1. Lerntheoretische Hintergründe
Der Begriff ››Theorie‹‹ setzt eine größere Erklärungskraft voraus; eine Theorie besteht aus mehreren miteinander verbundenen Hypothesen, die einen komplexeren Gegenstandsbereich erhellen. Der Versuch, fremdsprachliche Lernprozesse zu erhellen, verlangt eine Theorie des Fremdsprachenlernens; der Versuch, fremdsprachliche Lehrprozesse zu verbessern und impliziert, dass man eine Theorie der Fremdsprachenvermittlung aufstellen will (vgl. Edmondson 2006: 29).
Der Begriff ››Lernen‹‹ wird in der Umgangssprache häufig mit der Schule verbunden, in der Pädagogik und der Psychologie wird der Begriff Lernen jedoch sehr viel weiter gefasst. Lernen definieren Folgendermaßen:
Lernen bezieht sich auf die Veränderung im Verhalten oder im Verhaltenspotential eines
Organismus hinsichtlich einer bestimmten Situation, die auf wiederholte Erfahrungen des
Organismus in dieser Situation zurückgeht, vorausgesetzt, dass diese Verhaltensänderung
nicht auf angeborene Reaktionstendenzen, Reifung, oder vorübergehende Zustände (wie
etwa Müdigkeit, Trunkenheit, Triebzustände, usw.) zurückgeführt werden kann (Bower und
Hilgard 1983: 31).
Unter Lernen verstehen wir alle nicht direkt zu beobachtenden Vorgänge in einem Organis-
mus, vor allem in seinem zentralen Nervensystem (Gehirn), die durch Erfahrung (aber nicht
durch Reifung, Ermüdung, Drogen o.ä.) bedingt sind und eine relativ dauerhafte Verände-
rung bzw. Erweiterung des Verhaltensrepertoires zur Folge haben.
(Krüger& Helsper 2002: 97)
Unter Lernen verstehen wir den Erwerb, die Veränderung oder den Abbau von Erlebens-
und Verhaltensweisen durch bestimmte Umwelterfahrungen (Schmitt 1999a :1).
Einige Definitionen des Lernens umgehen die mit der Leistung verbundenen Probleme,
indem sie das Lernen als eine Veränderung im Zentralnervensystem begreifen (Hilgard
& Bower 1973: 19). Offenbar lernen wir einige Fertigkeiten blind und automatisch,
während wir um das Verständnis mancher Situation hart ringen müssen, um sie dann
schließlich meistern zu können (ebd. 22).
Lernen ist also eine Verhaltensänderung, die durch Erfahrung mit einer bestimmten Situation entsteht. Es handelt sich somit um einen Prozess, bei dem sich die Handlungen, das Denken und Empfinden des Lernenden verändern und ein verändertes Verhalten nach sich ziehen. Vom Lernen abzugerenzen sind Verhaltensänderungen, die aufgrund anderer Ursachen (z.B. angeborene Reaktionstendenzen, Reifung, Drogeneinfluss, Müdigkeit) entstehen. Die Defini-tion verdeutlicht, dass Lernen nicht nur bewusst, z.B. in der Schule, passiert, sondern häufig unbewusst, z.B. der Spracherwerb oder das Laufen lernen bei Kindern. Außerdem zeigt diese Definition, dass der Mensch in der Lage ist lebenslang zu lernen, auch wenn der Schwerpunkt der Lernleistung in der frühen Kindheit und Jugend liegt (Reuter 2005: 3).
Der Versuch, die Kenntnisse über Lernen, d.h. über Lernbedingungen und Lernergebnisse sowie deren Zusammenhänge zu systematisieren, führte zu ››Lerntheorien‹‹. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der eigentliche Prozess des Lernens nicht sichtbar ist Verhaltenänderung den Lernerfolg gegebenenfalls anzeigt. In einer Ausarbeitung über die Entwicklung von ››Lerntheorien‹‹ erscheint es mir aus Gründen der Verständlichkeit und der besseren Einordnung sinnvoll den Begriff Theorie etwas näher zu betrachten. Im Rahmen der diesem Literaturbericht zu grundliegenden Fachbücher gibt Lefrancis als einziger zu Beginn seiner Ausführungen eine solche Betrachtung bzw. Erläuterung.
Er weist darauf hin, dass der Begriff Theorie sehr vielseitig verwendet wird, und schlägt eine ››griffige‹‹ Definition von Theorie vor. Er formuliert:
„Eine Theorie kann als Ansammlung miteinander in Beziehung stehender Aussagen bezeich-
net werden, dere n wichtigste Funktion es ist, Beobachtung (von denen angenommen wird,
sie seien Tatsachen) zusammenzufassen und zu erklären (Lefrancis 1994: 4). Lerntheorien
(oder Verhaltenstheorien) sind Versuche, die Kenntnisse über das Lernen zu systematisieren
und zusammenzufassen. (ebd. 8)“ (Maschack 2004: 2).
Die von der Psychologie entwickelten Theorien zur systematischen Erklärung von nicht
Beobachtbaen Lernprozessen werden Lerntheorien, oftmals auch Verhaltenstheorien ge-
nannt (Hobmair 1996: 135).
Bezogen auf die Psychologie bedeutet dies, dass eine Theorie über das menschliche Lernverhalten in der Lage sein soll, Aussagen darüber zu machen, unter welchen Bedingungen optimales Lernen stattfindet und unter welchen nicht. Abschließend weist er darauf hin, dass einzelne Theorien, obwohl sie stark voneinander differieren können, nicht zwangsläufig falsch sein müssen. Sie unterscheiden sich eher in ihrer Brauchbarkeit im verschiedenen Erklärungssituationen.
Zur Beurteilung von Theorien nennt Lefrancis 5 Kriterien nach R.M. Thomas:
1. Eine Theorie sollte sich, insbesondere im Bereich der Psychologie auf Beobachtungen
beschränken.
2. Eine Theorie, die gut sein will, sollte übersichtlich und allgemein verständlich sein.
3. Auf ihrer Grundlage sollten verwendbare Erklärungen und Vorhersagen möglich sein.
4. Eine Theorie muss in sich konsistent, also frei von inneren Widersprüchen sein.
5. Die Anzahl der zugrundeliegenden Postulate sollte überschaubar sein (vgl. Maschack
2004: 2f.).
Drei einflussreichenden Lerntheorien, die nähmlich der behavioristischen, kognitivistischen und konstruktivistischen, werden in den drei folgenden drei Abschnitten erläutert.
1.1.1. behavioristische Lerntheorie
Der Begriff ››Behaviorismus‹‹ (Lernen durch Verstärkung) leitet sich ab von dem englischen Wort ››Behavior‹‹, welches mit dem deutschen Nomen das ››Verhalten‹‹ zu übersetzen ist. Somit ist der Behaviorismus eine Theorie der Wissenschaft, die sich mit dem Verhalten des Menschen auseinandersetzt beziehungsweise dieses untersucht (Reuter 2005: 4).
Der Behaviorismus entwickelte sich zu Anfang des 20. Jahrhunderts. Behavioristen interes-sierten sich nur für das beobachtbare Verhalten des Menschen. Alles was sich innerhalb des menschlichen Organismus abspielt, z.B. Denkprozesse, war ihrer Meinung nach einer wissenschaftlichen Untersuchung nicht zugänglich. Der Mensch wird daher als Black-Box angesehen. Grundannahme ist hierbei, dass auf den Menschen Reize einwirken. Das Verhalten ist als Reaktion auf diese Reize zu verstehen (Rosemann & Bielski 2001: 19).
Abb. 1: Black Box Modell des Behaviorismus
Quelle: www.lernpsychologie.net
1.1.1.1. Lehrermethode und Rolle der Lehrende
In der behavioristischen Lerntheorie kommt dem Lehrer im Unterricht eine zentrale Rolle zu und zwar er lässt die richtigen Reize auf den Lerner einwirken, sodass der Letztere die erwünschte Reaktion zeigt. Der Lehrer vermittelt...