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Spurensucher

Ein Praxisbuch für historische Projektarbeit

Verlagedition Körber-Stiftung
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl400 Seiten
ISBN9783896844774
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Projektarbeit an Schulen bietet einzigartige Chancen für einen lebendigen Unterricht des Faches Geschichte. Schülerinnen und Schüler können authentische Orte erforschen, mit Zeitzeugen sprechen und das historische Geschehen unmittelbar nachvollziehen. Dafür bedarf es aber immer wieder der methodischen Unterstützung und Anregung. Der »Spurensucher« liefert hierzu sowohl Grundlagen als auch zahlreiche Anregungen und Beispiele, die den Unterricht bereichern und außerschulische Projekte methodisch verankern. Er folgt dem bewährten Aufbau eines historischen Projekts - von der Fragestellung über die Projektdurchführung bis hin zur Präsentation. Die Autorinnen und Autoren stammen aus dem Umfeld des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten, der über den Erfahrungsschatz von über 22000 Projekten in seiner 40-jährigen Geschichte verfügt. Ein unverzichtbares Hand- und Arbeitsbuch für alle Lehrerinnen und Lehrer, eine Ideenbörse für die lokalhistorische Projektarbeit.

Michael Sauer ist Professor für Didaktik der Geschichte an der Universität Göttingen. Er ist Mitherausgeber der Fachzeitschriften »Geschichte in Wissenschaft und Unterricht« sowie »Geschichte lernen«. Sein Buch »Geschichte unterrichten« gilt als Standardwerk in der Geschichtslehrerausbildung. Michael Sauer hat diverse Schulbücher der Reihe »Geschichte und Geschehen« herausgegeben.

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Leseprobe

I. Themenfindung und Projektplanung
von Martina Tschirner


Eine historische Spurensuche ist spannend wie eine Detektivarbeit. Hat man erst einmal eine Spur aufgenommen, dann fesselt sie und lässt einen nicht mehr los. Aber wo findet man diese Spur? Wie gelingt es, ihr zu folgen, ohne sie wieder zu verlieren? Sollte man sich lieber im Team oder alleine auf Spurensuche begeben?

1. Einsam oder gemeinsam? Die richtige Arbeitsform finden


Gemeinsam mit anderen, mit der Freundin, der Clique oder gar der ganzen Klasse auf historische Spurensuche zu gehen, kann sehr hilfreich und für das Gemeinschaftsgefühl etwas Wunderbares sein: Mehrere Menschen haben immer mehrere Ideen, bringen unterschiedliche Vorkenntnisse zum Thema ein, und die Arbeit lässt sich auf viele Schultern verteilen. Außerdem gibt es in einer Gruppe immer Experten für bestimmte Aufgaben. So fällt es einem Gruppenmitglied vielleicht sehr leicht, im Archiv alte Handschriften zu entziffern, während andere dabei sehr schnell die Geduld verlieren. Ein Mitglied kann sehr gut Texte schreiben, ein anderer Teilnehmer ist äußerst geschickt bei der Erstellung eines schönen Layouts, wieder andere können gut zeichnen, Bilder oder Filme bearbeiten usw. Alle diese Fertigkeiten sind notwendig, um eine Projektarbeit zum erfolgreichen Abschluss zu bringen. Darüber hinaus gibt es im Laufe der Spurensuche immer wieder Situationen, die sich zu zweit oder in einer Gruppe besser bewältigen lassen. Denn wenn man beispielsweise zuvor noch nie in einer öffentlichen Bibliothek oder einem Archiv war, dann ist der erste Gang dorthin immer sehr schwer. Zu zweit fällt es aber schon viel leichter. Auch manche Gespräche mit Zeitzeugen oder mit Experten lassen sich besser führen, wenn man Mitstreiter hat. Zugleich hat man auch immer eine Ansprechpartnerin, mit der man sich austauschen und die Zwischenergebnisse diskutieren kann. Überdies macht die Arbeit mit anderen in der Regel auch viel mehr Spaß, als alleine für sich zu arbeiten, und es stärkt das Gruppengefühl, sich gemeinsam ein Ziel zu setzen und dieses dann auch zu erreichen. Nebenbei kann jede Teilnehmerin auch ihre Teamfähigkeit weiterentwickeln. Schließlich kann man sich in der Gruppe auch gegenseitig motivieren, wenn ein Mitglied einmal einen »Durchhänger« hat.

Demgegenüber muss der einzelne Spurensucher zwar alles selbst erledigen, er braucht sich aber nicht immer wieder mit anderen abzusprechen, Termine vereinbaren oder sich möglicherweise über andere zu ärgern, wenn Absprachen nicht eingehalten werden oder sich ein Gruppenmitglied als »Bremser« erweist. Was macht man, wenn man mit dem Ergebnis der anderen nicht zufrieden ist und es trotz vieler Diskussionen nicht besser wird? Und was passiert schließlich, wenn einzelne Gruppenmitglieder einfach aus dem Projekt aussteigen und sich nicht mehr für die übernommenen Aufgaben verantwortlich fühlen? Das kann für die gesamte Gruppe und das Projekt schwerwiegende Folgen haben. Leider liest man in den Arbeitsberichten des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten immer wieder, dass dies geschieht: »Kurz vor Weihnachten, als wir schon drei Monate Arbeit in unser Projekt gesteckt hatten, hat ein Mitglied unserer Projektgruppe aufgehört. Jetzt waren wir nur noch vier. Wir anderen fanden das gar nicht toll und haben fast auch die Lust am Projekt verloren.« Viele Projekte drohen in einer solchen Situation zu scheitern, manche scheitern tatsächlich, und dies zum Teil nicht ohne Auswirkungen auf die Freundschaft. Der Einzelarbeiter muss nur sich selbst über einen längeren Zeitraum motivieren, nicht aufzugeben, und das ist manchmal schwer genug.

Wer noch keine oder nur wenig Erfahrung mit der historischen Spurensuche oder mit der Arbeit in anderen Projekten gesammelt hat, sollte sich sehr gut zu Beginn überlegen, ob er alleine, in einer kleineren Gruppe oder in einer Großgruppe arbeiten möchte. Kleinere Gruppen bis zu maximal fünf oder sechs Mitstreiterinnen bieten sich für die Anfängerinnen schon deshalb an, weil der Koordinierungsaufwand nicht so groß ist und sich das Projekt besser in kleinere Unterthemen teilen lässt. Je größer eine Gruppe wird, desto schwieriger und komplizierter werden die verbindlichen Absprachen und Planungen. Schließlich steht auch der Tutor, der die Projektarbeit begleitet, vor größeren Herausforderungen.

Die Wahl der Arbeitsform ist somit eine wichtige Grundentscheidung für die Auswahl des Themas: Einzelarbeiterinnen und kleine Gruppen sollten sich nur wenige und gut überschaubare Themen vornehmen, größere Gruppen müssen umfänglichere Themen finden und ganz anders planen, damit alle Gruppenmitglieder in die Arbeit einbezogen werden können.

Darüber hinaus gilt es, ein Thema zu finden, für das man sich wirklich interessiert, schließlich möchte man sich über einen längeren Zeitraum damit beschäftigen. Und dies geht nur, wenn echtes Interesse vorhanden ist. Die Interessen weniger lassen sich deutlich besser vereinbaren als die einer großen Gruppe. Die Themenfindung, die Eingrenzung des Themas, die Formulierung einer Fragestellung und letztlich die gesamte weitere Planung des Projekts können also erst stattfinden, wenn feststeht, wie viele Personen beteiligt sind.

2. Eine historische Fragestellung entwickeln


Aber wie findet man überhaupt ein Thema, und wie entwickelt man eine Fragestellung? Auch wenn, wie im Geschichts- und anderen Wettbewerben oder im schulischen Projektunterricht, das Rahmenthema vorgegeben ist, bedeutet dies noch nicht, dass damit auch der Gegenstand der Spurensuche festgelegt ist. Im Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten ist es explizit Teil der Aufgabe, eine eigene Fragestellung zu entwickeln.

Brainstorming

Zunächst einmal sollte man sich auf sich selbst verlassen und den eigenen Gedanken freien Lauf lassen, also ein Brainstorming machen. Dabei ist alles erlaubt, was durch den Kopf geht. Manchmal denkt man dann an Titel von Büchern oder Filmen, oder man erinnert sich an ein Erlebnis usw. Beim Geschichtswettbewerb hilft der genaue Wettbewerbstitel weiter, wenn man länger nachdenkt. So rief der Wettbewerb 2006/07 zur Spurensuche zum Thema »miteinander – gegeneinander? Jung und Alt in der Geschichte« auf. Weshalb gegeneinander von Jung und Alt? In der Regel verstehen sich die Generationen doch gut, die Jungen unterstützen die Alten und umgekehrt. Oder gab es vielleicht eine Zeit, in der das anders war?

Diese ersten Gedanken, Fragen oder auch nur Stichwörter hält man schriftlich fest, und zwar am besten auf Karteikarten oder Zetteln. Wichtig dabei ist, dass man pro Karteikarte nur einen Gedanken notiert, damit man die Gedanken auf den Karten hinterher ordnen kann. Bei der Gruppenarbeit sollte jede Teilnehmerin diesen Schritt zunächst alleine vollziehen. Die Karten des Brainstormings werden dann gemeinsam gesichtet. Arbeitet man im Team, sollte man den anderen die eigenen Karten erklären. Vielleicht gibt es Überschneidungen, vielleicht hängen einzelne Aspekte irgendwie zusammen? Vielleicht verdichten sich schon erste Gedanken, wenn man sie in der Arbeitsgruppe oder auch mit Außenstehenden bespricht? Das Cluster, das auf diese Weise entsteht, bildet die Grundlage für das weitere Nachdenken.

Über ein solches Vorgehen berichten auch immer wieder die Teilnehmer des Geschichtswettbewerbs: Was sind eigentlich Nachbarn? Diese Fragen stellten wir uns zu Anfang, als wir zum ersten Mal vom Thema des Geschichtswettbewerbes 2012/13 hörten: »Vertraute Fremde. Nachbarn in der Geschichte«. Was kann man damit anfangen? Wie macht man daraus ein interessantes Projekt? Wir haben erst einmal damit begonnen, das Thema zu verstehen, und stellten fest, dass man Nachbarschaft sicherlich sehr unterschiedlich definieren kann. Jedermann bekannt sind beispielsweise Tischnachbarn, Hausnachbarn, Grundstücksnachbarn, Dorfnachbarn bis hin zu Nachbarländern (…). (GW 2013-0702, S. 3)

»spurensuchen«

Der nächste Schritt sollte für die Teilnehmerinnen des Geschichtswettbewerbs darin bestehen, das Ausschreibungsheft »spurensuchen«, das zu jedem Wettbewerb neu erscheint, genau zu studieren. Hier erschließt sich eine Vielzahl von Zugängen zum Rahmenthema: Zum einen werden konkrete Projektthemen vorgestellt, zum anderen wird das Thema auf den »gelben Seiten« in der Mitte des Heftes noch einmal genauer erläutert und über Fragen erschlossen. Vielleicht lässt sich das eine oder andere schon mit den eigenen Gedanken in Verbindung bringen?

Gespräche führen

Weiterhin ist es in dieser Phase der Themenfindung wichtig, viele Gespräche über das Vorhaben zu führen: Als Gesprächspartner bieten sich Eltern oder Großeltern, Bekannte oder Nachbarn, Freunde oder Verwandte und natürlich die Lehrer an. Die Spurensucherin kann so ihre eigenen Gedanken beim Darüber-Sprechen verfestigen und bestimmt viele Anregungen erhalten. So berichten viele Wettbewerbsteilnehmer, dass sie letztlich durch ausführliche Gespräche auf ihre Themen gestoßen seien. »Ärgernis, Aufsehen, Empörung. Skandale in der Geschichte« hieß das Thema des Geschichtswettbewerbs 2010/11. An einen Skandal in der eigenen Gemeinde oder Stadt konnten sich viele Eltern und Großeltern der Teilnehmerinnen noch sehr gut erinnern. Die Teilnehmer hatten so ihr Thema gefunden und auch gleich die Zeitzeugen, die sich in der Folge als wichtige Quellen für die Projektarbeit erwiesen.

Bei vielen Themen ist es ratsam, den Kontakt zu Geschichtsexperten vor Ort zu suchen. In vielen Städten und Gemeinden gibt es Geschichtsvereine, deren Mitglieder gerne weiterhelfen und, wie die Erfahrungen aus vergangenen Geschichtswettbewerben zeigen, großes...

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