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E-Book

Sprich deutsch!

AutorEduard Engel
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl277 Seiten
ISBN9783849611590
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Bereits 1917 erschienen gehört dieses Buch nach wie vor zu den sprachwissenschaftlichen Referenzen. Ausführlich beschreibt Engel den Zustand der deutschen Sprache und hält eine flammende Rede, warum die deutsche Sprache gut ist und weniger Fremdwörter bedarf.

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Leseprobe

 

Abermals im Matin: ›Die Deutschen sind mächtig genug, uns den Krieg zu erklären und ihn zu führen; sie sind nicht mächtig genug, sich des Französischsprechens zu enthalten, wenn sie sich verständlich ausdrücken wollen. Wenn die Deutschen von Wissenschaft und Kunst sprechen wollen, müssen sie sich bettelnd an die Franzosen wenden‹. Dies stimmt nicht ganz, denn mit dem Französischen allein, selbst mit Zuhilfenahme des Berlinfranzösischen, kommt der schreibende Welscher bei weitem nicht aus; für den unermeßlichen Reichtum seines Geistes, für das farbige Feuerwerk, die Kalospinthechromokrene seiner Nüankßen muß das ganze Latein, samt Mönchs- und Küchenlatein, dazu mehr als die Hälfte aller griechischen Wurzeln heran. Doch auch das Englische ist ihm unentbehrlich geworden, und in Notfällen verschmäht er nicht verquatschtes Italienisch und nur ihm spanisch vorkommendes Spanisch. – Im Gaulois: ›Mag das Deutsche immerhin mehr Wörter besitzen als das Französische, so ist sein Reichtum nur bettelhaft, da es bei der ärmeren Sprache Anleihen macht.‹ Es nicht, sondern Er, nämlich der Welscher, der Verächter der deutschen Sprache. Das ist nicht ganz dasselbe.

 

Wir wollen nicht lange darüber streiten, ob es einem Deutschen im Kriege oder im Frieden besonders wohlansteht, die Franzosen aufdringlich zu lieben und den Engländern äffend nachzulaufen. Dessen aber kann jeder Deutsche sicher sein: der gebildete Franzose hält jeden französelnden Deutschen für einen lächerlichen Boche, und der Engländer jeden britenden für einen damned German fool.

 

 

 

Die deutsche Engländerei

 

Ein echter deutscher Mann, zum Beispiel oder insonderheit der an unsrer Waterkant, steht morgens auf mit dem frommen Wunsche: Gott straf' England! und legt sich mit selbigem Wunsche beruhigt zu Bett; wenn aber der Hamburger z. B. sein großes Sommerrennen veranstaltet, so nennt er es mit überwältigender Drolligkeit Deutsches Derby. Hier haben wir – in a nutshell (in einer Nußschale) sagt der britende Welscher – den bis zum Kriege und selbst während des Krieges herrschenden Zustand. Die deutsche Engländerei hat in den letzten 25 Jahren einen Umfang erreicht, der dem Unwesen der Französelei den Rang abzulaufen beginnt. Im Anfang dieser neuen sprachlichen Schlammflut freute ich mich verstohlen darüber, weil ich hoffte, der englische Beelzebub könne vielleicht den französischen Urian austreiben helfen. Unverzeihlicher Irrtum eines Kenners der Welscherseele, für den ich mich gehalten hatte. Es ist mit der Engländerei in Welschdeutschland genau so zugegangen wie mit allen neuen Bereicherungen des Welsch: gierig wird jede neue Flut fremden Sprachspülichts aufgefangen und in das Geäder des deutschen Sprachleibes ergossen; aber nichts von dem alten Schmutz wird darum aufgegeben. Auch andre Völker lernen fremde Sprachen, ohne dadurch Schaden zu nehmen an der Seele der Muttersprache. Einzig für Deutschland wird die Beschäftigung mit jeder neuen Fremdsprache zu einem neuen Verhängnis. Ich zweifle nicht, daß durch eine nähere Bekanntschaft mit dem jetzt in Mode kommenden Türkisch das Deutsche im nächsten Menschenalter auch die Vertürkung über sich ergehen lassen muß. Alles in allem bevorzugt der deutsche Welscher das Küchenlateinische und Apothekergriechische. Zumal für den humanistisch und akademisch gebildeten Welscher sind die beiden klassischen Sprachen noch in ihrer äußersten Verschandelung von einem Zauberhauch höherer Weihe umwittert und gelten selbst für vornehmer als die sehr vornehme Französelei. Der strenge Wissenschafter alter Schule französelt verhältnismäßig wenig; er überläßt dies der neuen Abart des deutschen Gelehrten, wie sie namentlich in Berlin gedeiht dem ›Dandyprofessor‹, der ebensowohl mit der Teichoskopie wie dem Coin de la nature, dem Milieu, der Note personelle um sich wirft. Das Englische ist doch mehr das Kennzeichen des weltmännischen Welschers, des Kaufmanns, des Sportfexen, des Weltbummlers, der sich denn auch gern Globetrotter nennen hört. Und so tief wie die humanistelnde und französelnde Welscherei ist die engländernde noch nicht in die Schriftsprache eingedrungen; sie hält sich, wenigstens bis jetzt, mehr in den Grenzen der Umgangs- und der Zeitungssprache, ist allerdings in die Rede des Deutschen Reichstags schon fast ebenso fest hineingefilzt wie die Französelei. Wer sich von der verblüffenden Ausbreitung der Engländerei gründlich überzeugen will, der lese die vortreffliche Schrift von Hermann Dunger: ›Engländerei in der deutschen Sprache‹; sie erspart mir die Ausführlichkeit, die den Rahmen meines Büchleins sprengen würde. Wiederum ist festzustellen, daß es kaum noch ein Gebiet des Alltags oder des höheren Geisteslebens gibt ohne englisches Welsch. Allenfalls läßt sich sagen, daß die reinen Geisteswissenschaften noch nicht so verbritelt sind wie verfranzöselt, verlateinert und vergriechelt; indessen das deutsche Welsch hat unbegrenzte Möglichkeiten weiterer Ausbildung.

 

Im Anfang des 19. Jahrhunderts wurde festgestellt, daß nur etwa 12 englische Fremdwörter ins Deutsche eingedrungen waren, wovon solche Lehnwörter wie Dogge, Frack, Mops, Park, Quäker eigentlich nicht mitzählen. Für das Jahr 1880 stellte Dunger gegen 150 Engländereien im Deutschen fest, sicher zu wenig. Zurzeit beläuft sich der Anteil des Englischen am deutschen Welsch auf allermindestens 1000; und wer da gutmütig glauben sollte, der Krieg werde hieran das geringste ändern, der kennt die tiefen und dunkeln Winkel in der Psyche des deutschen Welschers nicht. Nicht einmal der Gentleman und seine erprobte fairness werden durch die Erinnerung an die Mörder auf dem Baralong und die schurkischen Feiglinge auf dem König Stephan in Zukunft verdrängt werden. So wenig wie eine deutsche Zeitung inmitten des Weltkrieges ohne das Derby mit seinen Meeting, Handicap, Start, Record, Odds, Pace, Turf, Box, Trainer, Favorit, Outsider, Pedigree, Canter, Spurt, Pull, Finish, Walkover über deutsche Rennen berichten kann; so wenig wie das Tennis in Deutschland ohne englische Zahlwörter und den gesamten übrigen englischen Sprachzauber gespielt werden kann, also nur mit Play, advantage, out, fault, game, set, love – wozu natürlich die Kenntnis des Englischen selbst unnötig ist –, so wenig wird auch die scheue Bewunderung vor dem fairen gentlemanliken Gentleman aussterben. Sie wird dauern bis ans Ende der Tage, jedenfalls bis ans Ende der deutschen Sprache und – darüber hinaus. ›Kaiser Wilhelm hat sein Bedauern ausgesprochen. Das war gentlemanlike, und diese faire Erledigung bringt die Person des Kaisers aus dem Spiel‹ (aus einer Berliner Mittagszeitung).

 

Was ist nicht schon für Tinte verschrieben worden über die Engländerei für deutsche Schiffe! Mit Begeisterung, mit Wonne plantschen alle deutsche Zeitungen und ihre gesamte deutsche Leserschaft in der ewigen englischen Weiblichkeit für männliche und sächliche deutsche Schiffsnamen. Die Emden, die Deutschland, die Vaterland, unbedingt nur so, denn – der Engländer spricht von jedem Schiff mit she. Ich, und der Leser zweifellos ebenfalls, habe auch schon gelesen: die Bismarck, die Moltke, die Kaiser, die Gneisenau. Man hat aus einem gewissen Schamgefühl spitzfindige Entschuldigungen dieser Engländerei versucht, hat von ›altem deutschem Seemannsbrauch‹ geredet, während geschichtlich feststeht, daß einzig die Englandäfferei uns die Sinnlosigkeit bescheert hat, gepanzerte Berserker wie den Emden, den Göben in sanfte Ehrenjungfräulein umzuzärteln. Vielleicht beweisen die Welscher demnächst, daß auch die deutschen Zahlwörter im Tennis sich nicht ganz mit den englischen ›decken‹. Bild und Witz im Simplizissimus mit der Überschrift: ›Deutscher Sport‹ und der Unterschrift: ›Zählen Sie doch nicht deutsch, Sie blamieren ja unsern ganzen Club!‹ können nicht für besonders witzig gelten, denn sie sind mehr: witzlose Wirklichkeit.

 

Die Seelenverfassung des britenden Welschers ist die gleiche wie bei allen andern Gattungen der Welschersippe: das englische Wort ist unter allen Umständen vornehmer, verleiht seinem Aussprecher oder Schreiber eine höhere Weihe, als das edelste, kernigste, farbigste Deutsch. Mob ist vornehmer als Pöbel, der Rowdy feiner als der Lümmel, nun gar der Hooligan gradezu ein erhabenes Wesen gegenüber dem Strolch oder Messerstecher. Selbst der ärmste Teufel bekommt einen andern Anstrich, einen volkswirtschaftlich wissenschaftlichen, sobald man ihn Pauper nennt. Wer etwas auf sich hält, oder wer gar einmal den Fuß auf britische Erde gesetzt, spricht nicht mehr von Versammlungen, sondern von Meetings, nennt die Selbstverwaltung nur noch Selfgovernment, ein Gesetz wird zur Bill, der englische Unterhauspräsident heißt grundsätzlich in Deutschland nur Speaker, Ausschüsse sind Committees, und jede Schreibstube wird zum Office. Wer nichts ist, nichts hat, nichts heißt, ist immerhin noch ein Nobody, und der letzte Angestellte besitzt die höhere Würde eines Clerk. Bringt er's aus eigner Kraft zu etwas Bedeutendem, so legt ihm der Welscher den hohen Rang eines Selfmademan bei. Unterredung, Begegnung, Besprechung, Ausfragung, Fragbesuch – nichts von dieser deutschen Dutzendware ›deckt‹ sich mit einem Interview, und der Held eines solchen Abenteuers ist je nachdem ein Pennyaliner, Reporter oder...

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