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Sri Lanka. Der schwierige Friedensprozess nach dem Bürgerkrieg

AutorStephan Moosbrugger
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl155 Seiten
ISBN9783640199204
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2004 im Fachbereich Politik - Region: Südasien, Note: 1, Universität Wien, Sprache: Deutsch, Abstract: Sri Lanka (bis 1972 Ceylon) ist den meisten von uns bekannt als paradiesische Urlaubsinsel im indischen Ozean. Jedoch war die an der Südspitze Indiens gelegene rund 65.000 qkm große Insel in ihrer jüngsten Vergangenheit geprägt von einem rund zwanzig Jahre andauernden blutigen Bürgerkrieg. Die Insel, welche besonders durch ihre ethnische Vielfalt besticht, hat eine sehr facettenreiche Geschichte vorzuweisen. Vor 2.500 Jahren von der auf der Insel lebenden Mehrheitsgruppe der buddhistischen Singhalesen erstmals besiedelt, haben sich im Laufe der Jahrhunderte nach und nach die verschiedensten ethnischen Gruppen und unterschiedlichsten Religionszugehörigkeiten auf Sri Lanka niedergelassen. Neben den hinduistischen Tamilen, welche vor rund 1.000 Jahren auf der Insel ankamen und zugleich die größte Minderheit stellen, sind auch zahlreiche Muslime und weitere, kleinere Ethnien auf der Insel beheimatet. Diese verschiedenen Volksgruppen haben über viele Jahrhunderte neben- und miteinander existiert. Jedoch haben sich für das damalige Ceylon stets auch die Europäer interessiert. So stand die Insel von Beginn des 16. Jahrhunderts bis zum Jahre 1948 unter kolonialer Herrschaft. Zuerst haben sich die Portugiesen, dann die Holländer und zuletzt die Engländer auf der Insel niedergelassen. Sri Lanka ist somit geprägt von sehr vielen und sehr unterschiedlichen Einflüssen. Insbesondere die englische Kolonialmacht hat die politischen, administrativen und ökonomischen Rahmenbedingungen geschaffen, welche einen ethnischen Konflikt und eine ethnische Diskriminierung in späterer Folge förderten. Nach der Erlangung der Unabhängigkeit von der Kolonialmacht im Jahre 1948 hat sich der ethnische Konflikt zwischen Singhalesen und Tamilen verschärft. Der gesteigerte singhalesische Nationalismus und die zunehmende Diskriminierung der tamilischen Bevölkerung war ausschlaggebend dafür, dass sich die Situation zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen immer mehr zugespitzt hat, um im Jahre 1983 in einen offenen Bürgerkrieg zu münden. Der Krieg hat nicht nur zahlreiche Tote und Flüchtlinge gefordert, sondern auch der Wirtschaft Sri Lankas erheblichen Schaden zugefügt. Insbesondere der Tourismus hatte aufgrund der zahlreichen Selbstmordanschläge im Südwesten der Insel erhebliche Einbußen zu verzeichnen.

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Leseprobe

Kapitel I: Geschichte des Konflikts und Verlauf des bisherigen Friedensprozesses:


 


1. Historische Dimension des Konflikts:


 


1.1 Ethnische und religiöse Zusammensetzung der Bevölkerung Sri Lankas: 


 


Sri Lanka (bis 1972 Ceylon) ist eine nahe der Südspitze Indiens gelegene Insel mit einer Größe von 64.454 qkm (vergleichbar mit der Größe Bayerns oder Irlands) und rund 19 Millionen Einwohnern. Die Insel zeichnet sich vor allem durch ihre ethnische Vielfalt aus. Darüber hinaus sind auf Sri Lanka fast alle Weltreligionen vertreten. Dieser Pluralismus hat seinen Ursprung in der vorkolonialen Epoche der Insel. Der Besiedlung der Insel liegt eine Legende zugrunde, wonach zu Beginn des fünften Jahrhunderts vor Christus, am gleichen Tag, an dem Buddha in Nordindien sein Nirwana erlangt haben soll, der Königssohn Vijaya, ein Abkömmling eines in Nordindien beheimateten Königsgeschlechts, zusammen mit Kaufleuten die Insel erobert und die noch heute auf Sri Lanka siedelnde Mehrheitsgruppe (74 Prozent) der buddhistischen Singhalesen, des „Löwenvolkes“, begründet hätte. Dabei wurden die Ureinwohner der Insel eher vertrieben als assimiliert.[1] Die Sprache (Sinhala) und Religion (Buddhismus) der Singhalesen soll laut der Gründungslegende dem Nordindischen entstammen. Das hauptsächliche Siedlungsgebiet dieser Mehrheitsgruppe konzentriert sich seit jeher auf das Küstengebiet und das Bergland im Südwesten der Insel.

 

Die erst später – vor rund 1000 Jahren - aus Südindien in den Norden und Osten der Insel zugewanderten Tamilen hingegen sprechen eine südindische Sprache (Tamil) und gehören überwiegend der hinduistischen Religion an. Die Tamilen stellen mit rund 18 Prozent die größte Minderheit auf der Insel. Von den Sri Lanka-Tamilen (12,6 Prozent) unterscheiden sich die indischen Tamilen (5,5 Prozent), welche im 19. Jahrhundert unter der britischen Kolonialherrschaft als Plantagenarbeiter aus Südindien zugewandert sind. Der Siedlungsschwerpunkt dieser Minderheit liegt noch heute im Norden – hauptsächlich auf der Halbinsel Jaffna - und im Osten Sri Lankas.

 

Neben den Singhalesen und den Tamilen sind noch zahlreiche weitere Ethnien auf der Insel vertreten. So etwa die Moors (Muslime), welche 7,5 Prozent der Bevölkerung stellen. Diese leben seit mehr als 800 Jahren auf der Insel und gehen auf in Südindien oder Sri Lanka lebende Tamilen, auf Singhalesen und wenige Araber zurück. Die Moors haben ihren Siedlungsschwerpunkt in der tamilischen Ostprovinz. Ansonsten leben sie über den gesamten singhalesischen Siedlungsraum verstreut.[2]

 

Dazu kommen einige sonstige ethnische Gruppen. So etwa die  „Veddas“ (0,2 Prozent), welche die Ureinwohner der Insel sind und von den seit 500 v. Chr. aus Indien einwandernden Singhalesen und später zuwandernden Tamilen sowohl inkorporiert als auch ausgegrenzt wurden.[3] Daneben gibt es die Volksgruppe der Burgher (0,4 Prozent). Dabei handelt es sich um die überwiegend christlichen Nachfahren aus Mischehen der portugiesischen, holländischen und englischen Kolonialbeamten und Soldaten, die vor allem in den Städten der Insel leben.[4]

 

Gliederung der Bevölkerung Sri Lankas (2002):


 

1.2 Die Entstehung eines singhalesisch – tamilischen Gegensatzes:


 


Von 1983 bis 2002 herrschte auf Sri Lanka ein offener Bürgerkrieg, der hauptsächlich zwischen der Regierung bzw. der Armee auf singhalesischer Seite und der LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam) auf tamilischer Seite ausgetragen wurde. Der Krieg hat rund 70.000 Menschenleben und 800.000 Flüchtlinge gefordert.

 

Die Ursachen, welche zur Entstehung eines ethnischen Konfliktes und schließlich zur Eskalation desselben in einen Bürgerkrieg führten, liegen schon in der Kolonialzeit. Vor allem in der britischen Epoche wurden die politischen, administrativen und sozioökonomischen Rahmenbedingungen geschaffen, welche für die Entstehung eines ethnischen Gegensatzes ausschlaggebend waren.

 

1.2.1 Die koloniale Epoche:

 

Sri Lanka steht von Beginn des 16. Jahrhunderts bis zur Erlangung der Unabhängigkeit 1948 unter kolonialer Herrschaft. Im Jahre 1505 erreichen die Portugiesen zum ersten Mal die Insel. Nach und nach gelingt es der Kolonialmacht, die Insel vom Südwesten bis zum Norden, einschließlich der Halbinsel Jaffna, unter ihre Kontrolle zu bringen. Einzig das unzugängliche Bergland bleibt außerhalb des kolonialen Herrschaftsbereichs. Das nach seinem Herrschaftszentrum benannte Kandy bleibt lange ein singhalesisch - buddhistisches Reich unter der Kontrolle der jeweiligen Kandy-Herrscher.

 

150 Jahre später müssen die portugiesischen Kolonialherren der niederländischen Monopolhandelsgesellschaft, der VOC[5], weichen. Den niederländischen Kolonialherren gelingt es, die Kontrolle über alle Küsten der Insel zu gewinnen, jedoch misslingt auch ihnen der Versuch, das Kandy-Reich, welches zu einem Binnenreich geworden ist, dauerhaft niederzuwerfen. Jedoch war Kandy damals, weil es vollständig vom Meereszugang abgeschnitten war, wirtschaftlich und diplomatisch von der VOC abhängig.

 

Nach der ebenfalls rund 150jährigen Herrschaftsspanne der Niederlande übernimmt im Jahre 1796 schließlich die englische Krone die Insel.

 

 „...und während der ebenfalls rund 150 Jahre andauernden Kolonialherrschaft der Engländer setzt nun jene umfassende politische und wirtschaftliche Verwandlung der Insel ein, die auf Dauer die ethnische Vielfältigkeit der Insel in einen ethnischen Gegensatz verwandelt.“[6]

 

Erst der britischen Kolonialmacht gelingt es, 1815 das Reich von Kandy niederzuwerfen und somit die Kontrolle über die gesamte Insel zu erlangen. Darüber hinaus unterstellt die englische Krone im Zuge einer Verwaltungsreform im Jahre 1833 die Gesamtheit der Insel einer einheitlichen, in der Hauptstadt Colombo zentralisierten, bürokratischen Verwaltung.

 

„Damit wird nicht nur zum ersten Mal in der Inselgeschichte die Gesamtheit der Insel einer einzigen und zugleich effektiven, also bürokratischen Herrschaft unterstellt, sondern die beiden religiös, sprachlich und ethnisch unterschiedenen Gruppen der Singhalesen und Tamilen werden in ihrer Gesamtheit unter den Kontrollbereich einer kolonialen Fremdherrschaft gebracht.“[7]

 

Durch die vollständige politische und administrative Einigung durch die englische Krone wird im 19. Jahrhundert auf Sri Lanka eine Situation geschaffen, in der die beiden Volksgruppen in ein immer engeres Geflecht wechselseitiger wirtschaftlicher Abhängigkeit gezwängt werden.

 

Da den Kolonialherren für die Verwaltung nur wenige Engländer zur Verfügung stehen, müssen diese, wie in anderen Kolonien, hauptsächlich auf einheimische Kolonialbeamte zurück greifen. Diese werden zunächst auf der unteren und mittleren Verwaltungsrangstufe eingesetzt, doch sehr bald finden sie auch Anstellung in den höheren Ebenen.

 

Neben der Volksgruppe der „Burgher“ finden sehr viele Jaffna-Tamilen Anstellung im Verwaltungsdienst der britischen Kolonialmacht. Dies ruht daher, dass die kleine, dicht besiedelte Jaffna-Halbinsel durch die von den drei Kolonialmächten errichtete und ständig intensivierte Tradition der Missionsschulen stark geprägt worden ist. Darüber hinaus finden sich für die Bauerngesellschaft Jaffnas innerhalb der Halbinsel kaum ausreichende Expansions- oder Investitionschancen. So erweist sich die Bildungsinvestition mit dem Ziele einer Anstellung im kolonialen Beamtenapparat für viele wohlhabende tamilische Bauernfamilien auf Jaffna als gute wirtschaftliche Aufstiegschance.[8] 

 

Das von der britischen Kolonialmacht eingeführte neue Wirtschaftsgefüge wird von den Singhalesen sehr bald als diskriminierend empfunden.

 

„Ihrer Auffassung nach begünstigt es neben den Kolonialherren und den Mischlingen, den ‚Burghern’, über Gebühr die bislang im Norden und Osten siedelnde Gruppe der Tamilen.“[9]

 

Dieser auf Fachbeamte basierende zentralisierte Verwaltungsapparat der Kolonialherrschaft löst eine tamilische Binnenwanderung vom Norden und Osten in den Südwesten der Insel aus.

 

1.2.2 Die singhalesische Ausgrenzungspolitik nach der Erlangung der Unabhängigkeit:

 

1948 wird das damalige Ceylon von der englischen Krone in die Unabhängigkeit entlassen. Die Soulbury-Verfassung[10]

 

„...sieht zwar einen formalen Schutz religiöser, ethnischer und sprachlicher Minderheiten vor, aber die Lösung zweier für die Zukunft der indischen und ceylonesischen Tamilen entscheidenden Fragen überlässt die Kolonialregierung der neuen, unabhängigen – und damit einer singhalesischen Bevölkerungsmehrheit verantwortlichen – Landesregierung.“[11]

 

In der Verfassung ist neben der weitgehenden und restriktiven Einbürgerung der indischen Tamilen, welche unter der...

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