportpädagogik, Note: 1,7, Ruhr-Universität Bochum (Fakultät für Sportwissenschaft), Sprache: Deutsch, Abstract: Politische, ökonomische und damit einhergehend auch soziale Veränderungen in der Bundesrepublik Deutschland in den vergangenen zwei Jahrzehnten stellten auch das Bildungssystem dieses Landes vor neue Herausforderungen, die nach adäquaten Lösungen verlangten. Vor allem die im Gegensatz zum wachsenden Bedarf der Wirtschaft nach höher qualifizierten Schulabgängern stehenden ernüchternden unterdurchschnittlichen Ergebnissen deutscher Schüler bei nationalen und internationalen Leistungsvergleichsstudien (PISA, TIMMS, IGLU, etc.), die immer häufiger zu beobachtenden auf Bewegungsmangel zurückzuführenden gesundheitlichen Defizite der Heranwachsenden, die oft kritisierte, unzureichende Ausbildung von Lehrern und ihre wohl altersbedingte Fort- und Weiterbildungsmüdigkeit (vgl. DVLfB, 2003) ließen auch für das Fach Sport eine neue Lernplangeneration entstehen, die sich durch eine gestiegene 'Orientierung am Output' (Schumacher, 2011, S. 1) sowie eine pädagogische Akzentuierung der Inhalte des Sportunterrichts charakterisiert. Mit der Implementation dieser neuen kompetenzorientierten Lehrpläne und Richtlinien im Fach Sport ab 1999 sind die Erwartungen an das Fach und somit auch an die Professionalität von Sportlehrern durch die Zuschreibung eines erweiterten beruflichen Anforderungsprofils und Kompetenzbeherrschungsspektrums enorm gestiegen. Die neuen Kerncurricula und deren gegenwärtige staatliche Vorgaben bedeuten einen erheblichen Mehraufwand für Sportlehrkräfte, weil weder konkrete Hinweise zur inhaltlichen Gestaltung des Unterrichtvorhabens noch unterstützende Unterrichts- und Weiterbildungsmaterialien vorliegen (vgl. ebd.). Einerseits ist der Sportunterricht durch diese erste 'Reformwelle' (ebd., S. 3) mit der pädagogischen Akzentuierung aufgewertet worden. Andererseits hat hierdurch jedoch eine 'inhaltliche Verwässerung' (ebd.) des Schulsports stattgefunden, die die praktische Umsetzung der Lehrpläne erschwert. Zur Verwirklichung des überfachlichen Erziehungs- und Bildungsauftrags soll der Schulsport einen noch stärkeren Beitrag leisten und die fachpädagogische Arbeit und Bildung von Sportlehrern verstärkt an vorgegebenen Standards und Kompetenzbereichen ausrichten (vgl. KMK, 2004). Diese gestiegenen Qualitätsansprüche an die pädagogische Arbeit der Sportlehrer erfordern vielfach neue und damit auch neu zu erwerbende Kompetenzen (vgl. auch Geist, 2011), wodurch sich die Analyse, Diagnostik und Bewertung professioneller [...]

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Leseprobe

3 Legitimation und Auftrag des Schulsports


 

Jedes Schulfach bedarf der Rechtfertigung, wenn es in der Schule unterrichtet werden soll. So musste und muss sich auch das Fach Sport immer wieder neu legitimieren. Ein Blick in die Historie zeigt, dass das Fach Sport stets unter Legitimationszwang gestanden hat, man jedoch versuchte die Eigenständigkeit des Faches in den Vordergrund zu stellen. Zunächst soll der Begriff Legitimation nach Scherler (1994, S. 5) definiert werden: “‚Legitimieren‘ heißt Handlungen, Entscheidungen oder Forderungen zu begründen, zu rechtfertigen, als rechtmäßig auszuweisen“.

 

Im Memorandum zum Schulsport des DOSB (2009) wird der Schulsport durch drei Argumente legitimiert. Die Argumente der Legitimation werden dabei in Innerschulische und Außerschulische Begründungen unterteilt, wobei letztere wiederum in Innersportliche und Außersportliche Begründungen unterschieden werden. Auch Balz (2000) und Scherler (1994) teilen ihre Argumente zur Legitimation des Schulsports in diese vier Bereiche ein (vgl. Abb. 1). Beachtet werden muss dabei, dass keine dieser Begründungen alleine gültig sein kann, sondern nur in Zusammenhang mit den anderen Begründungen Gültigkeit erhält.

 

 

Abb. 1: Begründung zur Legitimation des Schulsports (aus Balz, 2000, S. 39)

 

Die Innerschulische Begründung signalisiert, dass der Schulsport als einziges Schulfach für leibliche Bildung und für angemessene Bewegung in der Institution Schule sorgt, dass er außerdem das Lieblingsschulfach von Schülern ist, durch Bewegung, Spiel und Sport schulisches Lernen unterstützt und eine wertvolle Bereicherung des Schullebens leistet (vgl. DOSB, 2009). Der Schulsport ist das einzige Schulfach, das einen Ausgleich zum reinen Sitzen, Zuhören, Lernen und Schreiben schafft und sowohl Körper als auch Geist trainieren kann (vgl. Balz, 1992). Scherler (1994, S. 6) beschreibt die Innerschulische Begründung mit den Stichworten: „Ganzheitlichkeit statt Kopflosigkeit, Bewegung statt Bewegungslosigkeit, Spaß statt Ernst“. Die Kultusministerkonferenz (2004) weist ebenso auf diese Aspekte hin. Die pädagogische Bedeutsamkeit des Sports in der Schule wird zunächst in und durch Bewegung erreicht. Dennoch darf die pädagogische Wirkung von Schulsport nicht nur auf die körperliche und motorische Ebene der Entwicklung von Schülern beschränkt werden. Die pädagogische Bedeutsamkeit des Sports besteht vielmehr in dem Ansatzpunkt ganzheitlicher Bildung und Erziehung. Denn Bewegung, Spiel und Sport fördere stets auch Emotionen, Motive, soziale Bezüge, Lernprozesse und Wertvorstellungen. Durch diese spezifischen Aufgaben und Möglichkeiten können durch den Sportunterricht wichtige überfachliche Erziehungsaufgaben der Schule geleistet werden. Diese sind z.B. Erziehungsaufgaben zur Gesundheitsförderung, zum sozialen Lernen, zur Erziehung zur Leistungsbereitschaft und zur Werteerziehung. Darüber hinaus bietet sich durch Kooperation mit anderen Fächern die Möglichkeit des fächerübergreifenden und fächerverbindenden Lernens (vgl. KMK, 2004).

 

Innersportliche Begründungen verweisen darauf, dass sich im Sportunterricht eine vielschichtige Bewegungskultur erschließt und Fähigkeiten und Fertigkeiten vermittelt werden, die zur lebenslangen Teilhabe an Sport- und Bewegungsaktivitäten beitragen. Weiterhin lassen sich im Sportunterricht das Fundament bewegungsspezifischer Könnensleistung und der Zugang zu sportbezogenen Motiven und Interessen legen (vgl. DOSB, 2009). Die hohe Verantwortung und Bedeutung des Schulsports sowohl für das einzelne Individuum als auch die ganze Gesellschaft wird in der zentralen Aufgabe gesehen, Kinder und Jugendliche anzuregen und zu befähigen, „bis ins hohe Alter ihre körperliche und geistige Leistungsfähigkeit und ihre Gesundheit durch regelmäßiges Sporttreiben zu erhalten“ (KMK, 2004, S.3). Auch die im Lehrplan Nordrhein- Westfalens verankerten Richtlinien geben an, dass der Sport im Leben der Schüler einen andauernden und regelmäßigen Stellenwert einnehmen soll (vgl. MSWWF NRW, 1999). Im außersportlichen Bereich wird deutlich, dass der Schulsport Prozesse einer bewegungsdialogischen Selbsterfahrung und ganzheitlichen Entwicklungsförderung anregt. Schulsport fördert den Erwerb von Schlüsselqualifikationen wie Teamfähigkeit und die Möglichkeit der Identitätsbildung. Auch Klafki (2001) weist deutlich daraufhin, dass der Sport einen wichtigen Beitrag zu überfachlichen Schlüsselqualifikationen leiste, die zu einem selbstbestimmten und selbstverantwortlichen Handeln befähigen. Die Schüler sollen Sachkompetenz erlangen, indem sie zur mündigen, kompetenten, selbstbestimmten und solidarischen Teilhabe an der sportiven Kultur befähigt werden (vgl. Döhring & Gissel, 2014). Somit wird keinem anderen Schulfach als dem Sportunterricht eine auf den jeweiligen Entwicklungsstand angepasste Förderung von sozialen, emotionalen und kognitiven Handlungskompetenzen übertragen (vgl. DOSB, 2008). Sport leistet einen wichtigen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung und Werteerziehung. Zu nennen sind hier Anstrengungs- und Leistungsbereitschaft, Empathie- und Kooperationsfähigkeit, Fairness, Teamgeist, Rücksichtnahme und Integration von Schwächeren, Kontinuität und Durchhaltevermögen, Gewinnen- und Verlierenkönnen (vgl. ebd.). Diese Merkmale weisen dem Schulsport eine Hauptverantwortung für körperliche, sozial-emotionale und kognitive Bildungsprozesse zu (vgl. ebd.).

 

Der Schulsport bildet insgesamt also einen großen Teil des schulischen Bildungs- und Erziehungsauftrags. Zu diesem Bildungs- und Erziehungsauftrag gehört es, dass die Institution Schule ihrer Verantwortung für Bewegungs-, Spiel- und Sporterziehung der Schüler nachkommt (vgl. KMK, 2004). Im Strategiepapier Perspektiven des Schulsports vor dem Hintergrund der allgemeinen Schulentwicklung der Kultusministerkonferenz aus dem Jahre 2004 wird die erheblich gestiegene pädagogische Profilierung des Schulsports und eine gestiegene Orientierung am Output deutlich. Wesentliches Kennzeichen der aktuellen Lehrpläne ist insbesondere die Verknüpfung von Bewegungsfeldern, fachpädagogischen Zielsetzungen und fachübergreifenden erzieherischen Aufgaben. Durch diese Verknüpfung soll das Fach Sport mit seinen spezifischen Aufgaben, Inhalten und Organisationsformen noch stärker zur Verwirklichung des überfachlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule beitragen. Hierbei wird zunehmend mehr Wert auf die Erweiterung und Öffnung des Inhaltsspektrums gelegt, wodurch den einzelnen Schulen größere Gestaltungsspielräume gelegt werden, um auch schulischen, lokalen und regionalen Bedingungen gerechter zu werden (vgl. ebd.). Der Kernlehrplan für das Fach Sport basiert auf der Grundlage eines Erziehenden Sportunterrichts. Die Idee des Erziehenden Sportunterrichts entwickelte Balz in einem Zeitschriftenartikel aus dem Jahr 1992 (vgl. auch Döhring & Gissel, 2014). Dessen grundlegendes Unterrichtsprinzip obliegt in der Umsetzung von Mehrperspektivität und Handlungsfähigkeit (vgl. Baur, 1997; Schumacher, 2011). Die Handlungsfähigkeit besteht darin, dass die Schüler nicht nur Sportarten kennen lernen, sondern sich mit diesen auch kritisch auseinander setzen (vgl. Baur, 1997). Sie sollen die Ambivalenz des Sports verstehen und lernen, richtig mit ihr umzugehen. Zu dieser Ambivalenz gehört, dass der Sport einerseits gesundheitsfördernd und andererseits gesundheitsschädigend sein kann; er das Gemeinschaftsgefühl fördern, aber auch zu Rücksichtslosigkeit beitragen kann; die Identität der Schüler positiv beeinflussen, aber auch nachhaltig schädigen kann (vgl. Beckers, 2000; Kurz, 2000). Die Mehrperspektivität soll der Sinnfindung sportlichen Handelns dienen und eine eindimensionale Sichtweise des Sports verhindern (vgl. MSWWF NRW, 1999). Umgesetzt wird dies, indem die im Lehrplan verankerten Bewegungsfelder bzw. Sportbereiche (vgl. Abb. 2) durch sog. Inhaltsfelder akzentuiert werden. In der Akzentuierung dieser Inhaltsfelder bestehen auch der Auftrag und die Möglichkeit des Sportlehrers, die Schüler über die Vielfalt der historisch gewachsenen sportiven Kultur aufzuklären (vgl. Döhring & Gissel, 2014). Die Inhaltsfelder spiegeln den pädagogisch wertvollen Gehalt sportlicher Aktivität wider und zeigen, dass kein anderes Fach als der Schulsport die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in bestimmten Bereichen besser fördern kann (vgl. MSWWF NRW, 1999). Mit diesem Unterrichtsvorhaben sollen außerdem sinnvolle Beziehungen zwischen Schülern und dem jeweiligen Gegenstand gestiftet werden (vgl. DOSB, 2009). Die einzelnen Bewegungsfelder und Sportbereiche bestehen aus:

 

 Den Körper wahrnehmen und Bewegungsfähigkeiten ausprägen,

 

 Das Spielen entdecken und Spielräume nutzen,

 

 Laufen, Springen, Werfen - Leichtathletik,

 

 Bewegen im Wasser- Schwimmen,

 

 Bewegen an Geräten- Turnen,

 

 Gestalten, Tanzen, Darstellen – Gymnastik/Tanz, Bewegungskünste,

 

 Spielen in und mit Regelstrukturen – Sportspiele,

 

 Gleiten, Fahren, Rollen – Rollsport / Bootssport /...

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