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Staatskonzepte

Die Theorien der bundesdeutschen Politikwissenschaft

AutorAndreas Anter, Wilhelm Bleek
VerlagCampus Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl149 Seiten
ISBN9783593420202
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis22,99 EUR
Staatlichkeit im Wandel Soonderforschungsbereich der Universität Bremen

Andreas Anter lehrt Politikwissenschaft an der Universität Erfurt. Wilhelm Bleek war bis 2005 Professor für Politische Wissenschaft an der Universität Bochum.

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Leseprobe
I. Der Staat der Disziplin
Warum der Staat ein zentraler Gegenstand der Politikwissenschaft ist


Die Frage »Was ist der Staat?« ist für die Politikwissenschaft seit jeher eine Herausforderung. Während die Disziplin sich in theoretischer Hinsicht darum bemüht, das komplexe und abstrakte Gebilde analytisch zu erfassen, beschäftigt sie sich in praktischer Hinsicht damit, seine Anatomie, Funktionsweise und Wandlungen zu analysieren. Allerdings ist die Beschäftigung mit dem Staat deutlichen Konjunkturschwankungen unterworfen. Diese Schwankungen berühren auch die Bewertung des Gegenstandes. In einem Teil der rechts- und sozialwissenschaftlichen Literatur hatte man es sich eine Zeitlang mit der Auffassung bequem gemacht, der Staat »verschwinde« oder sei gar bereits verstorben, so daß man sich nun auch gedanklich von ihm verabschieden könne. Zeitweise hatte sich die Gattung der »Abschiedsliteratur« etabliert, in der Politikwissenschaft ebenso wie in der Jurisprudenz oder in der Soziologie. Das Manko dieser Literaturgattung aber ist, daß sie auf einer verzerrten Wahrnehmung beruht, denn der Staat ist ja ersichtlich lebendig. Allerdings hatte diese Literaturgattung eine paradoxe Wirkung, da die Staatstheorie umgehend zu neuem Leben erwachte und wieder in den Mittelpunkt des sozialwissenschaftlichen Interesses rückte.


Bei dieser Literatur handelt es sich nicht um einen backlash; hier wurde kein überkommenes Denken restituiert, etwa ein paternalistisches Staatsverständnis. Die neueren Versuche zeichnen sich vielmehr durch eine reflektierte Sichtweise aus, die die Ambivalenzen des Staates ebenso im Blick hat wie die Normativität seiner Existenz.


Im Blick auf den Verlauf der Staatsdebatte ist in den letzten beiden Dekaden eine interessante Parallelität von Abschieds- und Comeback-Literatur zu beobachten. Dabei kann man im Blick auf letztere eigentlich gar nicht von einem »Comeback« sprechen. Schließlich war der Staat ja nie abwesend; sein vermeintliches Verschwinden war immer nur die Folge einer Wahrnehmungsstörung. Zwischen Abschieds- und Renaissance-Diagnosen besteht ein deutlicher Zusammenhang, denn wer das Ende des Staates verkündet, der wird entsprechend rasch seine Wiederkehr ausrufen müssen. Da bereits die Diagnose vom »Abschied« falsch war, ist zwangsläufig auch der Topos der »Rückkehr« zu relativieren.


Selbst das häufig als Indiz für seine »Renaissance« gefeierte Handeln des Staates in der letzten Wirtschafts- und Finanzkrise führte eigentlich nur sein Alltagsgeschäft vor Augen: Der Staat verstaatlicht Banken, rettet Konzerne und reguliert Märkte, so wie er in anderen Feldern auch Bildungsstandards setzt, Klimagipfel veranstaltet, den Terrorismus bekämpft und militärisch in Krisenregionen interveniert. Wer sich mit der einschlägigen Literatur zum vermeintlichen »Ende des Staates« beschäftigt, kann sich nur darüber wundern, wie es zu diesem Realitätsverlust von ganzen Teilen der Disziplin kommen konnte.


Im Blick auf die Frage nach dem gegenwärtigen Zustand des Staates sind naturgemäß begriffliche und epistemologische Fragen relevant, da jede Erkenntnis immer davon abhängt, was unter dem jeweiligen Gegenstand überhaupt verstanden wird. Wenn man ihn als ein Gebilde versteht, das wie eine preußische Staatsmaschine gebaut ist, dann wird man zu einem anderen Ergebnis kommen, als wenn man ihn beispielsweise als ein Ensemble von öffentlichen Aufgabenträgern begreift. In der gegenwärtigen Debatte um den Charakter und die Aufgaben des Staates erweist sich jedenfalls, wie richtig Hermann Heller lag, als er sagte, Politikwissenschaft sei »grundsätzlich ohne eine ausdrückliche oder auch stillschweigend vorausgesetzte Staatslehre nicht möglich«. Wie treffend diese Diagnose ist, zeigt auch die Entwicklung der bundesdeutschen Politikwissenschaft, die in ihren Anfängen eine Demokratie- und Staatswissenschaft sein wollte, sich zwischenzeitlich zaghaft vom Staat zu emanzipieren versuchte, um sich aber doch in ihrer theoretischen wie empirischen Arbeit immer wieder auf ihn einzulassen.


Unsere Darstellung nimmt diese disziplinäre Entwicklung in den Blick, wobei die bundesdeutsche Politikwissenschaft, vor allem in ihren Anfängen, keineswegs das Bild einer scharf umrissenen Disziplin bietet, die von diplomierten Politologen betrieben worden wäre. Vielmehr kamen die meisten Fachvertreter, die das Fach in den fünfziger und sechziger Jahren an den Universitäten wieder etablierten, aus der Rechtswissenschaft, der Philosophie oder Soziologie. So handelte es sich bei ihrer Begrifflichkeit, ihrer Methodik und ihren Fragestellungen oft zunächst um Importe aus ihren jeweiligen Herkunftsfächern. Es ist zwar in den Anfängen nicht immer möglich, von »der« Politikwissenschaft zu sprechen, aber mit der Institutionalisierung als Universitätsfach und der damit verbundenen Expansion und Differenzierung entwickelte sich bald eine fachliche Identität.

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Vorwort8
I.Der Staat der Disziplin10
II.Der Staat als Fundament18
III.Der Staat als Instrument44
IV.Der Staat als Artefakt64
V.Der Staat der Policies72
VI.Der Staat als Institution90
VII.Der unverzichtbare Staat106
VIII. Der permanente Staat116
Literatur124
Namenregister146

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