In Kapitel 4.1 werden konkrete Investitionsaktivitäten von Staatsfonds und Beteiligungsunternehmen aufgezeigt. Doch wie sehen Investitionsmotive unter theoretischer Betrachtung aus? Werden Anlagen lediglich aus renditemaximierenden Gesichtspunkten getätigt? Verfolgen speziell Staatsfonds auch politisch-strategische Machtziele?[84] Oder versuchen Staatsfonds in Wahrheit die Stabilität der Volkswirtschaft zu sichern? Im Sinne des RBV können insbesondere physische Ressourcen wie Betriebsanlagen, geographische Lage und der Zugang zu Rohstoffen als Anreiz für Staatsfonds gesehen werden, Kapitalinvestitionen zu tätigen.[85] Dadurch könnten wichtige Ressourcen für das Herkunftsland des Staatsfonds zugänglich gemacht werden. Dieses Kapitel behandelt deshalb spezifisch Investitionsmotive der Staatsfonds. Aber auch öffentliche Pensionsfonds, als Äquivalent zu Staatsfonds, interessieren sich nicht ausschließlich für die Maximierung des Portfoliowerts. Sie haben wegen ihrer politischen Orientierung auch Interesse daran, den allgemeinen Wohlstand zu maximieren.[86]
In der Begriffsdefinition wurde dargelegt, dass Staatsfonds allgemein als langfristig und nicht-strategisch orientierte Investoren gelten. Sie sind primär kommerziell tätige, renditemaximierende Finanzakteure.[87] Dass Staatsfonds aus ökonomischen Gesichtspunkten heraus handeln und keine (außen)politischen oder handelstechnischen Überlegungen verfolgen, sollte durch die „Santiago Principles“ verdeutlicht werden. Truman, E. M. (2011) sieht Staatsfonds als Finanzvehikel von Staaten die neben Rendite- von Natur aus auch politische Staatsinteressen verfolgen. Sie können dazu dienen, ökonomische und gewerbliche Machtziele zu verfolgen. Dennoch betont auch er, dass der Großteil der Investitionen in der Regel Portfolio- bzw. Minderheitsbeteiligungen sind. Dennoch identifiziert er zehn Staatsfonds die, Stand 2010, strategische Ziele verfolgen. Dies drückt sich in der Strategie des Erwerbs signifikanter bzw. kontrollgebender Beteiligungen in Unternehmen oder Joint Venture Unternehmungen aus. Dazu zählen insbesondere Staatsfonds aus Brunei, Canada, China, Kuwait, Malaysia, Niederlande, Qatar, Singapur, die Vereinigten Arabischen Emirate und Vietnam.[88] Die Investitionsstrategien, durch staatliche Wirtschaftspolitik beeinflusst, sind durch strategische Motive geprägt und lassen sich gehäuft in Schlüsselindustrien ausmachen. Die Sicherstellung des Zugangs zu Rohstoffen, um die Konjunktur nicht abzuschwächen, ist für viele Staatsfonds eine wichtige Prämisse. Dafür sind insbesondere Erz, Kohle und Kupfer von Bedeutung. Viele Investitionen haben für die Beschäftigung im Zielland jedoch kaum Bedeutung, da die Arbeitsplätze selten und in geringem Maße mit Staatsangehörigen des Ziellandes besetzt werden. Dies konnte z.B. im Bau von Anlagen und Kraftwerken bei China beobachtet werden.[89] Insbesondere China zeigt mit der „China Investment Corporation“ (CIC) starkes Interesse an strategischen Beteiligungen. Diese werden in Kapitel 4.1.1 explizit dargestellt. Insgesamt investieren über 650 chinesische Staatsunternehmen in Afrika, vor allem in Erdöl aber auch andere Rohstoffe sowie Telekommunikation. Auch die „Temasek Holdings“ geht oft Beteiligungen ein, die Singapur den Transfer von Fachwissen ermöglichen.[90] Auch Abu Dhabi geht mithilfe von Staatsfonds Joint Ventures mit internationalen Partnern ein oder versucht diese direkt zu akquirieren. Dies erfolgt insbesondere in Branchen, wo Wissens- und Technologietransfer möglich ist. Infolgedessen könnte eine nachhaltige, wissensbasierte Volkswirtschaft geschaffen, die Ressourcen der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) optimal ausgenutzt und erstklassige Bildung, Gesundheitswesen und Infrastruktur entwickelt werden. Es ist ein bemerkenswerter Trend zu erkennen. Staatsfonds investieren im Ausland um die heimische volkswirtschaftliche Entwicklung und Diversifikation zu unterstützen.[91] Es besteht die Befürchtung, staatliche Investitionen in die Energiebranche führten zu Unsicherheiten der Versorgung. Denn durch Mehrheitsbeteiligungen kann starker Einfluss auf die Versorgungsentscheidungen des Managements ausgeübt werden.[92] Remé, M. (2009) vertritt die Ansicht, dass einige Staatsfonds eine langfristig angelegte Investitionsstrategie verfolgen, die sich noch in stillen und passiven Aktien oder Unternehmensbeteiligungen ausdrückt. Sie verfolgen aber vermehrt das Ziel, „durch Investitionen in industrielle Schlüsselbereiche, Technologietransfers, Innovationen und Industrialisierungsprozesse zugunsten der eigenen Länder zu forcieren, um die Abhängigkeit von den Rohstoffexporten zu reduzieren“.[93]
Als eine Folge dessen wurden in den USA gesetzgeberische Maßnahmen beschlossen. Grundlage ist der in 2007 erlassene „Foreign Investment and National Security Act“ (FINSA). Dieser erlaubt es der Regierung für die Nationale Sicherheit als bedrohlich angesehene Akquisitionen eines Staatsfonds zu analysieren und, wenn nötig, zu blockieren.[94] Äquivalent wurde dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) im Mai 2009 ein Zusatz beigefügt. Jeder Erwerb von Stimmrechten an einer Gesellschaft mit Sitz in Deutschland durch eine Gesellschaft außerhalb der Europäischen Freihandelsassoziation von mehr als 25 Prozent, kann zu einer formalen Untersuchung durch das Bundeswirtschaftsministerium sowie zu Restriktionen führen. Zudem wurde im Zuge der Finanzkrise im August 2008 das Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz) verabschiedet.[95] Politische Befürchtungen, Staatsfonds investierten in den Rüstungsbereich, können empirisch nicht belegt werden. Bislang konnte nur eine Transaktion nachgewiesen werden. In 2007 stieg die „Dubai International Capital`s“ mit 3,12 Prozent bei dem Luft- und Raumfahrtkonzern „EADS“ ein.[96]
Staatsfonds sind zudem während der Finanzkrise bei den Finanzinstituten überwiegend Minderheitsbeteiligungen eingegangen. Mehrheitsbeteiligungen wurden vermieden. Wurde die zehn-Prozent-Marke dennoch überschritten, erfolgte die Ausgabe stimmrechtsloser Aktien.[97] Investitionen während der Finanzkrise in den USA in 2008 waren für Staatsfonds aber auch strategische Gelegenheiten. Beteiligungen an großen Finanzinstitutionen erwiesen sich zunächst als Verlustgeschäft. So verlor SAMA Foreign Holdings und QIA in der zweiten Hälfte des Jahres 2008 durch Beteiligungen an der „UBS“ ca. 20 Prozent des Vermögens. Eine strategische Motivation könnte den nicht-Ausstieg erklären. Denn die Möglichkeit künftig engere Geschäftsbeziehungen mit dem eigenen Industrie- und Bankensektor der jeweiligen Staatsfonds zu erreichen, ist langfristig, einhergehend mit dem RBV, ungleich wertvoller. Es ist damit zu rechnen, dass die zunächst passiv orientierten Investitionen dazu führen, dass Teile der Wertschöpfungskette, in die Heimatländer der SWFs verlagert werden. Deshalb gehen viele deutsche Unternehmen davon aus, dass sich die SWFs in deutsche Unternehmen einkaufen, um im Heimatland einen Industrialisierungsprozess auszulösen.[98] Schließlich sind Staatsfonds als gewerbliche und politische Investoren in der Lage, grenzüberschreitende Unternehmensinvestitionen zu erleichtern.[99]
Aufbauend auf der Kapitalmarkttheorie Markowitz‘, folgen Finanzinvestoren in der Regel der Prämisse der Gewinnmaximierung. Es gilt, dass die Varianz, als Streuung der erwarteten Gewinne, minimiert werden soll.[100] Das sogenannte „Marktportfolio“ besitzt, als Portfolio mit derselben Zusammensetzung von Finanztiteln wie der Gesamtmarkt, das höchste Niveau von Rendite pro Einheit Risiko. Daher sollten Investoren Aktien halten, die z.B. einen Marktindex nachahmen. Diese passive Investitionsmethode wird auch als „Indexing” bezeichnet.[101] Eine äquivalente Herangehensweise stellt der Erwerb von Unternehmensbeteiligungen im Sinne der in Kapitel 2.3 vorgestellten Portfoliotheorie Rugmans dar. Investitionen werden häufig auch aus Diversifizierungs-, also Risikoreduktions-Gründen getätigt. Das gilt sowohl für Staatsfonds als auch für Beteiligungsunternehmen. Durch die Beteiligung an international agierenden börsennotierten Aktiengesellschaften sinkt die Notwendigkeit, das Portfolio zu diversifizieren, da die Gewinne mit geringerem Risiko behaftet sind. Die Unternehmungen selbst haben bereits grenzüberschreitende Investitionen getätigt. Investoren können daher mit stabileren Renditen rechnen. Überdies werden Transferkosten und Transaktionskosten sowie Wechselkursrisiken verringert.
Im Sinne des RBV, als Erklärung des Erfolgs von Unternehmen, möchten Kapitalanleger von dem stabilen Unternehmenserfolg profitieren. Gerade international agierende Aktiengesellschaften können auf nachhaltige Wettbewerbsvorteile...