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E-Book

Sterne fliegen höher

Chronik eines ungewöhnlichen Unternehmerlebens

AutorRolf Lohbeck
VerlagKarin Fischer Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl456 Seiten
ISBN9783842283404
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis3,99 EUR
Wilhelm Raabes Dichterwort »Blick auf zu den Sternen, hab acht auf die Gassen!« ist zu einem Leitsatz Rolf Lohbecks geworden. Seine ungewöhnliche Biographie liest sich als fesselnder Zeitbericht einer Persönlichkeitsfindung vom Kriegskind bis zum erfolgreichen Unternehmer, deren Wurzeln sich gleichermaßen im geistigen wie im materiellen Bereich entwickelt haben. Lohbeck ist u.a. Gründer und Inhaber der Hotelgruppe »Privathotels Dr. Lohbeck« und Verfasser mehrerer Bücher. Als Protagonist seiner Zeit zieht er den Leser mit großer Sachkenntnis und lebendiger Erzählkunst in seinen Bann. Anders als Wilhelm Raabe in seiner »Chronik der Sperlingsgasse« hat Rolf Lohbeck die vergangenen siebzig Jahre durch eigenes Erleben und Erfahren einer Retrospektive unterzogen und auf werthaltige allgemeingültige Lebensregeln abgeklopft.

Dr. phil. Rolf Lohbeck wurde 1940 in Essen geboren. Nach kriegsbedingter Evakuierung ins Sudetenland und späterer Flucht in den Westen gelangte die Familie 1945 nach Schwelm in Westfalen, wo der Autor noch heute mit Ehefrau, vier Kindern und elf Enkelkindern lebt und arbeitet. Nach abgeschlossenem Lehrerstudium wirkte er sieben Jahre als Volks- und Hauptschullehrer. An der Ruhr-Universität Bochum begann er 1966 ein Promotionsstudium in Philosophie, Pädagogik und Soziologie. Zwischen 1966 und 1991 veröffentlichte er vier Bücher. Nach Beendigung seiner Lehrertätigkeit ist er seit 1973 als freier Unternehmer tätig und hat neben Seniorenresidenzen, Brauereien und einem Zeitungsverlag eine bekannte Hotelgruppe aufgebaut. Mit der vorliegenden fünften Buchveröffentlichung hat Rolf Lohbeck seine Arbeit als Schriftsteller wieder aufgenommen.

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Leseprobe

Du kleiner Ort, wo ich das erste Licht gesogen,
den ersten Schmerz, die erste Lust empfand,
sei immerhin unscheinbar, unbekannt,
mein Herz bleibt doch vor allen dir gewogen,
fühlt überall zu dir sich hingezogen,
fühlt selbst im Paradies sich noch aus dir verbannt.

WIELAND

I. IM SUDETENLAND


Grellweiße Blitze durchzuckten die Dunkelheit, und das dumpfe Grollen von heftigem Geschützfeuer machte die Nacht zu einer gefährlichen Furie. Die Explosionen der einschlagenden Sprengbomben ließen die Menschen in der Stadt vor Grauen erstarren. Die feindlichen Terrorbomber verrichteten wieder ihr scheußliches Handwerk.

In dieser Nacht im Mai 1943 luden sie ihre tödliche Fracht über Bochum, der grünen Stadt im Ruhrgebiet, ab.

Der schwarze Peter, eine kleine Stoffpuppe in meinem Arm, hatte mir tief im Schlaf wieder wunderbare Geschichten erzählt. Soeben reichte er mir eine aus meiner Nase gebohrte Traumkugel. Genüßlich schob ich sie in den Mund, als die Riesenfaust einer Explosion das Haus, mein Bett und mich selbst emporhob und die Schwärze der Nacht in ein feurig loderndes Inferno verwandelte.

Mein schöner Traum war jäh geplatzt. Ich selber fand mich einige Meter neben dem Bett auf dem Fußboden wieder und starrte verständnislos auf mein lichterloh brennendes Holzschaukelpferd. Dicht daneben lag mein jüngerer Bruder Rainer, den die Gewalt der detonierten Bombe ebenfalls aus dem Bett geschleudert hatte. Er schrie erbärmlich – wohl auch, weil die Flammen des Schaukelpferdes bereits zu ihm herüberleckten.

Erst das Heranstürmen meiner Eltern, das Hochreißen vom Boden und die Geborgenheit des In-den-Arm-Nehmen beendeten den unfaßbaren und unverstandenen Wachtraum. Mein erstes erinnerliches Kindheitserlebnis begann im Chaos und endete in der tröstenden Liebe fürsorglicher Eltern.

Das Sudetenland war schön. Der Weg dorthin liegt weitgehend im Dunkel meiner Erinnerung. Lediglich ein Zwischenaufenthalt auf einem Bauernhof in Bayern mit vielen Kühen und Schweinen ist mir erhalten geblieben.

Autor Rolf Lohbeck (1943)

Vater Karl Lohbeck mit Söhnen Rainer (l.) und Rolf (r.) in Langenau (1943)

In Langenau, Sudetenland (1944) v. l.: Bruder Rainer Lohbeck, Mami, Autor Rolf Lohbeck

Vor dem Haus in Langenau (1944); v. l.: Bruder Rainer, Autor

Dafür stehen das Dörfchen Langenau und seine Umgebung bis heute im Mittelpunkt meiner Kindheitserinnerungen. Die staubige Dorfstraße mit ihren einfachen ein- bis zweieinhalbgeschossigen Steinhäusern hatte nur wenige Seitenstraßen, in denen die wohlhabenderen Einwohner kleine aber schmucke Einfamilienhäuser errichtet hatten.

Eine kleine Dachgeschoßwohnung in einem Vierfamilienhaus wurde unser neues Zuhause. Ein großer Garten hinter dem Haus – durchflossen von einem schmalen Flüßchen – versprach aufregende Abenteuer, die mich später fast das Leben gekostet hätten.

Zunächst lernten wir jedoch den auch im Hause wohnenden Blockwart Günther Sachs kennen. Er trug eine NS-Uniform mit Reithosen und machte uns mit den übrigen Hausbewohnern bekannt. Meine Mutter, Bruder Rainer und ich waren die einzigen Evakuierten, denen im Herbst 1943 unter den durchaus freundlichen Einheimischen die neue vorübergehende Bleibe zugewiesen wurde.

Wir erfuhren, daß auch die drei übrigen Mietparteien des Hauses nicht zu den Eigentümern gehörten. Das Mietshaus gehörte einem westdeutschen Eigentümer, den wir bis zur Flucht aus Langenau im Mai 1945 nicht kennenlernen sollten.

Bei unserer Ankunft herrschte im Sudetenland Frieden, und das Kriegsgeschehen im Osten war noch nicht wahrnehmbar. Eine Aufnahme in den örtlichen Kindergarten war problemlos, und schnell hatten wir Kinder uns integriert. Entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil gab es auch einige tschechische Jungen, deren slawische Abstammung im gemeinsamen Kindergarten ohne Bedeutung blieb. Dies sollte sich später ändern.

Der Kindergarten mit seinem strengen »Erziehungsfräulein« ist mir jedenfalls nachhaltig in Erinnerung geblieben durch den mittäglichen »Erziehungsschlaf«, bei dem meine Hände an das Bettgitter gebunden wurden, um ein Ausbüchsen zu verhindern. Nun ja, Zucht und Ordnung mußten wohl sein. Einen nachhaltigen Schaden habe ich jedenfalls nicht feststellen können.

Dafür erwies sich Langenau als Spielparadies für uns Kinder. Bombenexplosionen, Flakabwehrfeuer und das Dröhnen der Fliegerangriffe in Bochum waren schnell vergessen. Die weite Landschaft des Erzgebirges mit endlosen Blumenwiesen und Feldern, einsamen Bauerngehöften und stillen Wäldern nutzte Mami zu ausgedehnten Wanderungen mit und ohne Kinderwagen für den kleinen Bruder. Die wenigen Kilometer zum Nachbardorf Haida ging es über holprige Feldwege im Sauseschritt. Heute noch sehe ich uns jauchzende Kinder im Kinderwagen, den Mami unermüdlich mit Anlauf durch die Senke des Weges hinauf auf die Wegspitze ins nächste Tal jagen mußte.

Haida war ein besonderes Ziel. Es grenzte an einen riesigen See, an dessen Sandufer das öffentliche Freibad angeschlossen war. Weit draußen im See lag eine verankerte Schwimm-Platt-form, die von geübten Schwimmern in stetem Wechsel angeschwommen wurde. So auch von Mami.

Badevergnügen im See in Haida (1944) v. l.: Bruder Rainer, Papi, Autor Rolf Lohbeck

Was sie an einem dieser herrlich warmen Spätsommertage nicht wissen konnte, war der Überraschungsbesuch unseres Vaters. Als Ingenieur in einem kriegswichtigen Betrieb war er vom Kriegsdienst freigestellt und arbeitete in Oppeln. Bei strahlendem Sonnenschein stand unser Vater im dunklen Anzug plötzlich am Badeufer und winkte seinen Söhnen im Wasser zu. Obwohl beide Nichtschwimmer, paddelte Rainer hinter Mami her, um sie zurückzuholen. Dies hätte er besser bleiben lassen. Schon nach wenigen Metern verlor er den Grund unter den Füßen und trieb auf dem Rücken – aber mit dem Gesicht unter Wasser – in meine Richtung. Unser Vater rief lauthals, ich solle Rainer festhalten, was ich auch eifrig versuchte. Allerdings nur mit dem Erfolg, daß ich ebenfalls den Halt verlor. Sekunden später trieben beide Söhne auf den See hinaus.

Spätestens jetzt wäre es höchste Zeit gewesen für eine konzertierte Rettungsaktion unseres Vaters. Aber wohl aus Rücksicht auf seinen schönen dunklen Anzug, der neu und als Überraschung für Mami gedacht war, verdrängte er die Angst um seine Söhne. Lauthals rief er andere Schwimmer zum Festhalten der dahintreibenden Kinder auf, was schließlich zu unserer Rettung führte. Mami war allerdings von dem Geschrei hinter ihrem Rücken ebenfalls aufmerksam geworden. Schnell hatte sie erkannt, daß ihre Kinder im Mittelpunkt eines Dramas standen. Auch von weitem konnte sie sehen, wie ihre Söhne aus dem Wasser ans Ufer getragen wurden. Mit angstvollen Schwimmstößen eilte sie zum Ufer zurück. Wie groß war ihre Erleichterung, als sie ihre wasserspuckenden Kinder lädiert, aber sonst sehr lebendig in die Arme schließen konnte.

Die kläglichen Erklärungsversuche meines Vaters zu den Ursachen des im letzten Moment verhinderten Unglücks und sein trockener Anzug steigerten die Erregung Mamis bis zum Siedepunkt. Unter eisigen Blicken und einem zornigen Wortschwall stand unser Vater letztlich selbst wie ein begossener Pudel da. Die vorwurfsvollen Blicke der Schaulustigen ließen ihn sichtlich schrumpfen. Seine mitgebrachten Badesachen konnte er jedenfalls vergessen. Für Mami war dieser so sorglos begonnene Badeausflug beendet.

Obwohl die Erleichterung über unsere Rettung, die wir Kinder als weniger dramatisch empfunden hatten, letztendlich überwog, hatte der Vater beziehungsweise Ehemann noch längere Zeit unter Mamis vorwurfsvollen Blicken und Bemerkungen zu leiden. Erst ein späterer Besuch in Oppeln konnte wohl die Wogen zwischen den Eheleuten wieder glätten. Jedenfalls erinnere ich mich noch daran, wie mein Bruder und ich aus der Schlafbaracke unseres Vaters zum Spielen auf die Straße geschickt wurden. Danach herrschte wieder familiärer Frieden, und noch viele gemeinsame Badefreuden im Haidaer See verdrängten das Beinaheunglück und erhielten mir glückliche Kindheitserinnerungen.

Den langen unbeschwerten Sommermonaten folgten ab November fast ebenso lange schneereiche Monate mit eisigen Temperaturen. Natürlich hatten die Wohnungen keine Heizung. Noch heute ist mir das Holzsammeln in den umliegenden Wäldern und das Heranrücken an den kleinen Kanonenofen als einzige Heizquelle für die Wohnung in bester Erinnerung. Trotzdem blieben die oft abenteuerlichen Schlittenfahrten bis in den März hinein unvergessen. Oft war der Kanonenrohrofen bei der Rückkehr kalt und ausgebrannt, dann wurden wir Kinder mit einer Wärmeflasche an den Füßen ins Bett gesteckt und waren schnell wieder aufgewärmt....

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