Bilingualismus setzt sich aus den Begriffen bi (zwei) und lingua (Sprache) zusammen und bedeutet Zweisprachigkeit (vgl. Günther/Günther 2004: 36). Baker unterscheidet hierbei zwischen dem individuellen und dem sozialen Bilingualismus. Ersteres betrifft die Zweisprachigkeit einer einzelnen Person, wobei Letzteres sich auf die Zweisprachigkeit einer ganzen Gesellschaft bezieht, wie z.B. der Katalanen in Spanien (vgl. Baker 1993: 4-5). Personen dieser Gruppe sprechen neben ihrer Landessprache Spanisch ebenfalls die regionale Minderheitensprache Katalanisch (vgl. Kutzner 2003: 4-5). Eine objektive Begriffsbestimmung für Bilingualismus kann jedoch nicht vorgenommen werden, da Wissenschaftler verschiedener Disziplinen, wie der Soziologie, Psychologie, Linguistik, Anthropologie sowie Erziehungswissenschaften diesem Begriff unterschiedliche Kriterien und Theorien zugrunde legen. Demnach differieren die Interpretationen von Bilingualismus je nach Forscher, wodurch auch die Definitionen voneinander abweichen (vgl. Hoffmann 1998: 17). Die Frage, in welchem Maße eine Person zwei Sprachen beherrschen muss, um als bilingual bezeichnet werden zu können, ist stark umstritten und reicht von minimalen bis zu maximalen Ansätzen (vgl. Baker 1993: 7-8). Von einer minimalen Annahme geht Macnamara aus, indem er eine Person bereits als bilingual bezeichnet, wenn sie eine der vier Grundfähigkeiten (Sprechen, Hören, Lesen oder Schreiben) einer zweiten Sprache aufweisen kann (vgl. Macnamara 1969: 82). Im Gegensatz dazu verfolgt Bloomfield den maximalen Ansatz (vgl. Bloomfield 1984: 56). Er definiert Bilingualismus als „native-like control of two languages“ (Bloomfield 1984: 56), demnach die Beherrschung zweier Sprachen auf muttersprachlichem Niveau. Bloomfields Definition gleicht den Kriterien, die an balanced bilingualism (balancierter Bilingualismus) gestellt werden. Laut Baker wird eine Person als balanced bilingual bezeichnet, wenn ihre Sprachkompetenzen in beiden Sprachen nahezu gleich gut ausgeprägt sind, so dass ein Individuum in beiden Sprachen fließend kommunizieren kann (vgl. Baker 1993: 8). Dem gegenüber betonen Kielhöfer und Jonekeit, dass eine nahezu gleich stark ausgeprägte Sprachfähigkeit in allen Bereichen der beiden Sprachen eine Rarität darstellt. Meistens wird eine Sprache weitaus besser beherrscht als die andere. Sie wird in diesem Fall als starke oder dominante Sprache bezeichnet und die andere als schwache Sprache (vgl. Kielhöfer/ Jonekeit 1995: 11-12).
Zusammenfassend kann man sagen, dass eine allgemeingültige Definition für Bilingualismus aufgrund der vielen unterschiedlichen Ansprüche, welche von den Forschern verschiedener Disziplinen an den Begriff gestellt werden, unmöglich erscheint und sich nur unter Berücksichtigung von den bereits erwähnten Unterscheidungen näher erläutern lässt (vgl. Baker 1993: 15). An dieser Stelle sollte Mackeys Stellungnahme in Betracht gezogen werden: Bilingualismus lässt sich nur willkürlich bestimmen und muss als etwas vollkommen Relatives betrachtet werden (vgl. Lambeck 1984: 26). Allen Definitionsansätzen gemein ist jedoch, dass es sich um die teilweise bis hohe Beherrschung der verschiedenen Aspekte zweier Sprachen, welche sich auf das Sprechen, Lesen, Verstehen und Schreiben beziehen, handelt.
Die Sprachen, die ein Individuum beherrscht, lassen sich laut Kühl unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachten. Dabei besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen der Erstsprache, der dominanten Sprache und der bevorzugten Sprache. Die Erstsprache ist die Sprache, die chronologisch als primäre Sprache erworben wird (vgl. Kühl 2008: 66-69). Demnach ist die Zweitsprache diejenige, welche nach der Erstsprache erlernt wird (vgl. Günther/Günther 2004: 33). Wie bereits erwähnt, besteht gewöhnlich ein Ungleichgewicht zwischen den Kompetenzen im Bereich des Lesens, Schreibens, Verstehens und Sprechens in beiden Sprachen: Eine davon wird meistens besser beherrscht als die andere und wird demzufolge als dominante Sprache bezeichnet. Die andere ist dann die schwache Sprache (vgl. Kielhöfer/Jonekeit 1995: 11-12). Der Grad der Sprachbeherrschung und damit die Bestimmung der dominanten Sprache, können mithilfe von Sprachtests und Sprachbeobachtungen gemessen werden (vgl. Kühl 2008: 68). Normalerweise bevorzugt der Bilinguale seine dominante Sprache bei freier Sprachwahl und nutzt sie häufiger. Je nach Kontext kann diese zwischen verschiedenen Lebensbereichen variieren und ist somit thema-, umgebungs- und erlebnisgebunden (vgl. Kielhöfer/ Jonekeit 1995: 12).
Darüber hinaus besitzt der Bilinguale eine bevorzugte Sprache. Diese muss nicht zwingend die Erstsprache oder die dominante Sprache sein (vgl. Kühl 2008: 68). Die persönliche Vorliebe für eine Sprache ist je nach Kontext verschieden und hängt von mehreren Faktoren ab, wie beispielsweise dem Gesprächspartner, der Situation oder dem Thema (vgl. Fishman 2007: 56-58). Ein Sprecher kann durch seine Sprachwahl vermitteln, welcher sozialen Gruppe er sich zugehörig fühlt, über welches Selbstbild er verfügt oder welche soziale Rolle er im Augenblick der Konversation einnehmen will (vgl. Kühl 2008: 68).
Weiterhin lässt sich Zweisprachigkeit in Bezug auf einen wichtigen Aspekt betrachten: Das Alter, ab dem ein Individuum eine weitere Sprache erwirbt (vgl. McLaughlin 1984: 72-73). Auf dieses Thema soll im nächsten Kapitel näher eingegangen werden.
Wird ein Kind seit seiner Geburt oder bis zu seinem dritten Lebensjahr mit einer zweiten Sprache konfrontiert, so spricht man vom gleichzeitigen Erwerb zweier Sprachen. Lernt ein Kind nach seinem dritten Lebensjahr eine fremde Sprache, so handelt es sich um den nachzeitigen oder sukzessiven Erwerb einer Sprache. Hierbei muss jedoch betont werden, dass die Altersgrenze arbiträr gesetzt wurde (vgl. McLaughlin 1984: 72-73). Laut Meisel lässt sich der nachzeitige Erwerb zweier Sprachen in child second language acquisition und adult second language acquisition unterteilen. Ersteres betrifft den nachzeitigen Erwerb einer weiteren Sprache im Alter von fünf bis zehn Jahren, letzteres den nachzeitigen Erwerb ab einem Alter von zehn Jahren (vgl. Meisel 2007: 104-105). Diese Unterteilung des nachzeitigen Zweitspracherwerbs lässt sich mit Apeltauers Bezeichnung der frühen nachzeitigen und der späten nachzeitigen Aneignung gleichsetzen (vgl. Apeltauer 1997: 12-13).
Die wesentlichen Unterschiede zwischen dem gleichzeitigen sowie dem früh und spät sukzessiven Erwerb zweier Sprachen sollen im Folgenden verdeutlicht werden:
Beim gleichzeitigen Zweitspracherwerb ist die Entwicklung beider Sprachen mit dem Erstspracherwerb bei einsprachigen Kindern vergleichbar. Daher kann der gleichzeitige Zweitspracherwerb als Erwerb multipler Erstsprachen angesehen werden. Die Entwicklung der Sprachen ist sowohl bei monolingualen als auch bei bilingualen Kindern nahezu identisch und kann zu gleichen endgültig erworbenen Sprachkompetenzen in beiden Sprachen führen. Kinder, die gleichzeitig zwei Sprachen erwerben, besitzen die Fähigkeit die morphosyntaktischen Systeme beider Sprachen
auseinanderzuhalten. Ebenfalls besteht die Vermutung, dass auf phonologischer Ebene eine Differenzierung beider Sprachen ohne Schwierigkeiten vollzogen werden kann (vgl. Meisel 2007: 95-100).
In Bezug auf den nachzeitigen Erwerb wird, wie bereits erwähnt, zwischen dem früh und spät sukzessiven Spracherwerb unterschieden. Meisel sowie Auer und Wei betonen, dass sich der frühe und späte Zweitspracherwerb stark vom gleichzeitigen Erwerb zweier Sprachen unterscheidet. Ältere Lerner stützen sich mehr auf ihre kognitiven Fähigkeiten sowie auf die Kenntnisse ihrer Erstsprache (vgl. Meisel 2007: 106-107; Auer/Wei 2007: 24). Fest steht, dass je später ein Individuum eine weitere Sprache erwirbt, desto mehr richtet er sich nach den bestehenden Strukturen der Erstsprache und versucht die Zweitsprache in diese aufzunehmen (vgl. Apeltauer 1997: 68). Weiterhin geht Meisel davon aus, dass nur selten eine muttersprachliche Kompetenz in der Zweitsprache erworben wird, wenn diese nachzeitig gelernt wird (vgl. Meisel 2007: 107).
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der gleichzeitige Zweitspracherwerb vergleichbar mit dem Erstspracherwerb ist und in beiden Sprachen gleiche Sprachkompetenzen erworben werden können. Der wesentliche Unterschied zwischen dem gleichzeitigen und nachzeitigen Erwerb ist, dass beim Letzteren die Kenntnisse der Erstsprache sowie die kognitiven Fähigkeiten den Zweitspracherwerb beeinflussen.
McLaughlin und Grosjean weisen darauf hin, dass der gleichzeitige Zweitspracherwerb dennoch nicht darüber entscheidet, ob ein Individuum letztendlich bilingual wird oder nicht. Eine Person, die mit zwei Sprachen aufwächst, kann im Laufe ihres Lebens den Kontakt zu einer der beiden Sprachen verlieren. Der Grad des Bilingualismus hängt somit nicht unbedingt vom Alter ab, sondern vielmehr von psychosozialen Faktoren, wie beispielsweise...